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Bernd Zimniok, Demografie, Massenmigration

„Man lernt Widerstand zu leisten“

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„Man lernt Widerstand zu leisten“

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Frau Hildebrandt, am 31. Dezember läuft der Pachtvertrag für das Grundstück auf dem ehemaligen Todesstreifen am Grenzübergang Checkpoint Charlie ab, auf dem Sie vor zwei Monaten das aufsehenerregende Mahnmal für die 1.067 Toten der Mauer errichtet haben. Das Denkmal ist vielen ein Dorn im Auge und hat von Anfang an erheblichen Widerstand provoziert (JF berichtete mehrfach). Befürchten Sie, daß morgen die Bagger anrollen, wie der Berliner Kultursenator Thomas Flierl (PDS) zeitweilig angedroht hat? Hildebrandt: Wir, also die Arbeitsgemeinschaft 13. August, hoffen, daß weder Herr Flierl noch Bausenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) das Denkmal abreißen lassen werden. Stehen lassen wollen die die Installation aber auch nicht. Frau Junge-Reyer hat bereits klargemacht, daß sie das Denkmal für „nicht genehmigungsfähig“ hält. Hildebrandt: Unser Problem sind zunächst einmal die Investoren, denen das Grundstück gehört. Die Arbeitsgemeinschaft würde das Gelände am liebsten kaufen? Hildebrandt: Dafür fehlt uns allerdings das Geld, aber wir sind dabei zu sammeln. Wie wahrscheinlich ist es, daß Sie das Geld aufbringen und sich mit dem Investor einigen? Hildebrandt: Dazu möchte ich mich aus nachvollziehbaren Gründen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht äußern. Kann die Landesregierung das Projekt noch verhindern, wenn es Ihnen gelingt, das Gelände zu erwerben? Hildebrandt: Warum sollte sie das tun wollen? Glauben Sie nicht, die Landesregierung versucht Ihr Mahnmal zu hintertreiben? Hildebrandt: Das will ich nicht sagen, aber müßte nicht jede Regierung eine solche Initiative unterstützen? Es gibt in Berlin kein Mauerdenkmal, das die „Erinnerungsarbeit“ leistet, die unser Denkmal leistet. Ich glaube aber, daß die Menschen, vor allem all die Besucher aus aller Welt, so etwas wie unsere Mauergedenkstätte erwarten, wenn sie nach Berlin kommen, und daß sie enttäuscht sind, wenn sie nichts Entsprechendes vorfinden. Hängt dieser Mangel mit der Tatsache zusammen, daß die PDS in Berlin mitregiert? Hildebrandt: Es hängt damit zusammen, daß Politiker Geschichte stets politisch auslegen. Das sollte nicht sein. Wir wollen uns nicht am Parteienstreit um Geschichtspolitik beteiligen. Die CDU immerhin unterstützt die Arbeitsgemeinschaft und unser Mahnmal am Checkpoint Charlie, die anderen Parteien dagegen leider nicht. Uns geht es vor allem auch um die Frage, was mit Checkpoint Charlie passiert. Bleibt der Platz eine Brache wie in den letzten 15 Jahren? Baut ein Investor ein schickes Bürohaus wie geplant? Wir wünschen uns natürlich, daß der Platz als historische Stätte erhalten und erkennbar bleibt. Wir wollten mit der Mahnmal-Aktion auch eine Debatte um die Zukunft des Checkpoint Charlie anstoßen. Mit welcher Lösung für den Checkpoint Charlie wären Sie zufrieden? Hildebrandt: Damit, daß das Denkmal erstmal stehenbleibt. Und zwar so lange, bis es einen besseren Vorschlag für die würdige Gestaltung des Checkpoint Charlie gibt. Auf ein bestimmtes Erscheinungsbild bin ich nicht festgelegt. Womit wären Sie bezüglich einer neuen Mauergedenkstätte zufrieden? Der Direktor des Deutschen Historischen Museums schlägt einen Gedenkraum in einem Nebengebäude des Brandenburger Tors vor. Hildebrandt: Es ist schön, wenn sich die Menschen mit dieser Thematik beschäftigen. Allerdings, was das Brandenburger Tor betrifft, so ist dieser Ort so geschichtsbeladen, daß dort nicht noch eine Mauergedenkstätte entstehen sollte. Bitte nicht! Was empfinden Sie angesichts der Tatsache, daß die PDS mit über ein Denkmal für die Opfer der Mauer entscheidet? Hildebrandt: Die PDS ist nun einmal gewählt worden. Aber nicht in die Regierung, dahin hat sie erst die SPD gebracht – unter Ausbleiben eines ernstzunehmenden Protests von CDU, FDP und Grünen. Hildebrandt: Die Tendenz, daß ehemalige kommunistische Parteien in Regierungsverantwortung kommen, gibt es nicht nur in Deutschland. Um so schlimmer! Hildebrandt: Man kann nur an das Gewissen der Politiker – unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit – appellieren, gegenüber den Schicksalen der Opfern unvoreingenommen und respektvoll zu sein. Die Opfer sind also den Politikern ausgeliefert, ist das die Moral unserer Gesellschaft? Hildebrandt: Mit dem Wort Moral sollte man vorsichtig umgehen. Nur ein Vergleich: Würde es auch akzeptiert werden , wenn eine Regierung mit NPD-Beteiligung über das Holocaustmahnmal entscheiden würde? (Mit dem Unterschied, daß die NPD keine Diktatur verbrochen hat.) Hildebrandt: Solche Vergleiche sind nicht richtig. Hat der Widerstand gegen Ihr Denkmal mit der Tatsache zu tun, daß die Opfer des Stalinismus de facto Opfer zweiter Wahl sind? Hildebrandt: Diesen Vergleich möchte ich nicht ziehen. Das ist erfahrungsgemäß das, was fast alle Stalinismus-Opfer denken. Hildebrandt: Es ist falsch, die Opfer gegeneinander ausspielen zu wollen Geht es nicht einfach nur um Gerechtigkeit? Hildebrandt: Gerechtigkeit ist, daß die Opfer nicht verglichen werden. Ist Ihr Denkmal konzeptionell dem Holocaustmahnmal zu ähnlich, und steht es mit nur ein paar hundert Metern Abstand zu nahe am Holocaustmahnmal? Ist es deshalb vielleicht nicht tragbar? Interpretieren das viele vielleicht als „Majestätsbeleidigung“? Hildebrandt: Wir dürfen keine solchen Vergleiche ziehen. Oder wagen Sie es nur nicht, sie zu ziehen? Hildebrandt: Holocaust und Stalinismus kann und darf man nicht vergleichen – das waren jeweils einmalige Verbrechen. Ihr Mahnmal ist auch den getöteten DDR-Grenzsoldaten gewidmet. Man könnte das als unerhört bezeichnen! Hildebrandt: Es gab bei den Grenztruppen auch Selbstmorde, Schußwaffenunfälle oder Tote bei Schußwechseln mit Flüchtlingen. In keinem anderen Fall würde man eine solche Gleichstellung von Tätern mit Opfern dulden. Hildebrandt: Hier handelt es sich um gemeinsame Geschichte, um eine Tragödie, bei der Bruder auf Bruder geschossen hat. Bedenken Sie doch nur, wie jung die Grenzsoldaten waren! Wir verstehen die Widmungstafel des Mahnmals als Gedenken an die getöteten Flüchtlinge und als Erinnerung an die tragischen Ereignissen. Erinnern ist etwas, daß bei den Menschen ein „Nie wieder!“ hervorrufen soll. Als die ersten Proteste gegen Ihr Denkmal laut wurden, haben Sie angekündigt, sich notfalls anzuketten, sollten die Bagger rollen. Hildebrandt: Das hätte ich auch getan, aber zum Glück ist das nun wohl nicht mehr nötig. Bereits 2003 haben Sie mit einer Aktion zum 17. Juni gegen das Verdrängen der Erinnerung an den Volksaufstand der Deutschen 1953 angekämpft. Sie haben drei 12 Meter lange Bildtafeln an der Außenfassade des Bundesfinanzministeriums angebracht (JF berichtete mehrfach). Hildebrandt: Die Tafeln zeigen Photoszenen vom 17. Juni 1953, der an dieser Stelle einen seiner Brennpunkte hatte, und sie waren auch ein Protest gegen das an dieser Stelle aufgestellte offizielle Denkmal, das so gestaltet ist, daß es quasi nicht sichtbar ist. Sie hatten damals eine Erlaubnis für 14 Tage, sich dann aber einfach geweigert, sie wieder abzunehmen. Nun hängen die Tafeln immer noch dort. Hildebrandt: Wenn Herr Eichel sie loswerden möchte, dann muß er das selbst machen. Bis heute hat er es nicht gewagt. Natürlich hat er geklagt, damit wir sie abnehmen, denn er selbst will sich diese Blöße nicht geben. Der Streit dauert an. Was ist Ihr Ziel? Hildebrandt: Entweder gibt es dort ein vernünftiges Denkmal, oder die Tafeln bleiben hängen. Zumindest nehmen wir sie nicht ab. Werden Sie sich durchsetzen? Hildebrandt: Das weiß ich nicht, aber zumindest werden wir nicht weichen. Immerhin hat Ihre Aktion dazu geführt, daß die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag einen Antrag auf Verbleib der Tafeln gestellt hat. Hildebrandt: Am Anfang stehen wir immer allein, das ist hart, aber es ist schön, wenn man dann doch Unterstützer gewinnt. Wobei ich bedaure, daß die nicht auch aus anderen Parteien kommen. Das würde ich sehr begrüßen. Wenn man bedenkt, was Sie alles fast im Alleingang geschafft haben, dann fragt man sich, was möglich wäre, wenn es nur hundert so engagierte Bürger in Berlin gäbe! Hildebrandt: Wir sind nicht allein, aber brauchen natürlich jede Unterstützung. Warum engagieren ausgerechnet Sie als Ukrainerin sich mehr für die deutschen Opfer des Kommunismus als die Deutschen selbst? Hildebrandt: Die Ukraine wurde von Mongolen, Tataren, Litauern, Polen , Russen und Deutschen besetzt. Irgendwann kommt der Punkt, wo man sich nicht mehr alles bieten zu lassen bereit ist. Mein Onkel saß lange Jahre im Gulag und starb an den Folgen der Haft. Ich finde, irgendwann kommt der Moment, da lernt man Widerstand zu leisten. Sind Sie enttäuscht von den Deutschen? Hildebrandt: Kommunismus und Mauer sind nicht nur die Sache der Deutschen, halb Europa ist Opfer geworden. Mein 2004 verstorbener Mann Rainer Hildebrandt, der immer gegen den Kommunismus und für die Wiedervereinigung gekämpft und 1962 das Mauermuseum auf eigene Initiative gegründet hat, stand auf dem Standpunkt: Hier in Berlin hat die Weltenteilung begonnen, und hier hat sie schließlich auch geendet. Der Checkpoint Charlie gehört allen Menschen in der Welt, die unter dem Kommunismus gelitten haben. Alexandra Hildebrandt sorgt mit ihrem in Privatinitiative errichteten Mahnmal für die Toten an der Mauer in Berlin seit Wochen für hitzige Diskussionen. Die gebürtige Ukrainerin kam 1990 nach Deutschland, 1995 heiratete sie den Gründer und Leiter des weltweit bekannten Mauermuseums „Haus am Checkpoint Charlie“, Rainer Hildebrandt. Seit dessen Tod im Frühjahr 2004 leitet sie das Haus alleine. Hildebrandt wurde 1969 in Kiew geboren und studierte Kunstgeschichte und Malerei. Haus am Checkpoint Charlie: 1962 als private Initiative des Antikommunisten und Menschenrechtsaktivisten Rainer Hildebrandt und seiner „Arbeitsgemeinschaft 13. August“ gegründet. Das Haus dokumentierte jedoch nicht nur, sondern beteiligte sich auch aktiv am Widerstand gegen das Mauerregime, etwa durch Unterstützung von Fluchtaktionen. Im Lauf der Zeit entwickelte sich das Haus zu einem Museum für fried-lichen Widerstand gegen Diktaturen weltweit. Kontakt: Friedrichstraße 43-45, 10969 Berlin, Telefon: 030 / 25 37 25 0, Internet: www.mauer-museum.de Foto: Mauergedenkstätte am Checkpoint Charlie: 1.067 Kreuze (8.600 Quadratmeter) mit Namen und Todesdaten und ein Stück nachgebaute Mauer (unten links im Bild) weitere Interview-Partner der JF

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