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Einig mit dem Volk

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Als Bundeskanzler Gerhard Schröder in der Irak-Frage dem amerikanischen Präsidenten George W. Bush die Gefolgschaft verweigerte, meinten skeptische Beaobachter, dies werde er nicht lange durchhalten. Der als Kanzler der „Spaßgesellschaft“ bezeichnete SPD-Chef werde bei nächster Gelegenheit gegenüber dem mächtigen Washington den Rückwärtsgang einlegen. In Wirklichkeit wird nichts wieder so sein wie in den vertrauten Tagen der „alten“ Bundesrepublik. Schröder, der vielen bis heute als Medienkanzler und fotogener Hans-Dampf-in-allen-Gassen gilt, hat sich allem Anschein nach auf erstaunliche Weise gewandelt – nicht erst seit er mit überraschender Konsequenz gegenüber den USA erklärte: „Meine Antwort war und ist: Nein!“ Wer die jüngsten Reden des SPD-Kanzlers genauer liest, kann einen Wandel der Terminologie feststellen. Zum ersten Mal sprach der Kanzler einer Koalition, deren Vertreter sich scheuen, das Wort „Volk“ in den Mund zu nehmen, und statt dessen lieber von „Gesellschaft“ reden, nicht nur vom Volk, sondern sogar zweimal in der gleichen kurzen Ansprache vor Ausbruch des Irak-Krieges von „unserem Volk“. Und am Tage des Kriegsausbruchs begann Schröder seine Fernsehansprache mit den Worten: „Ich weiß mich in dieser Haltung einig mit der großen Mehrheit unseres Volkes“ – als suchte der Kanzler nach der nationalen Solidarität der Deutschen in einer Schicksalsfrage. Was früher an ihm leicht, ja sogar leichtfüßig erschien, war abgefallen und hatte einem inneren Ernst Platz gemacht. Ist dieser Kanzler, der in der Wirtschafts- und Finanzpolitik in großen Schwierigkeiten steckt, der erste seit langer Zeit, der in der Außenpolitik nationale deutsche Interessen zu formulieren wagt? Ein seltsamer Widerspruch: Er, der Chef einer rot-grünen Koalitionsregierung, die seit ihrer Amtsübernahme 1998 einer anationalen, ja sogar antideutschen Linie folgt, erinnerte die eigene Nation, daß es so etwas wie gemeinsame Werte geben müsse. Das klingt auf den ersten Blick widersprüchlich. Man erinnert sich an ein Foto auf seinem Schreibtisch im Kanzleramt. Es zeigt einen Soldaten mit Stahlhelm in deutscher Wehrmachtsuniform. Es ist sein Vater, den er nie kennengelernt hat, weil er 1944, im Jahr seiner Geburt, in Rumänien gefallen ist. In seiner Biographie erwähnt Schröder, er habe am eigenen Leib erfahren, was es bedeutete, sich Chancen erkämpfen zu müssen. Natürlich blieb Schröder als SPD-Politiker und Kanzler von Widersprüchen nicht verschont. Ob er ein Staatsmann oder nur ein Rhetoriker ist, muß sich erst erweisen. Und doch wäre es falsch, ihn außenpolitisch vorschnell abzuwerten. Er hat in schwieriger Zeit Flagge gezeigt und ist gewaltigem Druck aus Übersee ausgesetzt. Schröders Kanzlerschaft könnte das Ende der „Selbstbeschmutzungsphase“ der Deutschen markieren. Es gibt also auch hier die „List der Geschichte“.

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