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Brisanter Schmelztiegel

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Beginnen wir mit der positiven Nachricht: Der Versuch islamischer Fanatiker, sich an Bord von Passagierflugzeugen in die Luft zu sprengen und Hunderte von Passagieren mit in den Tod zu reißen, konnte im letzten Augenblick vereitelt werden. Alle anderen Erkenntnisse, die wir aus den Ereignissen gewinnen können, sind beklemmend. Das gilt an erster Stelle für die Herkunft der Fast-Attentäter. Das gilt ebenso für ihre Motivation, vor allem aber für die logischen Konsequenzen, die sich für die westliche Welt daraus ergeben. Die meisten der Einsichten, denen sich die politisch Verantwortlichen jetzt nicht mehr entziehen können, sind für sie deshalb so unerwünscht, weil sie ihre Existenz bislang abgestritten haben. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Sie passen nicht in ihr politisches Weltbild. Deshalb verfuhren westliche Politiker bisher nur zu gern nach der Devise: „Was nicht sein darf, das nicht sein kann.“ Zurück zu den Fakten. Die 23 derzeit Festgenommenen sind – bis auf einen, der nach ethnischer Herkunft wie Staatsangehörigkeit Brite ist – ethnisch Pakistani, die allerdings in England geboren wurden, dort aufwuchsen und – so unterstellte man zumindest bisher – in der britischen Gesellschaft integriert waren. Daß sie islamischen Glaubens sind, betrachtete man als belanglos. Der Umstand, daß sie nicht in einem Ausländerghetto, sondern in einem Stadtteil wohnten, den man sich nur leisten kann, wenn man relativ wohlhabend ist, sprach ebenfalls für diese Annahme. Gestützt wurde sie auch durch das freundliche und angepaßte Verhalten, mit dem sich die Festgenommenen in der Wahrnehmung ihrer Nachbarn eingeprägt haben. Somit sprach alles dafür, daß die Festgenommenen materiell wie emotional Teil der westlichen – also unserer – Welt geworden waren. Wer dies vor Donnerstag voriger Woche angezweifelt hätte, wäre des Vorwurfs rassistischer Ressentiments ziemlich sicher gewesen. Diese Beurteilung hat sich als sachlich falsch erwiesen. Die Bedeutung dieser Fehleinschätzung ergibt sich aber nicht nur in dem konkreten Fall, der fast zur Katastrophe geführt hätte. Nicht weniger wichtig als dies ist, daß sie Folge einer Grundüberzeugung ist, die fast alle westlichen Politiker teilen. Sie unterstellt, daß die westlichen Wertvorstellungen global Akzeptanz finden und auch von anderen Kulturen übernommen werden. Dieser Glaubenssatz bestimmt ihr Handeln. Wenn die Wirklichkeit ihre These widerlegt, daß Menschen, die aus anderen Kulturkreisen kommen, durch das Erlernen der Sprache ihres neuen Heimatlandes, durch eine gute Schulbildung und einen gut bezahlten Beruf auch vom westlichen Wertekanon überzeugt werden – vor allem von Toleranz und Gesetzestreue -, dann ist nicht irgend etwas passiert. Dann haben sie die Grundlage ihrer Argumentation und ihres Anspruches verloren, die Wirklichkeit so zu sehen, wie sie tatsächlich ist und realistisch handeln zu können. Das aber ist die Voraussetzung dafür, ein Land zu regieren. Kurz, dies trifft die politische Legitimation der heutigen politischen Elite – in Großbritannien wie andernorts. Nichts rechtfertigt die Annahme, daß es mit dem vereitelten Terrorakt sein Bewenden habe oder daß künftige Anschläge auf Amerika und England beschränkt bleiben. Beide Länder mögen aus islamistischer Sicht die Speerspitze des Westens sein. Gegenstand islamistischen Hasses aber ist nicht ein Land, sondern das westliche Gesellschaftsmodell. Genau das, was eine globale Weltordnung, die auf seinen Normen beruhen soll, für den Westen so attraktiv macht, empfinden und beurteilen islamische Fundamentalisten als eine existentielle Gefahr. Die westliche Ordnung mit der Trennung von Glauben, Staat und Gesellschaft gefährdet nach der Überzeugung der Islamisten ihre Identität, weil sie in ihren Augen gottlos, verderbt und damit böse ist. Sie zu bekämpfen und dabei das eigene Leben zu opfern, ist für sie eine Gott wohlgefällige Tat. Mit Menschen, die an diesem Punkt angelangt sind, kann man nicht mehr diskutieren und man kann sie schon gar nicht von der westlichen Position überzeugen. Fürs erste bleibt somit nichts, als die Gefahr, die Folge des Zusammenpralls einander ausschließender Kulturen ist, mit den Mitteln der Exekutive zu bekämpfen. Darüber hinaus wird es jedoch notwendig sein, sich Antworten auf Fragen zu geben, die bisher tabuisiert worden sind. Dazu gehört insbesondere die, ob Mulikulturalismus wirklich friedensfördernd ist und was zu tun ist, wenn sich das Gegenteil erweist. Eine weitere Frage bedarf dringend einer Antwort: Ist eine stabile Friedensordnung zwischen dem Westen und der islamischen Welt mit einer Politik zu erreichen, die den Haß der islamischen Volksmassen in Kauf nimmt? Das Ende der terroristischen Bedrohung wird sich mit dem Einsatz von Polizei, Geheimdiensten und selbst von Streitkräften kaum herbeiführen lassen. Dazu sind Antworten auf die Fragen und Probleme nötig, aus denen heraus die Bereitschaft entsteht, das eigene Leben zu opfern, um die Probleme im eigenen Sinne mit Gewalt zu lösen. Dazu gehört eine Politik der Selbstbegrenzung statt der Globalisierung und der Koexistenz statt der eines weltweiten Schmelztiegels der Kulturen. Die Einsicht dazu, läßt – leider – weiter auf sich warten.

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