Man sollte sich nicht an den Begriffen festhalten. Es geht nicht darum, daß die Leute nur einen Euro verdienen. Aber man muß den großen Schwarzmarkt zur Kenntnis nehmen: In Berlin beschäftigt – überspitzt gesagt – jeder zweite Haushalt eine illegale Putzfrau. Der Markt für diese Dienstleistungen existiert, aber er ist nicht legal, weil die Abgaben für die Arbeitgeber zu hoch sind. Wir brauchen daher einen Niedriglohnsektor, auf dem der Markt die Preise bildet. Natürlich hat der Arbeitnehmer Schwierigkeiten, mit den Einkünften seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Daher sollte es Hilfe vom Staat geben – etwa in der Art einer negativen Einkommensteuer. Das ist immer noch günstiger, als die Sozialhilfe voll zu zahlen. Es ist auch gerecht gegenüber den Steuerzahlern. Denn jeder sollte zumindest versuchen, seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Es gibt keine gemeinnützige Tätigkeit, die nicht auch einen Wettbewerbsvorteil ausmacht. Beispielsweise in der Altenpflege: Wenn den Menschen in einem Altenheim vorgelesen wird, bedeutet das eine höhere Lebensqualität. Es kann nicht sein, daß ein Wohlfahrtsverband mit dieser Qualitätsverbesserung durch die Ein-Euro-Kräfte wirbt. Man muß fragen, warum dieser Weg den privaten Pflegeheimen nicht auch offen steht. Es geht um Wettbewerbsverzerrung: Denn man kann annehmen, daß diese Leute nicht nur vorlesen, sondern auch andere Arbeiten machen. Wenn die Politik sagt, sie werde dafür sorgen, daß die Ein-Euro-Kräfte nur in den Bereichen der Gemeinnützigkeit agieren, dann muß man das ganz stark in Zweifel ziehen. Aber über einen Niedriglohnsektor, der nicht nur auf den sogenannten gemeinnützigen Bereich begrenzt ist, muß man sich unterhalten. Dabei geht es nicht darum, daß wir einen Ein-Euro-Sektor einführen müssen, das würde zu kurz greifen. Es geht um Marktpreise – und das können natürlich auch drei oder fünf Euro sein. Markus Guhl ist Bundesgeschäftsführer der Aktionsgemeinschaft Wirtschaftlicher Mittelstand. Die Liste staatlich subventionierter Konkurrenz für Privatunternehmen ist mittlerweile lang: Es gibt die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM), Beschäftigung schaffende Infrastrukturmaßnahmen (BSI), Ich-AGs und neuerdings die sogenannten Ein-Euro-Jobs. Das alles bleibt nicht ohne Folgen: In Sachsen gibt es beispielsweise derzeit 40.000 Arbeitslose in der Bauwirtschaft, in Sachsen-Anhalt 26.000. Die Zahl der Beschäftigten in der Branche hat sich in diesen beiden Bundesländern von 1995 bis heute mehr als halbiert. Vor diesem Hintergrund sind die arbeitspolitischen Maßnahmen zu bewerten – einschließlich der jetzt hinzukommenden Ein-Euro-Jobs. Die Kommunen haben bereits angekündigt, in Zukunft verstärkt Arbeitslose zu gemeinnützigen Zwecken heranzuziehen. Es besteht die Gefahr, daß Beschäftigungsgesellschaften zukünftige Empfänger von Arbeitslosengeld II zu Dumpinglöhnen beschäftigen. Diese erhalten dann zusätzlich zu ihrem Anspruch auf Arbeitslosengeld eine sogenannte Mehraufwandsentschädigung in Höhe von ein bis zwei Euro pro Stunde. Die Folge ist, daß die Gesellschaften ihre Tätigkeiten zu – für Privatfirmen – ruinösen Preisen anbieten, was direkt zu Lasten der Privatwirtschaft geht. Dies wirkt einerseits wettbewerbsverzerrend und reduziert andererseits Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt. Die Bauwirtschaft befürchtet eine Reaktivierung des zweiten Arbeitsmarktes durch staatlich subventionierte Konkurrenz. Durch eine solche „Konsolidierungspolitik“ werden jedoch die kurzfristigen Individualvorteile der Kommunen in gesamtwirtschaftliche Nachteile münden. Dies kann nicht Sinn von Sozialreformen sein. Das Ziel muß vielmehr sein, die Arbeitslosigkeit durch eine Vermehrung der Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt zu verringern. Dr. Robert Momberg ist Hauptgeschäftsführer des Sächsischen Bauindustrieverbandes e. V.