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Im Armenhaus der EU

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Der englische Begriff „blunder“ bedeutet ins Deutsche übersetzt „Pfusch, Stümperei“. Genau mit diesem Begriff belegte letzte Woche das britische Wirtschaftsmagazin The Economist die Lage Deutschlands. Der entsprechende Beitrag war kurz und knapp mit „Wirtschaftsblunder“ übertitelt worden. Nach Berechnungen des Magazins lag das deutsche reale Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2003 um ein Prozent unter dem Durchschnitt aller EU-Staaten. Noch drastischer drückte es der Spiegel aus, der Deutschland zur „Lachnummer“ verkommen sieht. Maut, Bahntarife, Gesundheitsreform – eine Panne nach der anderen lasse die Deutschen an ihrem Land verzweifeln. Provokativ stellte das Blatt die Frage: „Sind wir ein Volk von Versagern, unfähig zum Fortschritt, regiert von Stümpern?“ Wie dramatisch der Niedergang Deutschlands ist, verdeutlichen folgende Zahlen, die in dem angesprochenen Artikel des Economist zusammengetragen worden sind. Ende der achtziger Jahre habe das BIP pro Kopf in Deutschland rund 20 Prozent über dem Schnitt der EU gelegen. Heute sei das Pro-Kopf-BIP (kaufkraftbereinigt) nur noch in vier von 15 EU-Nationen niedriger als in Deutschland. Im Durchschnitt ärmer als Deutschland seien derzeit nur noch Spanien, Portugal, Italien und Griechenland. Im einstigen Armenhaus Westeuropas, nämlich in Irland, liege das Pro-Kopf-BIP inzwischen 20 Prozent über dem deutschen Wert. Ergänzt werden muß hier freilich: Das irische „Wirtschaftswunder“ ist auch auf die Brüsseler Umverteilungsmaschine zurückzuführen, die zu einem guten Teil vom neuen „EU-Armenhaus“ Deutschland finanziert wird. Weil auf jemanden, der bereits am Boden liegt, gerne noch eingetreten wird, befindet der Economist, daß Deutschland „zu großen Teilen für das schlechte Image der EU-Wirtschaft verantwortlich“ sei. Der Rest der EU sei nicht „sklerotisch“, wie behauptet werde. In den anderen EU-Ländern entwickle sich die Wirtschaft ebenso dynamisch oder sogar dynamischer als in den USA, die als weltweiter Wachstumsmotor gelten. Daß Deutschland aus dieser Misere nur herauskommt, wenn die Lohnnebenkosten gesenkt, die Steuerlast reduziert und der „übertrieben großzügige Wohlfahrtsstaat“ zusammengestrichen werden, sind Empfehlungen des Economist, die jeden Tag auch hier bei uns landauf und landab heruntergebetet werden. Da in Deutschland Reformbemühungen aller Art eine Schnecke sind, muß damit gerechnet werden, daß der Abwärtstrend in absehbarer Zeit nicht zu stoppen sein wird. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund maroder sozialer Sicherungssysteme und der demographischen Katastrophe, auf die Deutschland zusteuert. Um an dieser Stelle noch einmal auf die Frage nach der Verantwortung für die deutsche Misere zurückzukommen: Hier werden gerne die Kosten der deutschen Einheit ins Feld geführt, hinter der wie bei einer Nebelwand alles verschwindet. Kritische Fragen laufen schnell Gefahr, als degoutant eingestuft zu werden. Dennoch liegt hier ein entscheidender Schlüssel für das Verständnis der heutigen Situation – um hier nur einige wenige Aspekte anzusprechen. Einmal muß in diesem Zusammenhang die Währungsumstellung im Verhältnis 2:1 genannt werden, die ökonomisch ein völliger Mißgriff war. Jedes Mitglied der Regierung Kohl hätte damals wissen können, daß eine Währungsumstellung, die eine Aufwertung der DDR-Währung um fast 500 Prozent bedeutete, der Ruin der Industrien in Mitteldeutschland sein mußte. Weiter sind die sogenannten DDR-Altschulden zu nennen. Der Einigungsvertrag von 1990 hat die DDR-Altschulden fortgeschrieben. Er hätte sie auch für erledigt erklären können, ohne daß irgendwelche Rechte verletzt worden wären. Die hieraus resultierenden Verpflichtungen, die nach dem Zusammenbruch der DDR eigentlich „Nonvaleurs“ waren, also bedeutungslose Zahlen auf dem Papier, sind erst durch den Einigungsvertrag verrechtlicht und damit verbindlich gemacht worden. Der Druck der „DDR-Altlasten“ sowie die Währungsumstellung im Zusammenhang mit den ohnehin sehr schwierigen Verhältnissen auf den Weltmärkten verunmöglichte einen erfolgreichen Start für die mitteldeutschen Länder. Erst dadurch wurden die uferlosen Transferleistungen nach Mitteldeutschland notwendig. Dazu kommt ein weiteres. Deutschland muß trotz der hohen Lasten der Wiedervereinigung immer größere Summen an die EU abführen. Im EU-internen Finanzausgleich sind die Lasten der deutschen Wiedervereinigung in keiner Weise berücksichtigt worden. Ganz richtig stellte der Publizist Bruno Bandulet fest: „Die Deutschen mußten weiter zahlen, als habe es keine Wiedervereinigung gegeben.“ So ist es bis heute geblieben: Die Deutschen haben zu zahlen und den Mund zu halten. Keine deutsche Regierung, weder unter Kohl noch unter Schröder, hat sich bisher in der Lage gezeigt, diesen ständig steigenden EU-Transfers einen wirksamen Riegel vorzuschieben. Ganz im Gegenteil. Mit der auf 25 erweiterten EU droht sogar noch ein weiterer Anstieg zu Lasten Deutschlands. Vor diesem Hintergrund müßte die eingangs zitierte Frage des Spiegels eigentlich lauten: Wie lange kann es sich Deutschland noch leisten, von politischen Stümpern regiert zu werden?

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