Die Mitglieder der Grünen haben nun per Urabstimmung die Gelegenheit, das nachzuholen, was ihre Delegiertenversammlung trotz tränenreicher Beschwörung durch die Prominenz nicht zustande brachte. Sie sind aufgefordert, mit einer fragwürdig gewordenen Tradition zu brechen: Seit ihrer Gründung im Jahr 1980 fesselt sich die Partei durch die Regel, daß Angehörige des Vorstandes nicht zugleich Parlamentarier sein dürfen. Das Ergebnis dieser Unvereinbarkeitsbestimmung war aber nicht mehr Basisnähe, sondern weniger Effizienz. Knapp dreißig „Sprecher des Bundesvorstandes“ haben die Grünen in ihrer kurzen Geschichte verschlissen. Die meisten kamen als Namenlose ins Amt und verließen es als ebensolche. Ein Gesicht konnten sie der Partei, die man eher mit ihren Parlaments- oder Regierungsstars identifiziert, nicht geben. Es hat seinen Grund, daß Joschka Fischer als die Augustus-Gestalt der Grünen nie ihr Sprecher gewesen ist. Trotz aller einleuchtenden Argumente für eine Abkehr von den ehemals unantastbaren Prinzipien der Partei wäre es aber ungerecht, die dagegen opponierende Minderheit als rückwärtsgewandt abzutun. Es gibt immer noch viele, die den Vorstellungen, mit denen die Grünen einst angetreten sind, ehrlich verbunden blieben. Manchen von ihnen hat die Partei einiges zu verdanken. So viele Kompromisse waren notwendig, um bis zur Regierungsverantwortung heranzureifen. Man hat Kriege legitimiert, die Interessen der Wohlhabenden zu schätzen gelernt und bei allem unbedingten Profitstreben der Industrie ihren guten Willen anerkannt. Da ist es verständlich, wenn der eine oder andere wenigstens an den Ritualen festhalten möchte, die den Grünen früher ihr skurriles Außenseiterimage vermittelten. Sollten sich die Reformer an der Spitze durchsetzen, könnten die Unterlegenen an der Basis dennoch ein versöhnliches Fazit ziehen: Die Trennung von Vorstandsamt und Mandat sollte dem Zweck dienen, das Entstehen einer Parteioligarchie, die ihr Zentrum in der Bundestagsfraktion hätte, zu verhindern. Die Hoffnung, mit den Grünen könnte eine politische Bewegung etabliert werden, deren innere Ordnung nicht bloß scheindemokratisch ist, mußte aber bereits nach dem Ende des Rotationsprinzips begraben werden. Seither ist das autoritäre Regiment einer sich immer wieder selbst erneuernden Elite drastischer als in allen einst kritisierten Altparteien. Die durch ihr Wirken in Parlament und Regierung in den Medien omnipräsente Prominenz dominiert die Grünen, ohne daß sie sich dem Votum der Mitglieder stellen müßte. Auch das jetzt stattfindende innerparteiliche Plebiszit ist ein klassisches Instrument autoritärer Herrschaft, mit dem es die Entscheidung frei gewählter Delegierter auszuhebeln gilt. Die Macht der bisher nur informellen Führerinnen und Führer soll sich in Parteiämtern widerspiegeln. Dies hat seine positive Seite: Oft sind Diktaturen erträglicher, wenn sie nicht demokratisch bemäntelt werden.