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Marc Jongen, ESN Fraktion
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Requiem für den Dollar

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In der deutschen Außenpolitik ist in den letzten Monaten mehr in Bewegung geraten als in all den Jahren seit der Wiedervereinigung. Wie Deutschland zaghaft versucht, sich vom Status einer „unglücklichen Kolonie“ der USA (so ein US-Soziologe) zu lösen, bedarf einer psychoanalytischen Erklärung: Die USA spielten seit ihrem Sieg von 1945 die Rolle des Über-Ichs, sie waren zuständig für Kontrolle und Orientierung der deutschen Persönlichkeit, sie wurden damit auch zu einer Quelle von Minderwertigkeitskomplexen und Selbstbestrafungstendenzen. Nachdem sich die linke Koalition in Berlin seit dem Sommer 2002 eine Reihe von Ungezogenheiten und Befehlsverweigerungen geleistet hat, grassiert nun die Angst vor Bestrafung. Schröder macht neuerdings versöhnliche Gesten in Richtung Washington und bietet an, beim Aufräumen der Trümmer zu helfen, die von der US-Luftwaffe in Irak hinterlassen wurden. Und die CDU-Führung, aber auch einflußreiche Medien wie die FAZ, konnten ohnehin nie über den Horizont eines Satelliten hinausblicken. Kaum jemand stellt die Frage nach der tatsächlichen Substanz und Nachhaltigkeit der US-Stärke. Nach gängiger Meinung sind Deutschland und Europa von den USA abhängig. Aber es könnte ja sein, daß die USA den Rest der Welt mehr brauchen als dieser die USA. Warum? Weil es ein Paradox und ein historisches Novum ist, daß die führende Weltmacht zugleich der größte Schuldner der Welt ist. Ob das Kunststück gelingt, dauerhaft auf Bajonetten und Schulden zugleich sitzen zu können, muß bezweifelt werden. Die Zahlen sind erschreckend: 1975 erzielten die USA zum letzten Mal einen Handelsbilanzüberschuß – in Höhe von drei Milliarden Dollar. 1989 war das letzte Jahr, in dem die US-Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland auf gleicher Höhe lagen. Seitdem sorgen die explodierenden Defizite der Leistungsbilanz (sie betragen derzeit etwa 500 Milliarden Dollar pro Jahr) für einen beispiellosen Anstieg der US-Auslandsverschuldung. Bis Ende 2003 dürfte sie netto einen Stand von etwa 3.700 Milliarden Dollar erreicht haben, wozu auch die irakischen Kriegskosten beitragen, die diesmal nicht auf die Verbündeten abgewälzt werden können. Anders gerechnet: Um ihre Großmachtambitionen und einen exzessiven Konsum zu finanzieren, benötigen die USA pro Tag (!) 1,5 Milliarden Dollar aus dem Ausland. Funktionieren konnte das bisher nur, weil der Dollar nicht nur als Weltreservewährung, sondern auch als Ölwährung fungiert. Weil die Welt Öl braucht und weil Öl in Dollar abgerechnet wird, ist eine permanente Dollar-Nachfrage garantiert. Mit der Kontrolle der arabischen Ölfelder gewinnen die Amerikaner mehrfach: Sie können die Ölförderung über Menge und Preis steuern; sie können nach Belieben den Öl-Exporteur Rußland mit tiefen und den Öl-Importeur China mit hohen Ölpreisen unter Druck setzen; vor allem aber können sie sicherstellen, daß arabisches Öl auch künftig gegen Dollar gehandelt wird. Das stützt den hegemonialen Status der US-Währung und damit die Weltmacht USA. Daß Saddam Hussein im November 2000 von Dollar auf Euro umstellte, wurde in Washington als ungeheurer Affront empfunden und hat sicherlich zum Entschluß beigetragen, ihn zu beseitigen. Dennoch: Die Absetzbewegung aus dem Dollar gewinnt langsam an Tempo. China hat begonnen, den Euro- und Goldanteil an seinen Währungsreserven zu erhöhen. In den russischen Wechselstuben werden seit dem vergangenen Winter zunehmend auch Euros nachgefragt. Die Zentralbank in Moskau mußte erstmals intervenieren, um den Dollar zu stützen. Arabische Gelder in einer Größenordnung von mehreren hundert Milliarden Dollar haben die US-Währung und die USA verlassen. Obendrein plant nun auch noch Malaysia, den Gold-Dinar als neue Handelswährung der islamischen Welt einzuführen. Eine erste konkrete Zusage, sich zu beteiligen, kam aus dem Iran – einem anderen „Feindstaat“ aus Sicht des Pentagon. Die Dollar-Dominanz wird nicht mehr als selbstverständlich hingenommen, die Fundamente des Dollar-Standards beginnen zu bröckeln. Es stimmt zwar nach wie vor, daß die Euro-Zone keinen optimalen Währungsraum darstellt, daß die Deutschen eine bessere gegen eine schlechtere Währung eingetauscht haben, daß Paris die Konkurrenz der Währungen in Westeuropa beseitigen und die Macht der Bundesbank brechen wollte. Aber es stimmt auch, daß große Teile der internationalen Staatengemeinschaft dankbar sind für eine Alternative zum Dollar. Die Ironie der Geschichte liegt darin, daß Kohl und Waigel mit dem Euro etwas ermöglicht haben, was sie gar nicht beabsichtigten: die Schwächung der amerikanischen Finanzhegemonie, die Überwindung des Protektoratsstatus, die Souveränität Kerneuropas. Wir stehen erst ganz am Anfang dieser Entwicklung. Aber an der Frage Euro oder Dollar könnte sich die nächste europäisch-amerikanische Krise entzünden – auch das hat die unglaublich provinzielle und naive CDU-Führung bis heute nicht begriffen. Dr. Bruno Bandulet ist Herausgeber des „Deutschlandbriefs“ und des Finanzdienstes „Gold & Money Intelligence“.

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