ANKARA. Der Putschversuch in der Türkei von Teilen des Militärs gegen Präsident Recep Tayyip Erdoğan ist offenbar gescheitert. Die Armeeführung erklärte die Handlungen der Putschisten für beendet. Unterdessen sollen die Kämpfe im Armee-Hauptquartier in Ankara andauern, und die Gesamtlage im Land bleibt unübersichtlich.
Präsident Erdoğan bezeichnete den Putschversuch als Hochverrat und kündigte Vergeltung an. Die Aufständischen würden „einen hohen Preis bezahlen“. Er machte Anhänger des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen für den Aufstand verantwortlich. Dessen Bewegung bestritt jedoch jede Beteiligung.
Bei dem niedergeschlagenen Staatsstreich sollen nach vorläufigen Angaben mindestens 194 Menschen umgekommen sein, mehr als 1.150 wurden demnach verletzt. 1.563 Militärangehörige seien festgenommen worden, sagte ein Regierungssprecher. Gestern abend übernahmen die Putschisten nach eigenen Angaben zunächst die Kontrolle über das Land, riefen das Kriegsrecht aus, verhängten eine Ausgangssperre und brachten den Erdoğan-treuen Generalstabschef Hulusi Akar in ihre Gewalt.
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In Ankara warfen Kampfjets offenbar Bomben, eine davon sei in der Nähe des Präsidentenpalastes eingeschlagen. Aufnahmen zeigen das Gebäude der türkischen Nationalversammlung als schwer beschädigt.
Unterstützung für Putschisten im Volk offenbar gering
Über die Absichten und Ziele der Putschisten ist bisher wenig bekannt. Die Akteure mit dem Namen „Bewegung für Frieden in der Heimat“ hatten in der Nacht mitgeteilt, die verfassungsmäßige Ordnung, die Demokratie und die Menschenrechte wiederherstellen zu wollen. Deren Rückhalt in der Bevölkerung war offenbar gering. Aufnahmen aus Istanbul und Ankara zeigten aufgebrachte Menschenmengen, die sich den Soldaten in den Weg stellten. Auch in Deutschland gingen noch in der Nacht viele tausend Türken aus Solidarität mit Präsident Erdoğan auf die Straße. Vor der türkischen Botschaft in Berlin protestierten etwa 3.000 Demonstranten gegen den versuchten Militärputsch.
Die Sicherheitsvorkehrungen auf dem auch von der deutschen Bundeswehr genutzten Luftwaffenstützpunkt Incirlik wurden „routinemäßig“ erhöht, wie ein Sprecher sagte. Die Bundesregierung sowie die Spitzen der EU hatten noch in der Nacht den Putschversuch verurteilt und sich hinter die Regierung Erdoğan gestellt. „Die Türkei ist ein wichtiger Partner der Europäischen Union“, hieß es in einem Schreiben von EU-Ratspräsident Donald Tusk und Kommissionspräsident Juncker. Weltweit warnten Regierungen vor weiterem Blutvergießen und Chaos in dem Land am Bosporus. (ru)