Der Asylansturm auf Deutschland und Europa hat seinen Gipfelpunkt noch lange nicht erreicht, auch wenn mit über einer Viertelmillion neuer Immigranten allein im September eine neue Rekordmarke verzeichnet wurde. Dafür jagt ein „Flüchtlingsgipfel“ den nächsten: Erst in Brüssel das Zusammentreffen der EU-Innenminister und Regierungschefs, dann lud die Kanzlerin die Ministerpräsidenten der Bundesländer nach Berlin.
Die weite Sicht fehlte auf beiden Treffen: Die Teilnehmer stochern mit ihren durchwachsenen und widersprüchlichen Beschlüssen auch deshalb im Nebel, weil sie sich beharrlich um die alles entscheidende Frage herumdrücken: Wer darf kommen, und wie viele, und wo und wie sollen die roten Linien gezogen werden?
Größere Sprengkraft als das Euro-Debakel
Wenn das Brüsseler Spitzentreffen ein konkretes Ergebnis gebracht haben soll, dann vor allem dieses: Der außer Kontrolle geratene Asylansturm hat für die Europäische Union noch größere Sprengkraft als Euro-Debakel und Griechenland-Retterei. Die per Mehrheitsentscheid beschlossene Verteilung von zunächst 120.000 Asylbewerbern nach Quoten auf die Mitgliedstaaten ist reines Dynamit:
Sie vergewaltigt die Souveränität der überstimmten Osteuropäer, selbst über die Zusammensetzung ihrer Einwohnerschaft zu entscheiden, und sie ist ein gefährlicher Blankoscheck, solange der einvernehmliche Wille fehlt, den Zuzug strikt zu begrenzen und die EU-Außengrenzen abzuriegeln. Ohne diesen Willen sind auch alle anderen Beschlüsse, von Verteilzentren an der Peripherie bis zu besserer Unterstützung echter Kriegsflüchtlinge in der Region, nichts als wohltönende Makulatur.
Kosten dürften an Deutschland hängenbleiben
Die Kosten dürften ohnehin vor allem an Deutschland hängenbleiben, das durch die willkürliche, einseitige und europäisches Recht aushebelnde „Schleusen auf“-Politik zunehmend in Europa isoliert ist. Die lasche Abschiebepraxis in Deutschland wird sogar der EU-Kommission zuviel, die auch deswegen ein Vertragsverletzungsverfahren angestrengt hat. Etliche Nordstaaten, Großbritannien voran, verdächtigen Berlin, illegal Einwanderer in die Union zu schleusen, während sich die von nicht enden wollenden Karawanen heimgesuchten ostmittel- und südosteuropäischen Staaten als ungefragte Opfer einer arroganten und egoistischen Gutmenschenpolitik fühlen.
Mit dem abgenutzten Allzweckmittel der Scheckbuchdiplomatie werden diese Risse nicht mehr zu kitten sein. Der einfallslose Irrglaube, jedes real existierende Problem mit Moralpathos und viel Steuergeld wegschwätzen und zukleistern zu können, setzt sich freilich im innenpolitischen Umgang mit der Asylkrise fort. Greifbarstes Ergebnis des Berliner „Flüchtlingsgipfels“ ist die massive Aufstockung der Zahlungen des Bundes an die Länder zur Deckung der Asylkosten von drei auf mindestens vier Milliarden Euro im kommenden Jahr – der genaue Betrag hängt von der Zahl der Neuankömmlinge ab, für die künftig monatliche Kopfpauschalen gezahlt werden sollen.
Geringschätzung der eigenen Landsleute
Steigt der Zustrom, auf dessen Kontrolle man nach wie vor weitgehend verzichtet, über die zu niedrig angesetzten Schätzungen, steigen auch die Kosten, für die das Risiko jetzt beim Bund liegt. Plus zusätzliche Mittel für Wohnungsbau, Kita-Ausbau und „unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“. Genommen wird das Geld aus den Steuermehreinnahmen und aus der freiwerdenden Betreuungsgeld-Milliarde. Geld, das einheimischen Familien und Steuerzahlern zusteht – die politischen Prioritäten sind so klar, wie sie von Geringschätzung der eigenen Landsleute getragen sind.
Kein Wunder also, daß die Grünen bereits signalisieren, daß die von ihnen mitregierten Länder die inzwischen in Kabinettsbeschlüsse gegossenen Vereinbarungen mittragen wollen: Ihre steuergeldabhängige sozialindustrielle Klientel profitiert ja davon. Vorschläge im Entwurf des Bundesinnenministers, die tatsächlich zur Begrenzung des Zustroms geeignet wären, wurden dagegen schon im Vorfeld gestrichen wie die sofortige Abweisung unbegründeter Asylanträge an den Grenzen analog zur „Flughafenregelung“, die allerdings ständige Grenzkontrollen zur Voraussetzung gemacht hätte.
Was bleibt – die Benennung weiterer „sicherer Herkunftsstaaten“, der Vorsatz, konsequenter abzuschieben – steht unter dem Vorbehalt der Umsetzung. Auch in der Vergangenheit fehlte es nicht an strengen Regeln und Gesetzen, sondern am politischen Willen, geltendes Recht auch zu achten und einzuhalten.
Eine ausgewachsene Staatskrise
Die Asylkrise ist über diese Mißachtung zur ausgewachsenen Staatskrise geworden, die über Verteilungsfragen längst hinausgeht. Wenn Sozialstrukturen umkippen, Kriminalität überhandnimmt, Polizei, Sicherheits- und Rettungskräfte sich permanent jenseits der Überforderungsgrenze abarbeiten, reicht es nicht, einfach nur mehr Steuergeld zu konfiszieren und darüberzuschütten. Alltägliche Massenschlägereien in Unterkünften zwischen aggressiven jungen Männern aus rivalisierenden Kulturen und Ethnien sind Vorboten eines drohenden Zusammenbruchs der öffentlichen Ordnung.
Der berechtigte Unmut darüber setzt auch die Politik in Zugzwang. Der Druck von der Basis läßt führende Unionspolitiker wie den hessischen CDU-Landtagsabgeordneten Hans-Jürgen Irmer nach sofortigem Aufnahmestopp rufen oder die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt weiter die Übertragung des „Flughafenverfahrens“ auf die Landgrenzen fordern.
Unter den herrschenden Macht- und Mehrheitsverhältnissen sind sie einsame Rufer in der Wüste. Das wurstige „Nun sind sie halt da“, mit dem die Kanzlerin ihr Experiment eines ungeregelten massiven Bevölkerungsaustauschs einfach weiterlaufen läßt, setzt die Zukunft und Identität des Landes und der Nation in brutaler Ignoranz aufs Spiel.
JF 41/15