Integration war gestern. Heute geht es um „Teilhabe“. Ursprünglich war dieses Wort dafür gedacht, die Einbeziehung derer zu fordern, die wir leider allzu oft vernachlässigen und an den Rand drängen – körperlich oder geistig Behinderte etwa. Das ist vorbei. Nun nämlich erfährt die „Teilhabe“ eine umfassende Begriffserweiterung und wird dadurch sogar zum Vorboten geplanter sozialistischer Umwälzungen.
Denn es ist das erklärte Ziel maßgeblicher politischer Kräfte, das Wort Integration durch Teilhabe zu ersetzen. Für Kopfschütteln sorgte die neue niedersächsische Integrationsministerin Cornelia Rundt (SPD), als sie das kürzlich öffentlich aussprach. Die Unterscheidung zwischen Einwanderern und Einheimischen, zwischen „Wir“ und „Ihr“, lehne sie ab, sagte sie auf einer „Migrationstagung“. Die „Vielfalt der Bürger Niedersachsens“ solle in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens „wie selbstverständlich mitgedacht werden“. Folglich sollen wir von Einwanderern nicht mehr fordern, sich in eine deutsche Leitkultur einzugliedern, sondern uns statt dessen überlegen, wie wir sie am besten mit Gütern versorgen, an denen sie dann „teilhaben“ können.
Linker Kernbegriff
Rundt gibt dabei nur das wieder, was die SPD in ihrem Wahlprogramm niedergelegt hat. Dort steht auf Seite 58, was wir bei der bevorstehenden Regierungsbeteiligung der SPD erwarten dürfen: „Integrationspolitik neu zu denken heißt letztendlich auch, den Begriff der Integration zu überwinden und durch den selbstverständlichen gesellschaftspolitischen Anspruch auf Teilhabe und Partizipation zu ersetzen. Diesem Prinzip müssen sich alle Ressorts der Bundesregierung verpflichten. Gemeinsam mit den Ländern wollen wir deshalb die Ausländerbehörden zu Willkommensbehörden, zu Anlauf- und Leitstellen für Integration und Einbürgerung weiterentwickeln. Wir brauchen sowohl eine Willkommenskultur als auch eine Teilhabestruktur.“
Damit hat die SPD in ihr Programm ein Ziel aufgenommen, das von ganz links in die politische Mitte gebracht wurde. Das Wort ist nämlich zum Beispiel vor allem in Programmen und Forderungen von Piraten, Linken und Grünen zu finden. Das grüne Wahlprogramm führt das Wort „Teilhabe“ nicht nur in zahlreichen Kapitelüberschriften („Teilhaben an sozialer Sicherung“, „Diskriminierungsfreie Teilhabe ermöglichen“), sondern sogar im Untertitel des Wahlprogramms: „Teilhaben. Einmischen. Zukunft schaffen.“ Es handelt sich also um einen Kernbegriff der Linken, den sie mit Wucht in die Debatte tragen.
Teilhaben am großen Kuchen
Welches Denken steckt hinter dem Wechsel von der Integration zur Teilhabe? Klar ist, welche Vorstellung eben nicht dahintersteht: der Gedanke eines geschlossenen Staatsvolkes mit einer eigenen, erstrebenswerten Kultur, an die sich Neuankömmlinge anpassen müssen. Die Rechnung sieht so aus: Wenn die Worte „Einheimischer“ und „Einwanderer“ vermieden werden, kann man gar nicht mehr darüber sprechen. Einen Abschnitt „Ausländerpolitik“ sucht man folglich im grünen Wahlprogramm vergeblich.
Hinter dem Wort „Teilhabe“ steht vielmehr die Vorstellung eines großen Kuchens, der verteilt und geplündert werden kann. Hierbei gilt es, mächtige Schlüsselpositionen einzunehmen, um Anspruchsrechte an die eigenen Klientel verteilen zu können. Daß dieser Kuchen auch irgendwie gebacken werden muß und seine Zutaten vom Staatsvolk erwirtschaftet werden müssen, spielt in diesem Denken überhaupt keine Rolle. Es geht nur um den Verzehr, nicht ums Backen.
Die CDU verliert den Kampf um die Sprache
Wer hier allerdings einen Einspruch der CDU zur Wahrung der sozialen Marktwirtschaft erwartet, dürfte ungefähr solange warten, bis er schwarz wird. Ist es doch Bundeskanzlerin Angela Merkel selbst, die dem Wandel von der Integration zur Teilhabe das Wort redet. Am 28. Mai dieses Jahres sagte sie auf der Pressekonferenz zum 6. „Integrationsgipfel“ der Bundesregierung, „daß das Wort Integration schrittweise ersetzt werden wird. Heute sind die Worte Inklusion, Partizipation, Teilhabe und Respekt gefallen.“ So kann es durchaus sein, daß sich der „Integrationsgipfel“ zum „Teilhabegipfel“ wandelt.
Die Merkel-CDU sollte sich indes an die Worte von Franz-Josef Strauß erinnern: „Wir dürfen uns nicht im Kampf um die Sprache von den Sozialisten verdrängen lassen. Denn den Rückschlag der 1970er Jahre haben wir nicht zuletzt der Tatsache zu verdanken, daß die anderen sich der Sprache bemächtigt haben, die Sprache als Waffe benutzt haben, daß sie Begriffe herausgestellt, mit anderem Inhalt gefüllt und dann als Wurfgeschosse gegen uns – nicht ohne Erfolg – verwendet haben. Und darum ist für mich der Kampf um die Sprache eine der wesentlichsten Voraussetzungen für die geistige Selbstbehauptung.“ Wann endlich fällt bei der Union der Groschen?