Zum Empfang des Altbundeskanzlers Kohl durch die CDU-Bundestagsfraktion anläßlich seines Regierungsantritts vor dreißig Jahren äußerte sich auch Exbundespräsident Christian Wulff: Es sei eine würdige und im Grunde selbstverständliche Geste, den Kanzler der Einheit und großen Europäer zu ehren; Deutschland sei ein warmherziges Land, in dem kleinliche Kritik an herausragenden politischen Persönlichkeiten, die sich um gemeinsame Werte wie die Einigung Europas oder dessen kulturelle Vielfalt verdient gemacht hätten, durch eine Kultur der Vergebung und Dankbarkeit überwunden werden müsse.
Wulff sagte angesichts des Umgangs der CDU und namentlich der späteren Bundeskanzlerin Merkel mit dem Altkanzler während der Spendenaffäre, daß Versöhnung immer möglich sei und nicht in jedem Fall viele Jahre dauern dürfe. Ausdrücklich dementierte Wulff das Gerücht, er habe sich durch den Vorsitzenden des Zentralrats der Salafisten in Deutschland erfolglos als Festredner für Kohl vorschlagen lassen; ebensowenig habe er sich, wie in den Medien kolportiert, um den Helmut Kohl aberkannten und daher noch immer vakanten Ehrenvorsitz der CDU beworben oder gar für dieses Engagement einen Ehrensold verlangt. Eine solche Aufstockung seines kümmerlichen Ehrensolds als Altbundespräsident hätte er zwar bitter nötig, er wolle aber keine Forderungen stellen, sondern in Demut um die freiwillige Dankbarkeit der Menschen beten.
Wulff meditiert in türkischem Sufi-Kloster
Wulff, der sich zu innerer Einkehr und Besinnung in ein türkisches Sufi-Kloster zurückgezogen hat, befindet sich nach der verunglückten Publikation seiner Memoiren in großen finanziellen Schwierigkeiten: Sein Ghostwriter, der auch für den ehemaligen Verteidigungsminister zu Guttenberg sowie für den Entertainer Hape Kerkeling tätig war, hat den Titel von Kerkelings Buch „Ich bin dann mal weg“ für die Wulff-Biographie noch einmal verwendet, worauf der TV-Star gegen den Exbundespräsidenten hohe Schadensersatzforderungen erhob.
Mehr beruflichen Erfolg als Christian Wulff hat seine Noch-Ehefrau Bettina: Die ehemalige First Lady hält sich derzeit zu Dreharbeiten für eine neue Staffel der RTL-Reality-Show „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus“ in einem sibirischen „Tundracamp“ auf.
Die nächsten Folgen des bislang in einem australischen „Dschungelcamp“ produzierten Formats werden in Sibirien gedreht, nachdem sich die EU-Kommission und die Regierungen mehrerer europäischer Länder mit der russischen Regierung auf einen Kompromiß bezüglich der Punk-Band Pussy Riot geeinigt haben. Drei Mitglieder des anarcho-feministischen Musikprojekts hatten im Februar in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale ein „Punk-Gebet“ gesungen, in dem sie die Kirche als „Scheiße Gottes“ bezeichneten. Während die Performance in der westlichen Welt auf große Begeisterung stieß und die russischen Künstlerinnen als Kandidatinnen für den Sacharow-Menschenrechtspreis des Europäischen Parlaments nominiert wurden, hat die orthodox-klerikalfaschistische und neozaristische russische Justiz die Aktivistinnen zu zwei Jahren Lagerhaft verurteilt.
RTL handelte Kompromiß aus
Das Urteil führte in Deutschland, wo solche emanzipatorischen und zivilgesellschaftlichen Aktionen besonders in Moscheen und Synagogen eine große, allseits geachtete Tradition haben und eine Bestrafung undenkbar wäre, zu scharfer Kritik von Politikern, Künstlern und Menschenrechtsbeauftragten.
Der unter Federführung von RTL ausgehandelte Kompromiß, das Straflager als Tundracamp zu betreiben, wird von allen Beteiligten als gute Lösung angesehen: Rußland sowie die orthodoxe Kirche konnten ihr Gesicht wahren, die westliche Menschenrechtspolitik hat einen gewichtigen Erfolg zu verzeichnen, RTL kann Pussy Riot optimal vermarkten und Bettina Wulff nicht nur ihre Bezüge als Exbundespräsidentengattin aufbessern, sondern durch die Arbeit mit den erfolgreichen Künstlerinnen wichtige Erfahrungen für ihre berufliche Zukunft sammeln.
Die frühere First Lady stellte allerdings klar, daß sie sich bei einer weiteren Zusammenarbeit mit Pussy Riot keinesfalls an erotischen Performances in Supermärkten beteiligen werde, da dies nicht ihrem bisherigen Lebenswandel entspräche. Gegen moderne, popkulturelle Gebete in Gotteshäusern sei aber nichts einzuwenden, sofern man respektvoll miteinander umgehe; vermutlich habe es sich bei der drastischen Formulierung, die Pussy Riot gebraucht haben soll, um ein Mißverständnis gehandelt.
Moslems und Juden zeigen Verständnis
Hintergrund ihrer Äußerungen sind die zahlreichen Nachahmungen der Kunstaktion durch Musikgruppen in Deutschland, insbesondere durch Skinheadbands wie Cock Riot, Dick Riot, Dong Riot oder Schmock Riot, die zuletzt die deutschen Moscheen und Synagogen mit einer wahren Flut von Skin-Gebeten überzogen.
Erfreulicherweise zeigten Gläubige wie Religionsvertreter vollstes Verständnis und freuten sich an den gelungenen Darbietungen. Wenigstens in dieser Hinsicht ist die von Christian Wulff angestrebte Kultur der Versöhnung und Toleranz Wirklichkeit geworden.