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Kiezdeutsch und kein Ende

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Kiezdeutsch und kein Ende

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Weißmann, Reich, Republik, Nachkriegsrechte

Stammeldeutsch wird weiter gefördert. Wer gehofft hatte, daß die abwegige Debatte über die vermeintliche neue Sprache „Kiezdeutsch“ schnell beendet sein könnte, sieht sich getäuscht. Kein Wunder, daß die Aufwertung gebrochenen Deutschs zum eigenständigen „Dialekt“ weitergeht. Denn erstens bietet dies Gutmenschen die angenehme Gelegenheit, sich als aufgeklärte Ausländerfreunde aufzuführen. Zweitens verschafft „Kiezdeutsch“ gescheiterten Integrationspolitikern die willkommene Möglichkeit, ihr Versagen schönzureden, das sich eben leider in der Sprache so mancher Einwanderer widerspiegelt.

So ist es einerseits zwar nicht gelungen, einen Teil der Einwanderer ans Hochdeutsche heranzuführen. Doch dafür haben wir nun andererseits angeblich eine neue Sprache. Vielleicht gibt es sogar noch einen dritten Grund für die Sehnsucht nach einer zerstörten Sprache: das unterschwellig vorhandene masochistische Bedürfnis, sich am Niedergang des Deutschen zu ergötzen. Bekanntlich weist unser Volk eine nicht geringe Zahl an Zeitgenossen auf, die stolz darauf sind, ein zwiespältiges, wenn nicht gar von Anwiderung geprägtes Verhältnis zu deutscher Sprache und Kultur zu pflegen.

Politik und Medien fördern „Kiezdeutsch“

„Kiezdeutsch“-Erfinderin Heike Wiese liefert den Stammeldeutsch-Befürwortern und Kulturmasochisten die Stichworte. Sie schwärmt von der „grammatischen Innovationsleistung“ dieses Kauderwelschs. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft und das Bundesforschungsministerium sicherten Wieses Erfindung von „Kiezdeutsch“ finanziell ab. Ohne einen Teich kann kein Frosch quaken.

Wer jedoch als Verfechter des Hochdeutschen der Ansicht ist, „Kiezdeutsch“ sei kein Dialekt, sondern eher eine Diagnose, hat es in der öffentlichen Wahrnehmung ungleich schwerer. Während nämlich beispielsweise das Nachrichtenmagazin Spiegel die Potsdamer Germanistin kostenlos für ihre Thesen werben ließ, lud eine renommierte Hamburger Stiftung einen erklärten „Kiezdeutsch“-Gegner von einer Podiumsdiskussion mit Wiese einfach wieder aus.

Stammeldeutsch als „Zeichen sprachlicher Kompetenz“

„Kiezdeutsch“ hat unterdessen die Ratgeberseiten der Presse erreicht. So stellte die besorgte Mutter Susanne F. aus Schöneberg der Berliner Morgenpost die bange Frage: „Warum spricht meine Tochter kaum noch Hochdeutsch?“ Sie verwende Redewendungen wie „Ich bin Bahnhof“ und „Morgen geh ich Schule“. Die „Expertin“ Dr. Heidemarie Arnhold, Pädagogin und Vorsitzende des „Arbeitskreises neue Erziehung“, gab der Mutter jedoch Entwarnung: „Das gehört zur Identitätsbildung und ist kein Grund zur Besorgnis.“

Der folgende „Rat“ der Pädagogin mutet an wie eine Satire, ist aber keine: „Auch wenn Ihnen persönlich diese ‚Sprache‘ befremdlich vorkommt, verbieten Sie Ihrer Tochter nicht so zu sprechen. Im Gegenteil, versuchen Sie Zugang zu finden und ein wenig ‚Fremdsprachenunterricht‘ zu nehmen. Nehmen sie das Kiezdeutsch ihrer Tochter als Zeichen sprachlicher Kompetenz. Sie beherrscht neben dem Standarddeutsch noch einen zusätzlichen Dialekt, kann zwei unterschiedliche grammatische Systeme anwenden und problemlos zwischen den Sprachen hin und her ‚switchen‘. Freuen Sie sich darüber, für den Spracherwerb von Fremdsprachen kann das nur von Vorteil sein.“ Wer solchen Unsinn verbreitet, hat wohl ein wenig zu viel „geswitcht“ …

Diskriminiert Hochdeutsch die Unterschicht?

Die schöne neue kiezdeutsche Sprachwelt duldet keine Störenfriede. Heike Wiese vermeidet daher krampfhaft den Ausdruck „Hochdeutsch“, das sie abgrundtief zu verachten scheint. Von „Hochsprache“ zu reden, sei ein Irrtum, meint sie. Das „Standarddeutsch“, wie sie es immer nur nennt, sei lediglich eine „Varietät“ von vielen und als „die Sprache der bildungsbürgerlichen Mittelschicht“ entstanden, die andere Schichten „von Anfang an ausgrenzt“ und sozial diskriminiere.

Daß Reformation und Aufklärung ohne die Entwicklung des Hochdeutschen zur Allgemeinsprache nicht möglich gewesen wären, blendet Wiese hingegen genauso aus wie die Tatsache, daß eine allgemeine Standardsprache eine wichtige Voraussetzung für die Demokratie ist, also für die politische Beteiligung aller Schichten. Außerdem fördert derjenige, der Sondersprachen bevorzugt und Hochdeutsch verachtet, die Spaltung der Gesellschaft und letztlich auch der Nation.

Ist ausländerfeindlich, wer Hochdeutsch fordert?

Doch Wiese verbreitet weitgehend unwidersprochen ihre wissenschaftlich fragwürdigen Thesen: etwa daß „Kiezdeutsch“ nur deswegen nicht angesehen sei, weil seine Sprecher aus der Unterschicht stammen oder es angeblich eine „Jugendsprache“ sei. Wer diese reduzierte Sprechweise tadle, wendet sich in dieser Sichtweise also gegen Ausländer und Jugendliche.

So berichtet die Schleswig-Holsteinische Zeitung, daß Wiese „den Kiezdeutsch-Gegnern unterstellt, ihre Ausländerfeindlichkeit mit pseudo-sachlicher Mäkelei an syntaktischen Fehlstellungen bemänteln zu wollen. … Hinter der ‚sozialen Abwertung‘ des Kiezdeutsch-Dialekts verberge sich nichts anderes als der Wunsch, Ausländer auszugrenzen. Die Aggressionen der Kritiker bezögen sich einzig und allein auf die Kiezdeutsch-Sprecher, nicht auf den Dialekt selbst.“ Den Gipfel der Unverschämtheit erklimmt Wiese, wenn sie Stammeldeutsch auf eine Stufe mit Bairisch stellt. „Kiezdeutsch“ sei gar „ein Beispiel für eine besonders gelungene sprachliche Integration“.

Heike Wiese als Gerichtsdolmetscher?

Wie gelungen diese „sprachliche Integration“ ist, läßt sich zum Beispiel in der Ruhrgebietsstadt Bergkamen sehen. Dort scheiterte das Jugend-Schöffengericht daran, eine Auseinandersetzung junger Erwachsener aufzuklären. Leider war der Richter des „Kiezdeutschen“ nicht mächtig. Auf den Vorwurf, einen 21jährigen Arbeitslosen zusammengeschlagen zu haben, antwortete der eine Angeklagte: „Ouh, nichts damit zu tun“. Der andere meinte: „Weiß gar nicht, was der will, weiß du.“ Leider sprach auch das Opfer lediglich „Kiezdeutsch“: „Kopf umgedreht, boahh ei, dann noch ein Gong, weiß du ne.“

Das Gericht konnte am ersten Verhandlungstag lediglich als gesichert festhalten, daß das Opfer einen Nasenbeinbruch erlitten hatte, denn darüber gab es ein ärztliches Gutachten in verständlichem Deutsch. Doch fraglich war, wer ihm wann, warum, wo und wie die Nase gebrochen hatte. Böse Zungen schlugen daher bereits vor, Heike Wiese als Gerichtsdolmetscherin einzusetzen.

„Auch der [!] Kampf gegen das Kiezdeutsch werden die Sprachwächter verlieren“, ist sich der Bonner General-Anzeiger sicher. Trotzdem kämpfen wir weiter für gutes Deutsch.

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