Es sind genau solche Urteile, die einen das Vertrauen in den Rechtsstaat verlieren lassen. September 2011: Zwei junge Kurden pöbeln einen 23jährigen auf einem Berliner U-Bahnhof an. Fragen nach Zigaretten und zetteln eine Schlägerei an.
Der junge Mann italienisch-bulgarischer Herkunft will flüchten. Er rennt aus dem U-Bahnhof. Die beiden Angreifer hinterher. In Panik läuft Giuseppe M. auf die Straße. Dort wird er von einem Auto erfaßt und gegen einen Laternenmast geschleudert. Der 23jährige stirbt noch am Unfallort. Die beiden Täter Ali T. (21) und Baris B. (22) machen sich in einem Taxi davon.
Frage nach der Verhältnismäßigkeit
Beide sind keine Unbekannten, sondern bereits wegen Raub und Körperverletzung aufgefallen. Doch der Vorsitzende Richter, der ihren Fall an diesem Donnerstag verhandelte, meint es dennoch gut mit ihnen. Giuseppe M. sei irgendwie ja auch ein bißchen selbst schuld an seinem Tod: „Es war eine Flucht Hals über Kopf. Wenn er etwas langsamer gelaufen wäre, wäre es nicht passiert“. Zudem seien die beiden Angeklagten geständig gewesen und hätten Reue gezeigt. Ali T. erhält zwei Jahre auf Bewährung, Baris B. vier Monate.
Es ist müßig zu betonen, wie das Urteil wohl ausgefallen wäre, wäre Giuseppe M. nicht von zwei Kurden, sondern von Rechtsextremisten in den Tod gehetzt worden. Und es stellt sich einmal mehr die Frage nach der Verhältnismäßigkeit, wenn in einem Rechtssystem Meinungsdelikte mit Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren geahndet werden, der gewaltsam herbeigeführte Tod eines jungen Mannes dagegen als „Verkettung unglücklicher Umstände“ abgetan wird.