Eine Bekannte mailte mir gestern den Artikel „Richtig küssen, Frau Pauer!“ der FAZ-Bloggerin Julia Seeliger. Dieses feministisch durchwirkte Extrakt der sich als „links, ökologisch und gerechtigkeitsverliebt“ bezeichnenden Berlinerin richtet sich gegen einen Artikel der Autorin Nina Pauer in der Zeit, der sich der aktuellen Problematik der Geschlechterrollen widmet. Nina Pauer hat offenbar aus eigener weiblicher Erfahrung die Schwierigkeiten mit feministisch domestizierten Männern herausgearbeitet:
„Der junge Mann von heute feiert nicht trunken vor Glück mit seiner neuen Liebsten – er steht abseits und fröstelt. Verkopft, gehemmt, unsicher, nervös und ängstlich ist er, melancholisch und ratlos. Er hat seine Rolle verloren. (…) Statt fordernd zu flirten, gibt er sich als einfühlsamer Freund. Schüchtern in einer Baumwollstrickjacke hinter einer Hornbrille versteckt, steht er in dunklen Großstadtbars und hält sich an einem Bier fest. Als Gefährte ist er vielleicht ein bißchen grüblerisch, aber man kann gut mit ihm reden. Er achtet auf sich, ist höflich, lieb, immer gepflegt und gewaschen, benutzt Parfums und Cremes, macht Diäten und hört wunderbar melancholische Mädchenmusik. Nur wenn der entscheidende move gefragt ist, er sich herüberbeugen und die junge Frau endlich küssen sollte, fängt sein Kopfkino an. Vielleicht möchte die junge Frau gar nicht geküßt werden? Vielleicht würde sie sonst selber den ersten Schritt tun? Vielleicht sollte man die Beziehung lieber doch nicht auf die gefährliche Ebene der Erotik ziehen, sondern platonisch belassen?“
Der Feminismus als ein Generationenproblem
Seeliger setzt nun dieser gut zu beobachtenden Alltagsschilderung ihre feministische getrübte Sicht entgegen. Zu einigen ihrer Äußerungen möchte ich ein paar persönliche Zeilen verlieren, trotzdem Frauen mitlesen und ich mich bei einem solchen Thema zwangsläufig in die Brennesseln setze. Der Feminismus ist primär ein Generationenproblem. Frauen meines Alters (und jüngere) lächeln meistens nett, wenn ich derartige Kritik übe und meinen dann bisweilen, ich sei „ja schon a bisserl ein Macho“. Ich selbst widerspreche dann, da ich mich wirklich für einen „Frauenversteher“ halte. So weit können Fremd- und Selbsteinschätzung auseinander liegen. Ältere, noch stärker vom Feminismus geprägte Semester reagieren hingegen oft gereizt. Grund, deshalb leise zu treten, besteht aber nicht, da das auch nicht weiterbringen würde. Nun die knackigsten Zitate aus dem Text, die ich kommentieren möchte:
„Reproduktionsarbeit“
Schon bei dem Begriff sträuben sich mir die Nackenhaare. So das Erlebnis einer Geburt und das Aufziehen eines Kindes zu beschreiben zeugt von einem lieblosen Geist. Solch ein Begriff sei Eltern an einem schwierigen Tag, der mit Streß verbunden war, als Äußerung erlaubt, aber nicht in einem halbwegs überlegten Pressekommentar.
Männer werden stark nach Geld und Ruhm definiert
„müssen sie sich heute auch auf dem Arbeitsmarkt beweisen“
Frauen müssen gar nichts. Sie werden ja nur gerade vom Feminismus beständig dazu animiert, sich auf dem Arbeitsmarkt zu beweisen.
„Die am besten zu Hause bleiben und sich um die Kinder kümmern, während der Mann im Öffentlichen der Jagd nach Geld und Ruhm nachgeht.“
Erstens muß der Mann der Jagd nach Geld und Ruhm nachgehen, weil er sonst nur selten eine vernünftige Frau abbekommt oder diese ihm rasch abhaut. Ich habe schon öfters nörgelnde Mädchen erlebt, die über ihren Freund meinten, „wenn der sich nicht bald einen ordentlichen Job sucht und Kohle macht, hat der mich die längste Zeit gesehen.“ Kann ich auch verstehen. Die Weibchen brauchen im Falle der geplanten Schwangerschaft eben das passende Männchen, das auch reichlich Futter für die Kleinen mit nach Hause bringt. Männer werden also leider stark nach Geld und Ruhm definiert. Zweitens wollen viele Frauen wohl im Innersten zu Hause bleiben. Ich habe schon ein paar mal Ex-Freundinnen beruflich zu motivieren und zu fördern versucht. Der Erfolg war allerdings mäßig. Letztlich sind sie oft Mütter geworden, und zwar von verdienenden Männern.
Frauen beschweren sich fast immer
„Jede hat das Recht, ein Macho-Arschloch zu heiraten. Aber beschweren soll sie sich danach nicht.“
Das Beschweren gehört zur weiblichen Natur. Frauen beschweren sich fast immer. Es mag mit den Hormonschwankungen zu tun haben oder mit dem unbewußten Testen der Reaktionen des Partners. Beschweren heißt aber immerhin, daß man kämpft, daß man zusammen bleibt. Über Nicht-Machos beschweren sich Frauen meist nicht. Die werden oft nach wenigen Wochen beschwerdelos verlassen.
„Mir ist es mal passiert, daß mich einer einfach versuchte zu küssen. Daraufhin habe ich ’Nein‘ gesagt, mich schlafen gelegt und die Person danach nie wieder getroffen.“
Julia Seeliger hat wirklich ein schweres Schicksal erlitten. Ich habe auch schon Frauen zu küssen versucht, die das abgewiesen haben. Hätte ich geahnt, was ich da anrichte. War für mich aber auch nicht immer einfach, faktisch eine Demütigung und Enttäuschung. Seitdem wurde ich vielleicht zu jenem „lange Nachdenker“ und Zauderer, den sich die Autorin wünscht. Mit dem Ergebnis, daß Frauen sich immer mal wieder beschwerten: „Du küßt mich endlich? Es dauert ja ewig, bis Du in die Gänge kommst. Ich habe schon nicht mehr dran geglaubt.“ Die späte Erkenntnis: Ein Mann, der Erfolg haben will, sollte nicht auf Feministinnen hören, sondern einfach losküssen.
Frauen-Frustrationen und Psychogequatsche
„Das ganze Gerede ist wichtig. Ich hatte auch mal einen Partner, mit dem ich versuchte, über die Beziehung zu sprechen – und der dann sagte, ich solle ’aufhören mit dem Psychogequatsche‘.“
Darüber habe ich im letzten Jahr einen Aufsatz gelesen, in dem erläutert wurde, daß Männer sehr wohl über Liebesangelegenheiten reden, auch mit Frauen. Aber nicht mit der eigenen Frau. Der Grund: Ein falsches Wort, ein falscher Ton, und es wird ihnen gnadenlos noch Jahre danach um die Ohren gehauen. Also, man schweigt einfach und macht dadurch weniger Fehler.
„Und letztens hatte ich eine Brieffreundschaft mit einem Mann, mit dem ich über Gefühle zu sprechen versuchte. Und er wollte oder konnte seine Frauen-Frustrationen nicht ausdrücken. Das mußte dann am Ende ich für ihn tun.“
War vielleicht die Autorin der Grund seiner Frauen-Frustrationen? Jedenfalls ist sie so anmaßend, so viel über diesen großen Schweiger wissen zu meinen, daß sie einfach mal „für ihn“ sprechen kann.
„Gefühle sind wichtig. Man muß keine Angst vor ihnen haben, sondern muß mit ihnen umgehen können. Das dauert. Frauen und Männer müssen das lernen. Genauso, wie man das Flirten lernen muß. Das ist kompliziert, das verursacht Frustration, wenn es nicht klappt. Aber es gibt Hoffnung, man kann es lernen. ‘Ich Tarzan – Du Jane’ ist keine Lösung.“
Wer will da widersprechen? Doch wer ist mit „Ich Tarzan“ eigentlich gemeint? Der von Nina Pauer beschriebene, verschüchterte deutsche Workoholic, der zwischen Laptop und iPhone hangelt? Oder meint Seeliger die jungen Moslems, die das angesprochene Rollenmuster oft wirklich so praktizieren? Dann hieße es aber „Ich Erkan – Du Chantalle“, und das funktioniert ausgesprochen oft, wie man auf den Straßen vieler deutscher Großstädte sehen kann.