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Neues westliches Sendungsbewußtsein

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Wallasch, Medien, Gesicht

Lautstark Bürger- und Menschenrechte fordern, Hilfe bei der Einführung einer echten Demokratie zusichern, erschüttert sein über die Gewaltexzesse von Regimes, Konten von Autokraten und Diktatoren einfrieren. Der Westen bestaunt und bejubelt eine vermeintliche arabische Wende, nachdem er über Jahrzehnte die präsidialen Herrschaften durch Milliardentransfers und Waffenexporte gestützt hatte. Die harten Regenten galten ihm da noch als Garanten für Stabilität in der Region, die den Islamismus kurz hielten und Flüchtlingsströme nach Europa verhinderten.

Ganz augenfällig zeigt die Reflexion der arabischen Ereignisse die Doppelmoral der westlichen Demokratien, allen voran der USA. Die südamerikanischen Junta-Generäle der 70er und 80er Jahre sind bereits abgewrackt worden. Der Westen, der in ihnen zwar üble Burschen mit Sonnenbrillen, aber doch Bollwerke gegen den Kommunismus sah, hat sie kalt fallen lassen, nachdem sie für den CIA die Drecksarbeit erledigt hatten.

Könnte – was nicht zu erwarten ist – eine russische Protestbewegung Medwedjew und dessen Schöpfer Putin aus dem Kreml verjagen, dann würde der Westen wahrscheinlich ebenso jubilieren, als erstes deren Konten sperren, die abgehalfterten Führer zu Unpersonen erklären und schließlich Chodorkowski erst zur Freilassung und dann zu dessen Präsidentenwahl gratulieren. Solange dergleichen aber nicht geschieht, verhält man sich nicht nur diplomatisch, sondern herzlich, also wie gegenüber „lupenreine Demokraten“.

Westliche Regierungen unterscheiden sich nicht von Pauschaltouristen

Den außenpolitischen Stil der westlichen Regierungen unterscheidet wenig vom ignoranten Pragmatismus der Millionen Pauschaltouristen in Tunesien, die sich am Strand aalen und überhaupt nicht wissen wollen, daß hinter ihnen der „Ceausescu der Sanddünen“ regiert, dessen Frau das eigene Land beklaut.

In der arabischen Welt liegen die Dinge aber anders als in Lateinamerika oder in Rußland. Zunächst einmal: Von der anachronistischen Autokratie, der Wahhabitendiktatur in Saudi-Arabien, dieser beispiellosen Kleptokratie hunderter „Prinzen“, gedeckt von einer Staatsreligion, ist noch nirgendwo klar die Rede, denn der Wüstensstaat auf Öl ist ja wie kaum ein anderer „Verbündeter des Westens“, gleichwohl aber die allerschlimmste Diktatur in der Region. Zwar wurde 1963 die Sklaverei abgeschafft, aber es gibt dort weder Parteien noch Gewaltenteilung, ganz zu schweigen von der Behandlung der Frauen. Dafür aber gibt es die Scharia. Und doch ist der Westen bereit, den Edelkarossen der Saudis die Felgen zu küssen, wenn sie zu Handelsabkommen vorfahren.

Und was die illusionäre Hoffnung auf vermeintliche Volksbewegungen betrifft, so dürfte der Westen wohl wissen, daß er aus seinen politromantischen Träumen keine Luftschlösser bauen sollte. Die stärkste Volksbewegung ist in Ägypten wie überall der Islamismus – und leider kann ihn keine andere Strömung, meist von wenigen couragierten Intellektuellen getragen – kompensieren. In fast allen Ländern bestehen Stammes- und Clanstrukturen, Parteien nach westlicher Vorstellung existieren überhaupt nicht.

Aufgeklärte Illusionen

Es gab übrigens schon mal eine eindrucksvolle Volksbewegung in der islamischen Welt, die Ajatollah-Revolution von 1978/79 im Iran. Auch dort wurde ein Selbstherrscher verjagt. Man sollte das hinsichtlich Ursachen, Verlauf und Ergebnis jetzt wieder vor Augen haben.

Oder man sehe sich den Irak daraufhin an, welche Ergebnisse der amerikanische Demokratie-Export dort bislang zeitigte.

Offenbar meint der Westen, die postkoloniale arabische Welt hole jetzt plötzlich den Zyklus bürgerlicher Revolution nach, den der Westen vom 17. bis 19. Jahrhundert durchlief. Das wird sich als aufklärerische Illusion erweisen.

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