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Moderner Konservatismus

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Cato, Weidel, Exklusiv

Demokratie wird in ihrem Grundbestand an Rechten oft aufklärungsfern mißverstanden als ein Feld des Auseinandersetzens ums bloße Meinen. Abgesehen von ein paar sehr grundsätzlichen Einschränkungen sind im Sinne des hohen Gutes der Meinungsfreiheit vielfältige Standpunkte statthaft.

Während hier und da bereits problematisiert wurde, inwiefern das Bildungsdesaster, beginnend beim Unvermögen zu lesen und zu schreiben bis hin zur defizitären Allgemeinbildung, sich schädlich auf den Diskurs der Bürgergesellschaft auswirkt, wird neuerdings tiefer lotend erkannt, daß Demokratiedefizite viel eher noch epistemologische Defizite sind. Die Epistemologie ist im heutigen Sprachgebrauch die Wissenschaft vom Wissen, im klassischen die Lehre vom wirklichen Wissen, das der Doxa, dem bloßen Meinen, dem Vorurteil, der einfachen Behauptung und dem Glauben, gegenübersteht. 

Die Demokratie bedarf, um kollektiv klar disputieren und urteilen zu können, des Wissen als Episteme, also eines Wissens, das durch Tatsachen und gründliche, nachvollziehbare Argumentationen als weitgehend gesichert gelten kann, das aber vor allem selbst immer davon auszugehen bereit ist, daß es widerlegt, also im Popperschen Sinne falsifiziert werden könnte. Es wird insofern zwar (glücklicherweise!) keine vollkommenen Wahrheiten geben können, wohl aber gute und schlechte Argumente. 

Offenbarungswissen politisch mobilisieren

Jüngst hat der amerikanische Politikwissenschaftler Benjamin Barber das Problem in der Süddeutschen Zeitung so umrissen: „Wenn wir nur noch fühlen und meinen, weil wir überzeugt sind, dass es keine Möglichkeit gibt, unsere Meinungen zu bestreiten oder anzuzweifeln, dann wird ‘eine Meinung zu haben’ dasselbe wie ‘recht zu haben’. Recht zu haben sticht dann Glaubwürdigkeit und Beweisbarkeit, und wir verlieren unsere demokratische Kernfähigkeit, nämlich einzuräumen, daß wir unrecht haben könnten, und daß unsere Ansichten nach irgendwelchen anderen Kriterien beurteilt werden müssen, als nur danach, wie sehr wir von ihnen überzeugt sind.“ 

Ich persönlich habe so erhebliche Vorbehalte gegen den Islam beziehungsweise gegen den Islamismus, weil er genau dieses Verfahren total ausschließt und dennoch Politik betreiben will. Ohne falsifizierbare Argumente und ausschließlich durch Glauben, der sich auf den Mohammed geoffenbarten Koran stützt. Aber ich stehe ebenso skeptisch jedem religiösen Bedürfnis gegenüber, sogenanntes Offenbarungswissen, das gerade nicht falsifizierbar ist, politisch zu mobilisieren.

Das versuchen beispielsweise die Kreationisten, das versuchen aber auch die evangelikal Erweckten, die unter anderem in der amerikanischen Tea-Party-Bewegung eine politische Heimat finden, und das ist überhaupt eine Tendenz im konservativen Teil des Spektrums der Politik, dem ich mich – als einer der wenigen in Kenntnis von Religion gerade nicht religiös Inspirierten – zurechne. 

Gott, Vaterland und Familie

Wie an dieser Stelle schon mehrfach angeregt, stimmt es mich nachdenklich, daß ein atheistischer Konservatismus, der in nüchterner, nicht auf religiöse Botschaften und religiöses Selbsterleben rekurrierende Weise auf die Aufklärung setzt und damit gegenwärtig viel bewirken könnte, es ebenso schwer hat wie ein rechtes Denken, das sich durchaus an der analytischen Philosophie Russells, Wittgensteins und Poppers orientiert und ermuntert.

Mit Gott, Vaterland und Familie hat man in unseren Kreisen sehr leicht ein Heimspiel, ebenso mit dem Mythos, dem Symbol und dem Ritus. Mit Atheismus, Wissenschaftstheorie und Sprachphilosophie erscheint man, trotz allem Respekt vor Religionen, am gleichen politischen Ort zuweilen als recht suspekt. Meine Hoffnung besteht weiterhin darin, daß sich der Konservatismus eines modernen Denkens zu befleißigen verstehen wird, um eine geistige Wende der Gesellschaft entscheidend mit vorzubereiten oder gar maßgeblich vorzunehmen.

Man ist heute nicht allein unterm Kruzifix konservativ, man ist es auf andere Weise ebenso, wenn man die gegenwärtige Demokratie kritisch – beispielsweise sprachkritisch – an ihren eigenen geistesgeschichtlichen Grundlagen und an Tatsachen mißt und sich solcherart moderner philosophischer Methoden bedient, die nicht der intellektuellen Linken vorbehalten sein sollten.

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