STRASSBURG. Ein katholischer Organist, dem nach der Trennung von seiner Frau die Festanstellung in der St.-Lambertus-Gemeinde in Essen gekündigt worden war, hat vor dem Europäischen Menschengerichtshof auf Wiedereinstellung geklagt. Beobachter sprechen dem Präzedenzfall eine weitreichende Bedeutung für die künftige Autonomie der Kirchen zu.
Das Pfarramt sah die Lebensführung des Organisten Berhard Schüth als unvereinbar mit den Werten der katholischen Kirche. „Also grundsätzlich gilt es, den besonderen kirchlichen Charakter zu bejahen“, machte der Pressereferent Ulrich Lota gegenüber der Tagesschau deutlich. „Für die katholische Kirche ist das Sakrament der Ehe unauflöslich und deswegen ist das nicht möglich.“
Kinder von der Ehefrau und der Geliebten
Entsprechend hatte sich Schüth in seinem Arbeitsvertrag dazu verpflichtet, die moralischen Werte der katholischen Kirche zu respektieren. „Wenn man nun frisch verheiratet ist, dann geht man davon aus, daß die Ehe gelingt.“ In den 90er Jahren verließ jedoch Schüth seine Ehefrau mit den gemeinsamen Töchtern und zeugte mit einer Geliebten ein weiteres Kind.
Als dies bekannt wurde und dem Organisten daraufhin gekündigt wurde, klagte Schüth gegen die Entlassung. Aus seiner Sicht gehört dies zu seinem „Recht auf Privatleben“, über welches der Arbeitgeber nicht bestimmen darf „Ich kämpfe dafür, daß ich die mir angeborene Möglichkeit, ein sexuelles Wesen zu sein, auch wirklich leben darf – auch wenn die Ehe gescheitert ist.“
Dafür klagte sich Schüth, der inzwischen als Organist bei einer evangelischen Gemeinde arbeitet, durch alle deutschen Instanzen, scheitere aber auch vor dem Bundesverfassungsgericht. Dieses sah in der besonderen Autonomie der Kirchen ein höheres Rechtsgut. Nun soll der Europäische Menschengerichtshof entscheiden, ob für die Kirchen der Lebenswandel ihrer Mitarbeiter ein Kündigungsgrund sein darf. (FA)