WIEN. In Österreich stehen demnächst mehrere Urnengänge an. Neben den Kommunalwahlen in Tirol, Vorarlberg, Niederösterreich und Steiermark (im März) sowie den Landtagswahlen im Burgenland (Mai), Steiermark (September) und Wien (Oktober) sorgt vor allem die Wahl des Bundespräsidenten für viel Diskussionsstoff.
Denn das österreichische Staatsoberhaupt wird am 25. April nicht von einer Bundesversammlung, sondern direkt vom Volk gewählt. Daraus ergibt sich auch die vergleichsweise starke staatsrechtliche Stellung des Amtes. Die Beauftragung mit der Regierungsbildung und Ministerernennung zählen dabei zu den sensibelsten Bereichen.
Seit bald sechs Jahren amtiert das SPÖ-Urgestein Heinz Fischer in der kaiserlichen Wiener Hofburg. Der 71jährige promovierte Jurist und Politologe hat sich vom Parteisekretär und Nationalrat zunächst bis zum Nationalratspräsidenten hochgedient. Bei der Bundespräsidentenwahl 2004 errang er gegen die ÖVP-Kandidatin und Außenministerin Benita Ferrero-Waldner einen klaren Sieg. Mit Amtsantritt stellte Fischer seine Parteimitgliedschaft zwar „ruhend“, in seinem Amtsverständnis zeigte er sich aber stets als großkoalitionärer Wegbereiter mit sozialistischer Grundierung.
Die ÖVP nominerte keinen eigenen Kandidaten
Nun stellt er sich als „überparteilicher“ Amtsinhaber zur Wiederwahl. Aus unerklärlichen Gründen nominierte die ÖVP keinen eigenen Kandidaten. Der aussichtsreichste ÖVP-Politiker Erwin Pröll, seit 1992 Landeshauptmann von Niederösterreich, verweigerte sich. Nicht einmal sein Neffe, ÖVP-Chef und Vizekanzler Josef Pröll, vermochte den 63jährigen Medienliebling umzustimmen. Lapidar hieß es aus der Wiener ÖVP-Zentrale, es „zeige die Geschichte“, daß ein Kandidat, der sich der Wiederwahl stelle, diese immer klar für sich entschieden habe.
Nachdem auch die Grünen und die von Jörg Haider gegründete FPÖ-Abspaltung Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) auf einen eigenen Kandidaten verzichtet hatten, oblag es der FPÖ mit der niederösterreichischen Landesrätin und langjährigen Nationalrätin Barbara Rosenkranz, die einzige ernstzunehmende Gegenkandidatin aufzustellen. Der FPÖ schien damit zunächst ein meisterhafter taktischer Schachzug gelungen zu sein und die Chance eröffnet, im bürgerlichen Wählersegment zu fischen.
Die 51jährige Mutter von zehn Kindern gilt als wertkonservative Politikerin mit Rückgrat. Zudem eröffnete der Herausgeber der Kronen Zeitung, Hans Dichand, persönlich ihren Wahlkampfauftakt mit einem unmißverständlichen Unterstützungsaufruf: „Wählen wir sie, sie wird eine gute Bundespräsidentin für Österreich sein“. Die Kronen Zeitung ist die einflußreichste und auflagenstärkste Tageszeitung Österreichs. >>
Aber bereits in ihrem ersten ORF-Fernsehinterview geriet Rosenkranz mit mißverständlichen Äußerungen über die Meinungsfreiheit und das sogenannte NS-Verbotsgesetz ins Kreuzfeuer der Kritik. Die ÖVP sprach Rosenkranz daraufhin ab, eine „bürgerliche“ Kandidatin zu sein. Die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) teilte mit, Rosenkranz‘ Antreten könne nicht als „Betriebsunfall“ hingenommen werden, dies sei eine „Verhöhnung 65.000 in der Schoah ermordeter österreichischer Juden“. Der Wiener Erzbischof Kardinal Schönborn erklärte sie schlicht für nicht wählbar.
In der Kronen Zeitung wurde dagegen von ihr eine eidesstattliche Erklärung zur Ablehnung des Nationalsozialismus eingefordert, die dann am Montag alle Mißverständnisse ausräumen sollte: Sie habe „das Verbotsgesetz als Symbol für die Abgrenzung vom Nationalsozialismus niemals in Frage gestellt“ und werde dies auch in Zukunft nicht tun, heißt es darin.
„Für mich sind Demokratie, Freiheit und Menschenwürde die Fundamente meines Welt- und Menschenbildes und meiner politischen Arbeit. Ich verurteile daher aus Überzeugung die Verbrechen des Nationalsozialismus und distanziere mich entschieden von der Ideologie des Nationalsozialismus“, so Rosenkranz weiter. Doch diese Erklärung ändere nichts, verkündeten SPÖ, Grüne und BZÖ.
Die anderen fünf Bewerber haben praktischere Probleme. Für sie ist es mühsamer, bis 26. März die notwendigen 6.000 Unterstützungsunterschriften beizubringen. Rudolf Gehring, Chef der wertkonservativen Christlichen Partei Österreichs (CPÖ), könnte helfen, daß sowohl Fischer als auch Rosenkranz aus der katholischen Kirche ausgetreten sind. Ulrich Habsburg-Lothringens Kandidatur steht dazu ein aus der Ersten Republik stammendes Verbotsgesetz entgegen, daß Angehörige ehemals regierender Häuser vom passiven Wahlrecht zum Bundespräsidenten ausschließt.
> Interview mit Barbara Rosenkranz
JF 11/10