„Die bewußte und intelligente Beeinflussung der organisierten Gewohnheiten und Meinungen und Massen stellt ein wichtiges Element in einer demokratischen Gesellschaft dar. Diejenigen, die diesen unbemerkten Mechanismus einer Gesellschaft manipulieren, konstituieren eine unsichtbare Regierung, die die wahre Macht in unserem Lande ausübt.“ Diese Sätze, die in ihrer Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lassen, stammen von Edward Bernays, dem „Vater der Public Relations“, der ziemlich genau vor 15 Jahren am 9. März 1995 im Alter von 103 Jahren verstarb. Geboren wurde Bernays als Sohn jüdischer Eltern in Wien. Bald nach seiner Geburt wanderte die Familie in die Vereinigten Staaten aus.
Bernays‘ Onkel war der Psychoanalytiker Sigmund Freud, dessen Methoden in seinem weiteren Leben eine große Rolle spielen sollten. Ähnlich bedeutsam für seinen Werdegang sollte Walter Lippmann werden, der Berater von US-Präsident Wilson und berühmteste politische Kolumnist seiner Zeit. Beide, Lippmann und Bernays, saßen im Ersten Weltkrieg im amerikanischen Committee on Public Information. Hier spielte Bernays zusammen mit dem Journalisten George Creel eine maßgebliche Rolle bei der Dämonisierung des deutschen Kriegsgegners. Die Mechanismen der Massenbeeinflussung, die hier Anwendung fanden, können unter anderem in dem als Hauptwerk Bernays‘ gehandelten Buch „Propaganda“ (1928) nachgelesen werden.
Die „Konstruktion der Zustimmung“
1923 hielt Bernays, der bereits ab 1919 als PR-Berater firmierte und die Techniken der Kriegspropaganda für die Werbebranche „fruchtbar“ machte, die ersten Vorlesungen überhaupt zum Thema Public Relation an der Universität von New York. Dabei gelang es ihm auch, die Auffassungen Sigmunds Freuds in Amerika bekanntzumachen. Auf ihn vor allem geht die Einbindung psychologischer und sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse in PR-Kampagnen zurück. Hierzu bemerkte er: „Wenn wir den Mechanismus und die Motive des Gruppendenkens verstehen, ist es dann nicht möglich, die Massen gemäß unseres Willens und ohne deren Wissen zu kontrollieren und zu reglementieren?“ Das Instrument, das er zur Durchsetzung dieses Ziels, also der „Meinungsformung“, vorschlägt, spricht für sich. Es lautet: „engineering of consent“, zu deutsch: Konstruktion der Zustimmung oder, vielleicht verständlicher: die Technik, einen Konsens herbeizuführen.
Nutzung „prominenter Dritter“
In seinem gleichnamigen Essay „The Engineering of Consent“ (1955) betont Bernays, daß dessen zentrale Idee darin bestehe, die Öffentlichkeit oder die Menschen nicht merken zu lassen, wie sie manipuliert werden. Um einen derartigen Konsens herbeiführen zu können, empfahl Bernays auch die indirekte Nutzung „prominenter Dritter“: „Wenn man die Führer beeinflussen kann, entweder mit oder ohne deren bewußte Zusammenarbeit, beeinflußt man automatisch deren Gruppe.“
Die Thesen Bernays‘ blieben nicht ohne Kritik; Zeitgenossen bezeichneten ihn zum Beispiel als „berufsmäßigen Vergifter öffentlicher Meinung“. Bernays hingegen sah sich als Sozialwissenschaftler, der die neuesten wissenschaftlichen Methoden auf die „Meinungsformung“ anwendet, um „Chaos“ und „Konflikte in einer Gesellschaft“ zu überwinden. Die „Manipulation der Massen“ betrachtete er als natürliches und notwendiges Merkmal einer demokratischen Gesellschaft.
Öffentliche Meinung ist eine Fiktion
Der Wert der Arbeiten von Bernays für uns heute liegt darin, daß hier in wünschenswerter Deutlichkeit ausgesprochen wird, wie „öffentliche Meinung“ oder ein „herrschender Konsens“ bewußt „konstruiert“ werden. „Öffentliche Meinung“ als „die öffentliche Meinung“ stellt, so schreibt der 1975 viel zu früh verstorbene Hanno Kesting – eine Zeitlang Assistent von Arnold Gehlen – in seiner Habilitationsschrift „Öffentlichkeit und Propaganda“ (1966), eine „Fiktion“ dar; sie ist – offenbar identisch mit „veröffentlichter Meinung“ – ein Mittel, Menschen in ihrem Verhalten zu beeinflussen und auf bestimmte Ziele hin auszurichten. Sie ziele darauf ab, daß Handeln politischer Eliten so darzustellen, „als liege es im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung“. Dies alles spitzt Kesting in der Formulierung zu: „Öffentliche Meinung als veröffentlichte Meinung ist mithin von Anfang an und von vornherein Propaganda.“ Ein Satz, der bis heute nicht widerlegt worden ist. Dies gilt ungeachtet der auf Bernays zurückgehenden begrifflichen Weichzeichnung, die aus dem Begriff Propaganda die heutige „Öffentlichkeitsarbeit“ machte.