Alles außer Hochdeutsch. Diesen Wahlspruch nehmen die Ministerien im Südwesten Deutschlands überaus genau. Die Papiere der Behörden strotzen nur so vor entbehrlichen Fremdwörtern, die aus der englischen Sprache entlehnt sind. Nun ist dem Chef der Staatskanzlei der Kragen geplatzt. Hubert Wicker verfaßte kürzlich ein deftiges Rundschreiben an die Amtschefs der Ministerien. Darin beklagt er sich bitter: „Beim Studium der Unterlagen aus allen Häusern fallen mir mit einiger Regelmäßigkeit Anglizismen auf, die nicht unsere Weltläufigkeit unterstreichen, sondern eher – mit Verlaub – albern wirken.“
Dabei hatten sich die Beamten doch nur an die Leitlinie gehalten, die Ministerpräsident Oettinger vor vier Jahren vorgegeben hatte: Englisch fürs Arbeitsleben, Deutsch fürs Privatleben. Schließlich beginnt der Austausch einer Sprache mit dem Austausch ihrer Wörter. Wir erinnern uns an Oettingers legendäres Gespräch, das er mit dem Südwest-Rundfunk im Herbst 2005 führte. Einen Sturm der Entrüstung hatte er mit den Worten ausgelöst: „Deutsch bleibt die Sprache der Familie, der Freizeit, die Sprache, in der man Privates liest, aber – Englisch wird die Arbeitssprache.“
Muttersprache statt anglizistische Floskeln
Von Wicker hört man nun gänzlich andere Töne: „Es wäre mir ausgesprochen recht, wenn Sie ein wenig darauf achten würden, daß sich Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer dann statt modischer anglizistischer Floskeln unserer guten alten deutschen Muttersprache bedienen, wenn sich mit ihr ein Sachverhalt verständlich auf den Begriff bringen läßt.“ Die „gute alte deutsche Muttersprache“: Taugt sie etwa doch noch als Arbeitssprache?
In Wickers Wörterliste finden wir:
Briefing = Besprechung
Event = Veranstaltung
Get Together = Stehempfang
Hand-out = Informationsbroschüre
Key note speaker = Hauptredner
Kick-Off-Veranstaltung = Auftaktveranstaltung
Outsourcing = Auslagerung
Der Staatskanzleichef hat völlig recht: Warum umständlich, wenn’s auch einfach geht! Dabei betont Wicker, der auch Vorsitzender des Fördervereins Schwäbischer Dialekt e. V. ist: „Um die Verwendung schwäbischer Begriffe zu bitten, liegt mit völlig fern.“ Gut so, denn das ist schon einmal schiefgegangen. So versuchte es das Unternehmen „Schwabenstrom“ einst mit Schwänglisch: Der Kunde staunte über „Hoddlein“, „Sörwis“ und „Fiedbägg“.
Mundartverhunzung
Mittlerweile kamen die Energieverkäufer von dieser Mundartverhunzung wieder ab. Bei Daimler machte im Herbst 2007 nach der Trennung von dem amerikanischen Autobauer Chrysler eine scherzhafte „Verfahrensanweisung an alle Werke“ die Runde, daß unter anderem diese Wörter zu ersetzen seien:
Meeting = zamma hocka
Feedback = saga was bassiert isch
Senior manager = Scheff
Chairman = Scheff
Chief Engineer = Scheff
Manager = Scheffle
Teamleiter = Scheffle
Executive Committee = elle graoße Scheff
Handout = ebbas zom mitgeba
Features = Lombakruscht
After sales = Kondadienscht
brief(en) = eilerna / saga was goht
Wickers Vorstoß stößt beim Volke auf große Gegenliebe. Bei den Stuttgarter Nachrichten meldete sich auch ein nach Texas ausgewanderter Schwabe zu Wort: „Jedesmal, wenn ich die Heimat besuche, fällt mir sofort auf, wie die schöne deutsche Sprache verhunzt wurde mit englischen Wörtern.“ Auf schwäbisch fährt er fort: „Was mor am moischda weh duad isch, das faschd koinor me richdig Schwaebisch koa. Noi, noi, i ben koi aldor Daggl, abor wenne hoim kom en mai Schwabalendle, mechde gern so reda, wia mors mai muador glernd hoad. Stemmds odor hanne rechd. Hhemmlstuagordjenseitsdondorwettoraboreinomal, wachad mal uff!“
Was für ein schönes Ziel für „Deutsch-Südwest“: Hochdeutsch fürs Arbeitsleben, Schwäbisch (oder Badisch) fürs Privatleben. Damit könnten doch alle – leben.