Zu Silvester wird fast überall der Jahreswechsel gefeiert – doch für die Muslime ist der 31. Dezember auch der Beginn des Opferfestes (Id ul-Adha/türkisch: Kurban Bayramı). Wegen des islamischen Mondkalenders liegt das höchste islamische Fest jedes Jahr um zehn bis zwölf Tage früher, einmal wurde schon am 10. Januar gefeiert. Vier Tage lang wird des Propheten Ibrahim (Abraham) gedacht, der bereit war, seinen Sohn Ismail (Isaak) Allah zu opfern. Als dieser jedoch Ibrahims Gottvertrauen erkannte, gebot er ihm Einhalt – sie opferten einen Schafbock.
Die Opfertiere sind auch heute meistens männliche Schafe, ersatzweise auch Ziegen, Kühe oder Kamele. Sie werden noch immer mit dem damals üblichen Kehlschnitt geschlachtet – diesmal schätzungsweise 100.000 Tiere in 62 Ländern. Der Schächtschnitt durch die Hals-Weichteile bis auf die Wirbelsäule ist äußerst schmerzhaft, besonders wenn sich nach dem Schnitt die Wundränder berühren und wenn stumpfe oder schartige Messer verwendet werden. Dabei werden nur zwei der insgesamt sechs Halsarterien durchtrennt, die das Gehirn versorgen. Wegen der Durchtrennung von Nerven kommt es zum lähmungsbedingten Zwerchfellhochstau mit Atmungsbehinderung.
Die Tiere erleiden neben den erheblichen Schnittschmerzen noch zusätzliche Todesangst durch Erstickungsanfälle (Aspiration von Blut in Bronchien und Lunge). Das Ausbluten dauert je nach Tierart bis zu zwölf Minuten. Bereits bei der Vorbereitung, beim Fesseln und Niederwerfen erleidet das unbetäubte Tier Todesängste. Deshalb wurde in der Schweiz bereits 1893 das Schächten verboten, und 1895 hatte der Verband Deutscher Tierschutzvereine eine Petition an den Reichstag gerichtet, das Schächten per Gesetz zu verbieten. 1995 untersagte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen mit der Begründung, daß das Schächten ohne Betäubung für gläubige Muslime keine zwingende religiöse Vorschrift, sondern nur ein Ritual sei.
Zwingende religiöse Vorschriften nicht gegeben
In der Tat sind die "zwingenden Vorschriften bestimmter Religionsgemeinschaften" (Paragraph 4a Tierschutzgesetz) nicht gegeben, denn diese bedeuten, daß bei Nichtbefolgung eine Bestrafung bis zum Ausschluß aus der Glaubensgemeinschaft droht. Der Koran verbietet an keiner Stelle die vorangehende Betäubung, fordert vielmehr die Beruhigung des Tieres und verbietet unnötiges Leiden der Opfertiere. Höchste islamische Autoritäten wie die Al-Azhar-Universität Kairo, der iranische Religionsführer Ajatollah Chamenei oder das Amt für religiöse Angelegenheiten der Türkischen Republik haben die kurzzeitige Elektrobetäubung, also ein In-Ohnmacht-Versetzen für die Zeit des Halsschnitts, ausdrücklich als religionskonform zugelassen. Ebensowenig gibt es eine jüdische religiöse Vorschrift, die das Betäuben verbietet.
Das Halsdurchschneiden bei vollem Bewußtsein der Tiere ist offenkundig anachronistisch, es gibt keinerlei Rechtfertigung, den Tieren einen qualvollen Tod zu bereiten. Nachgewiesen ist auch, daß das Ausbluten nach einer Betäubung eher besser erfolgt als ohne – wobei es in beiden Fällen kein vollständiges Ausbluten gibt, was nämlich als Begründung für das traditionelle religiöse Schächten vorgebracht wird. Der am 23. November vom BVerwG getroffene Beschluß, weiter Ausnahmegenehmigungen zum betäubungslosen Schächten zu gewähren, war ein klares Fehlurteil (JF 49/06).
Von den Tierschutzverbänden ergeht daher auch diesmal die Forderung an die deutschen Behörden, keine Ausnahmegenehmigungen zu erteilen und in diesem Zeitraum ganz besonders auf Verstöße gegen die Schlachtvorschriften und Hygienebestimmungen zu achten. Jeder Tierdiebstahl vor dem Fest, jedes ungeklärte Verschwinden von Schafen und Ziegen sollte von der Bevölkerung sofort der Polizei gemeldet werden, ebenso wenn das Schächten im Freien oder in Hinterhöfen beobachtet wird. Denn die erforderliche Überwachung seitens der Veterinär- und Ordnungsämter sowie der Polizei, vor allem im Umfeld von Schäfereien, reicht natürlich nicht aus.
Beim Opferfest sind auch in Deutschland zahlreiche Verstöße gegen die geltenden Schlachtvorschriften die Regel, wenn keine Anträge auf Ausnahmegenehmigung gestellt wurden und vor dem Schächtschnitt nicht betäubt wird. Es gibt illegale Schächtungen in unbekannter Zahl. In den letzten Jahren wurden nur in Bayern und Hessen Ausnahmegenehmigungen erteilt, von denen jeweils mehrere tausend Schafe betroffen waren.
Fehlbetäubungen bei Millionen Tieren
Empörung und Protest gegen diese archaische Tierschinderei und jene unsägliche Rechtsprechung des Leipziger BVerwG sollten allerdings nicht vergessen machen, welche Grausamkeiten auch in den üblichen Schlachthöfen angesichts von mindestens zehn Prozent Fehlbetäubungen bei zirka 550 Millionen Tieren allein in Deutschland pro Jahr üblich sind. Tierquälerisch ist auch die unzulängliche CO2-Betäubung bei Schweinen – wenngleich diese nicht vorsätzlich wie beim Schächten ohne Betäubung durchgeführt wird. Opferfest und Schlachthäuser sind übrigens Grund genug, das Umbringen von Tieren überhaupt zu hinterfragen.