Armut ist relativ. Lädt ein wohlhabender Hausvater gutmütig einen Schwarm armer Schlucker zu sich nach Hause ein, klafft die Wohlstands-„Schere“ zwischen ihm und seinen Gästen plötzlich weit auseinander. Hält er sie großzügig frei, spricht sich das bald genug herum, und die Hungrigen rennen ihm die Türe ein. Will er alle durchfüttern, hat er sein Vermögen bald vertan und verarmt selbst, die armen Teufel sind immer noch nicht reich und verlangen nach mehr, und die Nachbarn heißen den durch seine Freigiebigkeit Ruinierten zu Recht einen alten Narren. Nichts anderes hält Meinhard Miegel der politischen Klasse vor, wenn er die umverteilungsfixierten Armutspalaver in Deutschland als „Nonsensdebatten“ kritisiert, bei denen die Unterschichtseinwanderung in die Sozialsysteme konsequent ausgeblendet wird. Damit zwingt der Sozialwissenschaftler die Politik zum Schwur: Wollen wir den Sozialstaat erhalten, dann müssen wir die Grenzen der Solidargemeinschaft klar ziehen. Oder soll es mit der Einwanderung so weitergehen wie bisher — dann bricht der ausgleichende Wohlfahrtsstaat demnächst zusammen, mit allen Folgen für den inneren Frieden. Die Gesetze guten Wirtschaftens gelten auch für den Umgang mit öffentlichen Geldern. Eine Armutsdebatte, die diesen Zusammenhang leugnet, taugt allenfalls als Armutszeugnis.
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