Am vergangenen Sonntag hat die deutsche Handball-Nationalmannschaft mit einem Sieg über Polen zum dritten Mal den Weltmeistertitel gewonnen. Auf der politischen Bühne jedoch ist es mit Polen derzeit nicht so einfach wie auf dem Sportplatz. In schöner Regelmäßigkeit sucht die chauvinistische Kaczyński-Regierung den Hader mit dem großen Nachbarn im Westen. Mal ist es die geplante Erdölleitung durch die Ostsee, die Warschau für Ressentiments gegen Deutschland in Stellung bringt, mal sind die vertraglich garantierten Minderheitenrechte der heimatverbliebenen Deutschen der Regierung ein Dorn im Auge, und ein ums andere Mal muß eine so selten integre Politikerin wie die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, für die innenpolitische Profilierung des Kaczyński-Lagers herhalten. Eine Einstellung gegenüber Deutschland „wie zu Zeiten der kommunistischen Volksrepublik“, so analysierte im Oktober 2006, auf dem Höhepunkt der Warschauer Koalitionskrise, die liberale Gazeta wyborcza das Verhältnis zu Berlin. Die Bundesrepublik, Polens wichtigster Partner in der EU, werde von der Propaganda des Regierungsapparats wie der antideutscher Medien als ein Staat gezeichnet, vor dessen angeblichem „Drang nach Osten“ man beständig auf der Hut sein müsse. Erst Ende vergangenen Jahres waren es die in Straßburg eingereichten und als provokant empfundenen Klagen der (privaten) Preußischen Treuhand, die am anderen Ufer der Oder wütende Reaktionen auslösten. Außenministerin Anna Fotyga, eine enge Vertraute von Präsident Lech Kaczyński, brachte damals sogar eine Neuverhandlung des deutsch-polnischen Grenzvertrages von 1990 ins Spiel, dementierte dann aber umgehend. Kommentatoren mutmaßten hernach, sie habe ohnehin den Grenzvertrag mit dem „Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit“ vom 17. Juni 1991 verwechselt. Daß sie mit ihren Vermutungen zum einen ganz richtig lagen, zum andern das Vorhaben der Neuverhandlung doch keine Presseente war, zeichnete sich schon im Vorfeld des Warschau-Besuchs von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) ab. Fotyga forderte in der vergangenen Woche „mehr Rechte“ für die in Deutschland lebenden Polen. Sie sprach von einer „Ungleichheit in der Behandlung der polnischen Minderheit im Vergleich zu den Rechten und Möglichkeiten der deutschen Minderheit in Polen“. In einer schriftlichen Erklärung schloß sie nicht aus, den Nachbarschaftsvertrag neu verhandeln zu wollen. „Vieles muß sich hier ändern“ Gegenüber Steinmeier forderte sie vorvergangenen Mittwoch dann, den hier lebenden Polen Minderheitenrechte zu verleihen, darunter auch das Recht auf Sitze im Bundestag. Schützenhilfe bekam sie von Regierungschef Jarosław Kaczyński, der gewöhnlich aus seinem Herzen keine Mördergrube macht. Im Interview mit der nationalistischen Zeitung Dziennik gab er offenen Einblick in die Taktik Warschaus: „In den neunziger Jahren sagte mir der österreichische Außenminister Alois Mock, daß ganz Europa, insbesondere aber die Deutschen, uns gegenüber ein schlechtes Gewissen hätte. Dies sollten wir ausnutzen.“ Sodann folgte eine ganze Kaskade von Vorhaltungen. „Ist es denn Polen, das nicht das Eigentumsrecht auf einem Drittel des deutschen Staatsgebietes akzeptieren will? Will denn Polen die Geschichte umschreiben, um einen Teil der Verantwortung von den Tätern auf die Opfer abzuwälzen?“ Und sei es etwa „die deutsche Minderheit in Polen, die derart strengen Beschränkungen unterworfen ist, daß Eltern mit ihren Kindern nicht in ihrer Muttersprache sprechen dürfen?“ Am Tag nach dem Besuch ihres Amtskollegen legte die polnische Außenministerin im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung noch einmal nach. Fotyga forderte eine bessere Behandlung der in Deutschland lebenden Polen und kritisierte die „Assimilierungspolitik der deutschen Behörden“. Nirgendwo sei die Lage „so schwierig wie in Deutschland“, sagte die Ministerin. Sie forderte mehr polnischen Unterricht an deutschen Schulen und eine bessere Behandlung von Kindern aus deutsch-polnischen Mischehen nach einer Scheidung. Steinmeier hatte während des Treffens Gespräche auf Expertenebene versprochen, um in Sorgerechtsfragen einvernehmliche Lösungen zu finden. Trotzdem bockte das Kaczyński-Sprachrohr Fotyga im FAZ-Interview: Mit der Lage der Polen in Deutschland sei sie „auf keine Weise“ zufrieden: „Vieles muß sich hier ändern.“ Ihrer Meinung nach seien Polen hierzulande stärker als in anderen EU-Ländern von „Assimilation“ bedroht. Der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Jäger, wies die Kritik zurück. Gerade Polen könnten als „herausragende Beispiele gelungener und gelingender Integration“ gelten. Aus dem Innenministerium verlautete, daß sich die Frage der Anerkennung der Polen in Deutschland als nationale Minderheit „derzeit“ nicht stelle. Und nie hat man gehört, daß Warschau für die in Großbritannien, Irland und den Vereinigten Staaten lebende „polnische Diaspora“ einen speziellen Minderheitenstatus gefordert hätte. Den Zank mit Deutschland aber braucht die Kaczyński-Regierung wie die Luft zum Atmen. Foto: Bundespräsident Köhler und der polnische Präsident Kaczynski beim Endspiel der Handball-Weltmeisterschaft in Köln: Zank mit Deutschland so nötig wie die Luft zum Atmen