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Der Fall Sascha Jung / Geschichte eines Skandals

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Der Fall Sascha Jung / Geschichte eines Skandals

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Wallasch, Medien, Gesicht

Angesichts der geschilderten Umstände … erscheint das Bekenntnis des Bewerbers zur Verfassungstreue nicht glaubhaft …“: Dieser Satz in einem Schreiben des bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom Juli 2005 beendet die Karriere des Assessors Sascha Jung, bevor sie richtig beginnen konnte. Jung hatte sich gut ein Jahr zuvor für die Übernahme in den höheren Justizdienst des Freistaates beworben, um Richter zu werden. Die fachlichen Voraussetzungen hatte der Prädikatsjurist erfüllt und außerdem einen Fragebogen samt „Belehrung über die Pflicht zur Verfassungsstreue im öffentlichen Dienst“ beantwortet und unterschrieben. Außer dem Bekenntnis, als Beamter oder Richter jederzeit für den Erhalt der verfassungsmäßigen Ordnung einzutreten, erklärte Jung auf einem Formblatt wahrheitsgemäß auch, von 1994 bis 2002 Mitglied der Aktivitas der Münchner Burschenschaft Danubia gewesen zu sein und dieser Studentenverbindung weiterhin als „Alter Herr“ anzugehören. Hintergrund dieser Angabe ist, daß Bayern seit 2001 die Aktivitas der Danubia – also die studierenden Mitglieder – als rechtsextremistisch einstuft und daher nach einer solchen Mitgliedschaft bei Bewerbern für den Staatsdienst fragt. Eine Nachfrage des Justiz- beim Innenministerium und Verfassungsschutz ergibt, daß die Behörden an der Verfassungstreue Sascha Jungs zweifeln. Als Begründung dient unter anderem, daß Jung „maßgebliche Funktionen“ innegehabt habe und mit der Organisation von Veranstaltungen der Danubia befaßt gewesen sei. Bei solchen Veranstaltungen habe die Verbindung laut Verfassungsschutz „Rechtsextremisten ein Forum für Vorträge geboten“. Nach Ansicht der Staatsregierung sei „zwar nicht nachzuweisen, daß er (Jung) sich selbst an verfassungsfeindlichen Aktivitäten beteiligt hat. Zweifel an seiner Verfassungstreue ergeben sich jedoch daraus, daß er die Einstufung der Aktivitas der Burschenschaft Danubia als verfassungsfeindliche Organisation auch heute noch zurückweist.“ Im Klartext heißt dies: Nicht weil er ein Rechtsextremist ist, wohl aber weil er die Behauptung der Regierung, wonach die Danubia rechtsextrem sei, nicht richtig findet, ist Jungs Verfassungstreue in Zweifel zu ziehen. Dabei hat Jungs Skepsis gute Gründe, denn wirklich stichhaltige Beweise für die Behauptung, die Danuben wollten die verfassungsmäßige Ordnung stürzen, lieferte Becksteins Ministerium nicht. Im bayerischen Verfassungsschutzbericht wird die „Aktivitas der Burschenschaft Danubia“ lediglich in einer Tabelle zusammen mit anderen Vereinigungen als „rechtsextremistische Organisation“ aufgeführt. Im gesamten Text zum Kapitel „Rechtsextremismus“ taucht die Verbindung dagegen überhaupt nicht auf. Es erschließt sich nicht, weshalb die Danuben (noch) erwähnt werden. Die Einstufung als verfassungsfeindlich beziehungsweise rechtsextremistisch erfolgte in erster Linie wegen einiger Referenten, die auf dem Danubenhaus gesprochen hatten. Jung weist – wie zuvor die Burschenschaft schon gegenüber dem Innenministerium – darauf hin, daß die Einladung eines Referenten nicht unbedingt bedeute, daß man sich seinen Ausführungen auch inhaltlich zustimmend anschließe. Im Vordergrund stehe vielmehr die Diskussion; im übrigen sei die Auswahl vermeintlich (oder tatsächlich) rechtsextremer Referenten willkürlich. So habe man seitens des Verfassungsschutzes weder den Journalisten Gerhard Löwenthal, als Jude Opfer des Nationalsozialismus, noch Volkmar Zühlsdorff, ebenfalls entschiedener NS-Gegner, genannt, die neben weiteren „unverdächtigen“ Personen im fraglichen Zeitraum Vorträge auf dem Danubenhaus hielten. Daß zudem der mehrfach angeführte Referent Horst Mahler zum Zeitpunkt seines Vortrags in München noch keineswegs in der rechtsextremen NPD war, unterstrich Jung ebenfalls. Die erstmalige Erwähnung der Danuben im Verfassungsschutzbericht des Jahres 2001 geht vor allem auf den Fall „Zenettistraße“ zurück. Nach einer Schlägerei in dieser Münchner Straße hatte der mutmaßlich rechtsextreme Haupttäter im Haus der Danubia übernachtet; dies wurde ihm durch eine Person ermöglicht, die auch nur Gast der Danuben war. Angehörige und andere Gäste des Hauses wußten nicht, wer der später von der Polizei Gesuchte war. Obwohl die Staatsanwaltschaft festgestellt hatte, daß zwischen der Tat und der Burschenschaft kein Zusammenhang bestand, wurde der Fall in der Presse so dargestellt, als habe die Verbindung dem Täter Unterschlupf geboten. Gegen kein Mitglied der Danubia ist jedoch in einem solchen Sinn Anklage erhoben worden. Fragwürdige Entscheidung der Behörden Vielmehr drängte sich schon damals der Verdacht auf, Bayerns Innenminister Günther Beckstein habe damit den von der rot-grünen Bundesregierung forcierten Kampf „gegen Rechts“ aufgreifen wollen, der sich bereits gegen Teile der Union zu richten begann. Beckstein sollte auch im „Fall“ Jung noch eine unrühmliche Rolle spielen. Denn parallel zur Bewerbung für den Richterdienst hatte Sascha Jung eine zeitlich befristete Assistentenstelle an der Universität Bayreuth angeboten bekommen. Am 20. Januar 2005 soll sich der Rechtswissenschaftler dort zur Vereidigung einfinden. Einen Tag zuvor weist das Justizministerium die Universität jedoch an, Jung nicht einzustellen, weil „möglicherweise noch eine weitere Bewertungsgrundlage“ erforderlich sei, in welcher er „über seine persönliche Einstellung gegenüber der freiheitlichen demokratischen Grundordnung befragt“ werden soll. „Das Stoppen der Einstellung in Bayreuth“ war, so erfuhr Jung, von Beckstein „persönlich abgesegnet worden“. Weil das Verfahren in der Schwebe hängt, verstreicht die Zeit, die Mittel für die Assistentenstelle werden anderweitig eingesetzt, und ein weiterer Karriereplan Jungs zerschlägt sich. In einem gerichtlichen Vergleich erhält er eine finanzielle Entschädigung. Obwohl Jung in mehreren Gesprächen mit Vertretern des Verfassungsschutzes, des Innen- sowie des Justizministeriums sich zu den Vorwürfen geäußert und seine persönliche – positive – Haltung zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung (mit Belegen) bekräftigt hat, wurde sein Übernahmegesuch in den bayerischen Justizdienst abschlägig beschieden. Nach einem vergeblichen Widerspruch erhebt Jung am 25. November 2005 Klage gegen den Ablehnungsbescheid. Diese zieht er im Februar dieses Jahres zurück, da das Kostenrisiko eines sich über mehrere Jahre hinziehenden Instanzenzuges ihm zu hoch erscheint. Wie fragwürdig die Entscheidung der bayerischen Behörden ist, dem Assessor die Übernahme in den Staatsdienst zu verweigern und ihm dadurch den angestrebten, seinen Befähigungen entsprechenden Karriereweg zu verbauen, wird noch deutlicher sichtbar, wenn man auf Jungs Verhalten als „DDR-Bürger“ zurückblickt: Sascha Jung, 1972 in Leipzig geboren, beteiligte sich als Oberschüler in 1989 an jenen berühmt gewordenen Demonstrationen des Neuen Forums, die entscheidend zum Sturz des totalitären und undemokratischen SED-Regimes beigetragen haben. Er hatte damals außerdem vor, den Wehrdienst in der Nationalen Volksarmee zu verweigern, da er nicht für ein kommunistisches Repressionsorgan an der Waffe ausgebildet werden wollte. Im Gegensatz dazu stand seine Entschluß fest, den demokratischen Verfassungsstaat notfalls mit der Waffe zu verteidigen: Nach der deutschen Einheit verpflichtete sich Jung für zwei Jahre bei der Bundeswehr, erhielt dort die positive Beurteilung, sich „den Auftrag der Bundeswehr in vollem Umfang zu eigen gemacht“ zu haben, und wurde zum Reserveoffizier befördert. Man könnte meinen, damit habe sich Jung doch eigentlich ganz offensichtlich zu Werten der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wie unter anderem Volkssouveränität, Ausübung von Opposition und dem Mehrparteienprinzip bekannt – und zwar schon zu einem Zeitpunkt, als dies noch nicht „von oben“ verlangt, sondern vielmehr staatlicherseits ausdrücklich unerwünscht war. Für die bayerische Staatsregierung dagegen ist durch Jungs Mitgliedschaft bei der Studentenverbindung Danubia „nicht in ausreichendem Maß gewährleistet“, daß der von ihr darob Abgelehnte für die Erhaltung der Verfassung eintritt. In der DDR hätte Jung angesichts seines politischen Engagements mit einem Berufsverbot sicher rechnen müssen; daß unter den rechtsstaatlichen Verhältnissen in Bayern die Kritik an einer Entscheidung der Staatsregierung zu einem vergleichbaren Ergebnis führen konnte, wäre Jung im Jahr der demokratischen „Wende“ sicher nicht in den Sinn gekommen. Fotos: Rechtsanwalt und Burschenschafter Sascha Jung: Als Schüler demonstrierte er 1989 in Leipzig gegen das SED-Regime, nun wirft man ihm Verfassungsfeindlichkeit vor; Bayerns Innenminister Günther Beckstein: Gegenspieler

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