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Grenzen des neuen Konservatismus

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Weihnachts-Abo, Weihnachtsbaum, Zeitungen

Der Ausspruch John D. Rockefellers ist legendär, daß er seine Aktien auf einen Schlag verkaufte, als ein Schuhputzer begann, ihm Börsentips zu geben, die auch noch zutrafen. Kurz darauf vernichtete der „Schwarze Freitag“ fast alle Aktienwerte. Heute sind wir kurz davor, daß uns Schuhputzer – wenn sie einem noch begegneten – den Tip geben würden, konservativ zu sein, sei der Megatrend. Die Spatzen pfeifen es in den Medien von den Dächern: Konservativ ist hip, Kult. Links sein war gestern, will man beinahe mit einer der derzeit ähnlich angesagtesten Floskeln frohlocken. Franz Walter, Jahrgang 1956 und habituell 68er-Linker, im Fernsehen fast so oft als „Experte“ zugeschaltet wie Jürgen Falter, schrieb in der Welt jetzt, „in der Gesellschaft“ marschiere „der konservative Trend“. Und: „Alle relevanten Werteforscher sind sich einig, daß die große Zeit des libertären Individualismus, des schrankenlosen anything goes, der heillosen Flucht aus allen Bindungen für die nächsten zwei, drei Jahrzehnte vorbei ist, zumindest durch Korrektive und Gegenströmungen ergänzt wird.“ Großartig. Bei jungen Leuten konstatiert er eine Sehnsucht nach „festen Regeln, Verwurzelungen, Verbindlichkeiten, Kontinuitäten, glaubwürdigen Ritualen und verläßlichen Gemeinschaftszugehörigkeiten“. Unsere Rede. Walter jubelt, das ganze sei „im Grunde ein idealer Humus für einen zeitgemäßen Konservatismus“. Nur: Es fehlten die modernen Integrationsfiguren, die Politiker, die Intellektuellen … Ja, wo laufen sie denn? Das Monatsmagazin Cicero bemüht sich in auffälliger Weise, den schnöde vernachlässigten Konservatismus-Begriff zu umarmen und wohlwollend aufzuladen. In der jüngsten Ausgabe gibt Herausgeber Wolfram Weimar (Ex-Welt-Chefredakteur) sogar eine „Anleitung zum Konservativsein“. Verblüfft stellt er fest: „Seltsam. Plötzlich will man konservativ sein.“ Weimar ahnt: „Die konservativen – nicht die linken – Leitideen werden zusehends zum eigentlichen Gegenspieler des kapitalistischen Global-Monopoly.“ Es ist ein positives Zeichen, daß man dem Konservatismus schmeichelt. Der Begriff ist umworben, ja plötzlich umkämpft. Wer besitzt die Definitionsmacht für ihn? Wer gewinnt Wahlen, indem er die Wohlfühlstimmung des „konservativen“ Zeitgeistes bedient? Nachdem Gerhard Schröder den Wahlkampf 1998 mit einer „Neuen Mitte“ bestritt – wird jetzt der „Neue Konservatismus“ wahlentscheidend? Helmut Quaritsch schrieb einmal treffend: „Im Kampf der Geister ist die Besetzung eines Begriffs so wichtig wie im Kriege die Eroberung einer Festung.“ Im politischen Meinungskampf haben die Konservativen dennoch solange den kürzeren Löffel, solange sie den Anspruch auf eigene geschichtspolitische Antworten nicht durchsetzen wollen und können. Volker Zastrow warf der Merkel-CDU in der FAZ deshalb vor, daß es dann nichts anderes bedeute, als der „Linken gleichsam den Generalschlüssel der historischen Deutungsmacht auszuhändigen und damit den politischen Konservatismus einer kulturellen Hegemonie seiner ideologischen Gegner zu unterwerfen“. So ist das. Wenn es um Politik und Macht geht, hört die Gemütlichkeit auf.

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