Würden nur Mitglieder von Schützenvereinen mitfeiern, dann wäre das 1529 ins Leben gerufene Schützenfest in Hannover nicht zum größten der Welt geworden. Ab dem 29. Juni findet das beliebte Volksfest dieses Jahr zehn Tage lang in der niedersächsischen Landeshauptstadt statt. Beworben wird es auf Großflächenplakaten; das Maskottchen „Ballerkalle“ soll die Hannoveraner und Umlandbewohner auf den Festplatz locken. Einzelhandel und Kaufhäuser machen seit Mitte Juni mit passender Dekoration in den Schaufenstern auf das Fest in ihrer Stadt aufmerksam. Die Organisatoren rühren die Werbetrommel vor allem für die Fahrgeschäfte. Und so werden den rund 2,5 Millionen erwarteten Besuchern „spannende Events, neue Fahrgeschäfte und kulinarische Highlights“ versprochen. Die Schützen selbst scheinen da nur noch Staffage zu sein. Also doch ein Volksfest wie jedes andere? Der Schützenplatz wird zum „gigantischen Vergnügungspark mit garantiertem Spaß für Jung und Alt“ – inklusive Disco- und Gaypeople-Zelt. Fast nicht mehr erwähnenswert scheinen dagegen die traditionellen Schießbuden. Doch egal. Als Besuchermagnet gilt das Fest an sich: die Partymeile. Zwar werden am 1. Juli die Schützen wie jedes Jahr publikumswirksam vom Neuen Rathaus zum Schützenplatz ausmarschieren. Doch eine gezielte Strategie für die Nachwuchswerbung fehlte bisher. Allein die Werbung für die Zelte und Fahrgeschäfte hilft den Schützenvereinen nicht, Jugendliche für den Schützensport zu begeistern. So gerne ein Teil der Jugendlichen am Computer sitzt und bei sogenannten „Ego-“ oder „First-Person-Shooter“-Spielen auf alles schießt, was sich bewegt – der Gang zu einem Schützenverein, wo man den richtigen Umgang mit einer realen Waffe kennenlernt, kommt nur wenigen in den Sinn. In Hannover und Umgebung gibt es die stattliche Anzahl von 83 Vereinen, die sich dem Schützensport verschrieben haben – Tendenz fallend. Denn um den Deutschen Schützenbund als größten Dachverband für Sportschützen und viertstärksten Sportverband in Deutschland ist es nicht zum allerbesten bestellt. Deutscher Schützenbund verliert Mitglieder Konnte er seit seiner Wiedergründung in Frankfurt am Main im Jahr 1951 stetig Schützen dazugewinnen, bis er 1997 mit einem Bestand von über 1.589.000 Mitgliedern seinen Höhepunkt erreichte. So sinken seit nunmehr zehn Jahren die Mitgliederzahlen kontinuierlich; allein zwischen Ende 2005 und Ende 2006 sind 19.714 Abgänge zu verzeichnen. Die Überalterung – fast ein Drittel der Schützen sind Senioren (ab 56 Jahre) – macht dem Verband zu schaffen. Ebenso der sich wandelnde Zeitgeist. Gehörte es früher ganz selbstverständlich dazu, sich in einem Verein am Wohnort zu engagieren, zumindest dabeizusein, wollen sich heute viele nicht mehr auf Dauer verpflichten. Ehrenamtliche Vereinsarbeit ist nicht populär. Besonders um den Nachwuchs macht man sich Sorgen; es sei nicht leicht, Kinder und Jugendliche für den Schießsport zu begeistern, heißt es vielerorts. Immer mehr Schützenfeste stehen auf der Kippe. Doch das soll sich ändern. Nun möchte man einiges tun, um vor allem junge Mitglieder zu werben. Dabei soll ein „Lichtpunktgewehr“ helfen. Weil die Jugendlichen erst ab sechzehn Jahren an das Kleinkalibergewehr dürfen, haben manche Vereine ein Laser-Biathlongewehr. Es fällt nicht unter das Waffengesetz, daher dürfen bereits Kinder ab sechs Jahren damit schießen. Auch im Festzelt der Schützen in Hannover werden Schnupperkurse angeboten. Hier locken zwei Biathlonanlagen und ein virtuelles Wurftaubenschießen. Höhepunkt „für alle Kids bis zum 16. Lebensjahr“ wird dann am 4. Juli ein kostenloses „Jugend-Volkskönigsschießen“ sein. Der 4. Juli ist passenderweise der Familientag. Doch Familientag hin, Lütje-Lage-Trinken her – den Organisatoren liegt in diesem Jahr die Familie am Herzen: Die gesamte Veranstaltung sei familienfreundlicher gestaltet, heißt es. Der Schützenplatz wurde neu strukturiert, so daß es neben einem Wickeltisch jetzt auch Bereiche für Familien geben wird, in denen keine Partyzelte aufgebaut sind. Man kann nur hoffen, daß die Nachwuchsarbeit der Schützen greift und die traditionellen Schützenfeste in Deutschland nicht irgendwann nur noch mit allerlei Budenzauber, aber ohne Schützen stattfinden müssen. Foto: Hannoverscher Schützenumzug: Die Jugend mit Lichtpunktgewehren für den Schießsport gewinnen