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Weltgeschichte nach Masterplan

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Der „Motor“ des ungarischen Systemwechsels, Imre Pozsgay, bescheinigt dem Autor im Vorwort, daß er mehr über das von ihm behandelte Kapitel der Weltgeschichte wisse „als wir, die wir glaubten, Eingeweihte zu sein“, „jedoch nicht immer gewußt (haben), was wir bewirkten“. Da fragt man sich, was denn wohl der „Masterplan“ des Buchtitels sein könnte, denn jeder Geschichtsbeflissene weiß, daß historische Wenden nicht nach einem Plan ablaufen. Doch Joseph Pozsgai, der als journalistischer Osteuropaexperte nach zwölf Jahren in Ungarn schon 1985 in einer Schrift „Osteuropa ohne Russen“ prophezeite, serviert kein planvolles Konstrukt der Geschehnisse. Stattdessen schildert er in flüssigem Feuilletonstil, dem jedoch zu oft Konjunktiv und vollendete Vergangenheit fehlen, was sich von Stalins Jalta bis zu Putins autoritärem – „gelenkt demokrtisch, wie Putin es selbst bezeichnet“ – Rußland und in Mitteleuropa wie, wann und warum in Richtung auf den Ausbruch aus dem System und danach bewegt hat. Liest man jetzt über die Aufstände 1953 in der DDR, 1956 in Ungarn und Polen, 1968 in der Tschechoslowakei, über das darauf folgende ständige Rütteln der zwangsverbündeten Staaten an den sowjetischen Fesseln und über die wegen ständiger sowjetischer Expansion immer stärker sichtbar werdende Überforderung der Wirtschaftskraft des Ostblocks, so wundert man sich, daß der Westen nicht eher erkannt hat, wie rissig der waffenstarrende Koloß war. Erschüttert hat den Rezensenten – 1956 wie viele Offizierschüler bereit, den Ungarn zur Hilfe zu eilen – das Zitat, laut dem zwei Tage, nachdem Ungarn den Austritt aus dem Warschauer Pakt erklärt hatte, das US-Außenministerium der Sowjetunion über Tito telegraphisch grünes Licht zur brutalen Niederschlagung gegeben haben soll: „Die Vereinigten Staaten betrachten Regierungen an den Grenzen der Sowjetunion, die der Sowjetunion nicht gewogen sind, nicht mit Wohlwollen.“ Leider unterschlägt Pozsgai bei dieser brisanten Information die Quellenangabe. Pozsgai behandelt sehr detailliert, oft in Form von Interviews unter anderem Rumäniens und Ungarns Sonderrolle, das Fast-Schwachwerden des Vatikans gegenüber der Sowjetunion, die Wende durch Polens Solidarność, den Beitrag Bonns zur Aufweichung durch Annäherung, Erdgasgeschäft und Milliardenkredite, den nur von Insidern zu ahnenden Aufstieg Gorbatschows und die Folgen bis heute. Gorbatschows „Masterplan“ für eine „sanfte Revolution“ soll nach vertraulichen Quellen in folgendem Angebot an die Westmächte bestanden haben: Abschaffung des Sowjetsystems bei Straffreiheit für Funktionäre, Verzicht auf die Herrschaft über den Ostteil Europas, Privatisierung des produktiven Staatsvermögens zugunsten der Machtelite als Entschädigung für deren Machtverzicht, desgleichen in den Satellitenstaaten. Dies hätten Amerikaner und Europäer, wie ihr Verhalten zeige, unter Hintanstellung ihrer Prinzipien akzeptiert. Der Autor geißelt die schlimme Rolle des IWF bei der rücksichtslos auf Globalisierung abgestellten Transformation der Staatswirtschaften. Bei der mißlungenen Privatisierung der DDR-Wirtschaft übergeht er leider den groben Rechtsbruch und die fatale wirtschaftspolitische Idiotie der „zweiten“ Enteignung der Alteigentümer. Insgesamt ist das Buch als Rekapitulation und wegen vieler kaum bekannter Details auch für den lesenswert, der diesen Zeitabschnitt bewußt miterlebt hat. Joseph Pozsgai: Der Preis der Wende – Gorbatschows Masterplan für den Systemwechsel.Olzog-Verlag, München 2006, gebunden, 246 Seiten, 24,90 Euro

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