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In den letzten Winkel

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Wer in diesem Sommer ins nördliche Ostpreußen fährt, sollte das nicht tun, ohne einen neuen Reiseführer einzustecken. Der dickleibige und reich und teilweise farbig bebilderte Band „Königsberg entdecken“ von Gunnar Strunz führt in das Gebiet „Zwischen Memel und Frischem Haff“ und dürfte für das nächste Jahrzehnt wohl der zuverlässigste Begleiter in diesen Außenposten des russischen Reiches sein. Verglichen mit dem 1993 erstmals veröffentlichten „Reiseführer Nord-Ostpreußen“ von Helmut Peitsch bietet „der Strunz“ nicht nur die bei weitem aktuelleren Informationen über den Zustand des heruntergekommenen Landes und die den Touristen erwartende, leider immer noch dürftige Infrastruktur. Strunz, der seit langem von Berlin aus Studienreisen ins nördliche Ostpreußen organisiert, hat im Gegensatz zu Peitsch wirklich den letzten Winkel der einstigen preußischen Provinz erkundet und jeden Stein umgedreht. Seine topographische Präzision, im Stil der zuverlässigen Baedeker- und Grieben-Reiseführer, doch wesentlich umfangreicher, zeigt sich vor allem in der Beschreibung der einst selbst noch innerhalb des Kaliningrader Sperrbezirks zu „verbotenen Zonen“ erklärten Areale um Pillau oder Palmnicken. In seinem so gründlichen Bemühen, den Reisenden in der russischen Gegenwart an die Hand zu nehmen und ihm alle begehbaren Pfade des Landes zu weisen, tritt die deutsche Vergangenheit im Vergleich zu Peitsch oder dem sehr aufwendigen, „Einst und Jetzt“ kontrastierenden Bildband Alexander von Normanns (Nördliches Ostpreußen, 2002), aber leider unnötig in den Hintergrund. Das Lektorat half in dieser Hinsicht offenbar noch kräftig nach, indem die Kapitelüberschriften nur die russischen Orts- und Landschaftsbezeichnungen aufführen („Die Umgebung von Gusev“). Doch auch 2006 und in der weiteren überschaubaren Zukunft möchte kaum ein deutscher Tourist Gusev, Cernjachovsk oder Sovetsk besuchen, sondern Gumbinnen, Insterburg und Tilsit, auch wenn der preußisch-deutsche Charakter der meisten Ortschaften sich oft nur an Kirchen- und Schloßruinen ablesen läßt, in dieser am meisten verheerten Kulturlandschaft Mitteleuropas. Vollends grotesk wirken daneben die Stadtpläne, in die russische Straßennamen in kyrillischer Schrift eingetragen sind. Nur für Königsberg/Kaliningrad fügte man einen Stadtplan mit den alten Straßenbezeichnungen hinzu, allerdings als Rückübertragung aus dem Russischen, so daß Ostpreußens einstige Hauptstadt nun plötzlich anstelle der Tragheimer Pulverstraße zu einer „Lilo-Pulver-Straße“ gekommen ist. Solche Patzer in historicis sind so wenig selten wie die Druckfehler und sollten bei einer gewiß zu erwartenden zweiten Auflage verschwinden. Dann findet der Leser darin sicher auch die korrekten Lebensdaten des ostpreußischen Oberpräsidenten Theodor von Schön oder erfährt, daß Ludwig Goldstein, der hier als „Architekt“ firmiert, als langjähriger Feuilletonchef der Königsberger Hartungschen Zeitung eine kulturpolitische „Institution“ Königsbergs war. Und auf das eine oder andere „verwunschen“, mit dem der Autor allzu häufig der Vergessenheit und dem Verfall anheimgegebene Ecken zu charakterisieren beliebt, wird er in der Überarbeitung ebenso gern verzichten wie der Leser. Gunnar Strunz: Königsberg entdecken. Zwischen Memel und Frischem Haff. Trescher Verlag, Berlin 2006, 449 Seiten, Abbildungen, 14,95 Euro

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