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Magere Bilanz

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Im Mai wird der Deutsche Bundestag über einen weiteren Auslandseinsatz der Bundeswehr entscheiden: Auf Anforderung der Vereinten Nationen soll ein 1.500 Mann starkes Kontingent der Europäischen Union die knapp 17.000 Blauhelmsoldaten in der Demokratischen Republik Kongo bei der Absicherung der mehrfach verschobenen und nunmehr für Ende Juni/Anfang Juli zu erwartenden Wahlen unterstützen. Die Bundeswehr wird sich an dieser Mission mit mindestens 500 Soldaten beteiligen. In einem vergleichbaren Maße engagiert sich Frankreich, etwa zehn weitere EU-Mitglieder stellen den Rest des Personals. Das Operational Headquarters (OHQ) wird beim Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam eingerichtet, ihm obliegt seit fünf Jahren die Planung und Steuerung aller Auslandseinsätze der deutschen Streitkräfte. Offiziell ist geplant, die Mission auf vier Monate zu begrenzen. Innerhalb dieser Frist soll gewährleistet sein, daß das Wahlergebnis von den Verlierern verläßlich anerkannt wird. Sibyllinische Äußerungen von Verteidigungsminister Franz Josef Jung haben allerdings Vermutungen genährt, daß die Terminierung des Rückzugs aus dem Kongo auch flexibler gehandhabt werden könnte. Kosten an anderer Stelle wieder auffangen Anders als bei der Erteilung neuer oder der Verlängerung ablaufender Mandate in der jüngsten Zeit haben im Vorfeld der Kongo-Mission fraktionsübergreifend zahlreiche Parlamentarier Bedenken geäußert. Wenig überraschend war dabei allein das Nein der Linken: Sie wittert in diesem Einsatz durchaus nicht ohne Berechtigung eine weitere Etappe auf dem Weg der Europäischen Union zur Herstellung weltweiter, militärischer Interventionsfähigkeit – den Bekundungen nach ergänzend, perspektivisch aber in Konkurrenz zum globalen Engagement der USA. Eher ungewohnt erschien hingegen der spontane, allerdings auch sehr rasch wieder abflauende Widerspruch aus den Reihen der SPD und der Unionsparteien, hier insbesondere der CSU. Die ihm zugrunde liegende Skepsis wog um so schwerer, als sie sich letztlich nur auf Einwände stützte, die das Verteidigungsministerium selbst ursprünglich formuliert hatte, als es mit dem Ansinnen der Vereinten Nationen konfrontiert wurde. Auch wenn Franz Josef Jung nicht aus der Kabinettsdisziplin ausscherte und eine seiner unterdessen bereits stilprägenden Kehrtwendungen vollzog, sind diese Einwände keineswegs ausgeräumt. Unverändert ist fragwürdig, ob das vorgegebene politische Ziel durch diesen Militäreinsatz überhaupt erreicht werden kann. Der durch einen langjährigen Bürgerkrieg und die Intervention zahlreicher Nachbarstaaten erschütterte Kongo konnte auch durch die Präsenz einer starken UN-Mission nur oberflächlich befriedet werden. Bewaffnete Auseinandersetzungen sind weiterhin an der Tagesordnung. In einem Land von der Größe Westeuropas kann ein Kontingent von 1.500 Soldaten militärisch nichts ausrichten, nicht einmal eine wirksame Kontrolle der Hauptstadt Kinshasa dürfte ihm möglich sein. Die prominentesten Kandidaten der anstehenden Wahl repräsentieren als Parteien deklarierte Bürgerkriegsarmeen. Angesichts der Erfahrungen des zurückliegenden Jahrzehnts ist es durchaus wahrscheinlich, daß die Unterlegenen ihre Niederlage nicht ohne weiteres akzeptieren und die Verständigung auf formaldemokratische Spielregeln neuerlichen Konflikten weicht. In einem solchen Fall verfügte die Europäische Union lediglich über zwei Optionen, die beide nicht sonderlich attraktiv sind: Entweder sie zieht sich unter Verweis auf die Befristung ihrer Mission zurück und dokumentiert damit, wie eingeschränkt ihre Mittel zum so vollmundig beschworenen „Stabilitätstransfer“ in Wirklichkeit sind. Oder aber sie verlängert den Einsatz, bis das politische Ziel tatsächlich erreicht ist, also auf unbestimmte Zeit, und stockt zugleich das Kontingent auf eine Größe auf, die es zu einem militärischen Instrument werden läßt. Dies jedoch dürfte die finanziellen und militärischen Ressourcen der beteiligten Staaten deutlich überfordern und von ihren Regierungen innenpolitisch kaum durchzusetzen sein. Nicht zuletzt von der Bundeswehr läßt sich bezweifeln, daß sie zu einem weiteren Einsatz, der länger andauert und größere Kräfte bindet, unter den derzeitigen Rahmenbedingungen imstande wäre. Sie müßte zudem befürchten, daß sich die finanziellen Beschränkungen verschärfen, die ihren Modernisierungsprozeß hemmen. Die Kosten weiterer internationaler Verpflichtungen gehen zu Lasten des Verteidigungsetats und müssen durch Einsparungen an anderer Stelle aufgefangen werden. Möglich sind solche allenfalls in der Beschaffung von neuen Waffensystemen und neuer Ausrüstung. Jede zusätzliche, nicht durch ergänzende Haushaltsmittel flankierte Aufgabe führt somit dazu, daß die Bundeswehr die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Bestehen im Einsatz unterminiert. Kein funktionierendes Staatsgefüge zu erkennen Es sind aber nicht allein diese fiskalischen und daher für Außenpolitiker vergleichsweise profanen Bedenken, die es angeraten erscheinen lassen, jeder Ausweitung des internationalen Engagements der Bundeswehr mit Vorsicht zu begegnen. Auch die Bilanz der drei großen Einsätze, in denen sie derzeit bereits gebunden ist und nach Lage der Dinge noch für geraume Zeit gebunden bleiben wird, muß als eher durchwachsen angesehen werden. Dies ist nicht darauf zurückzuführen, daß die Bundeswehr ihren jeweiligen Auftrag nicht ordnungsgemäß erfüllt hätte. Auch hat ihre Präsenz in allen drei Fällen – Bosnien-Herzegowina (EUFOR) seit 1995, Kosovo (KFOR) seit 1999 und Afghanistan (ISAF) seit 2002 – ohne Frage dazu beigetragen, Schlimmeres, vor allem ein Ausbrechen neuer Kampfhandlungen, zu verhindern. Die Präsenz der Bundeswehr und der Partner-Streitkräfte allein hat aber auch nicht dazu ausgereicht, einen sich selbst tragenden Stabilisierungsprozeß in Gang zu setzen, der eine konkrete Perspektive für den Abzug ausländischer Truppen eröffnen könnte. Die Verantwortung dafür tragen jedoch nicht die Militärs, sondern ihre Regierungen, die mit illusorischen Vorstellungen die Einsätze auf den Weg brachten, um sich nach erfolgreichem Management der Krisen von der Notwendigkeit entlastet zu sehen, eine Lösung der ihnen zugrunde liegenden Probleme zügig anzugehen. Besonders eklatant tritt die Divergenz zwischen militärischer Stabilisierung und politischer Konsolidierung in Bosnien-Herzegowina zutage. Hier ist die Lage zehn Jahre nach einem blutigen, nahezu 200.000 Opfer fordernden Bürgerkrieg zwar so ruhig, daß die Federführung für die nunmehr als „Althea“ firmierende Mission Ende 2004 von der Nato an die Europäische Union übergehen konnte – an ihr beteiligen sich derzeit 7.500 Soldaten aus 35 Nationen, darunter etwa 1.000 Deutsche. In Afghanistan ist die Lage prekär Ein funktionierendes, von der Bevölkerung getragenes Staatsgefüge ist aber weiterhin nicht zu erkennen. Der dem ethnischen Proporz geschuldete Föderalismus hat dem Land einen aufgeblähten Regierungs- und Verwaltungsapparat beschert, der etwa siebzig Prozent der Staatsausgaben verschlingt. Die faktische Macht liegt unverändert beim Hohen Repräsentanten, der von der EU gestellt wird und dem im Dayton-Abkommen kreierten „Friedensimplementierungsrat“ mit Vertretern aus 55 Staaten und internationalen Organisationen untersteht. Er hat die Befugnis, bar jeder demokratischen Legitimation Gesetze per Erlaß zu ändern sowie Beamte, Richter und sogar gewählte Politiker abzusetzen. Der von Mai 2002 bis Anfang dieses Jahres amtierende Brite Paddy Ashdown hat von dieser Möglichkeit reichlich Gebrauch gemacht. Sein Nachfolger, der ehemalige deutsche Postminister Christian Schwarz-Schilling, wird hier möglicherweise etwas mehr Zurückhaltung an den Tag legen. Ohne diese Klammer militärisch abgesicherter Fremdbestimmung wäre Bosnien-Herzegowina auch ein Jahrzehnt nach dem Dayton-Abkommen vom Zerfall in seine Entitäten Republik Srpska und Bosniakisch-Kroatische Föderation (oder sogar noch darüber hinaus) bedroht. Selbst die Gefahr, daß die EU ihr an den Fortbestand des Gesamtstaates gekoppeltes Angebot einer „europäischen Perspektive“ stornieren könnte, dürfte diesen Prozeß nicht aufhalten. Sollte mit Dayton überhaupt jemals die Hoffnung verknüpft gewesen sein, in Bosnien-Herzegowina ein „nation building“ in Gang zu setzen, so hat sich diese nicht erfüllt. Die unter der serbischen und der kroatischen Bevölkerungsgruppe tonangebenden politischen Kräfte haben das Ziel, ihre Regionen an das jeweilige „Mutterland“ anzuschließen, mit Blick auf die einhellige Ablehnung dieses Vorhabens durch die „Staatengemeinschaft“ zwar zurückgestellt, aber keineswegs aufgegeben. Sollte es zu einer durch das Selbstbestimmungsrecht begründeten Eigenständigkeit des Kosovo kommen, werden sie dieses auch für sich mit größerer Offenheit reklamieren. Die Ernsthaftigkeit, mit der momentan auf ausländischen Druck hin eine Stärkung der gesamtstaatlichen Kompetenzen betrieben und sogar über eine Revision der Verfassung nachgedacht wird, ist daher durchaus in Frage zu stellen. In Gang scheinen hingegen die Bemühungen um eine Lösung der Kosovo-Frage gekommen zu sein. Seit Anfang des Jahres finden unter der Ägide des UN-Beauftragten Martti Ahtisaari in Wien Verhandlungen statt, die letztendlich zu einer Klärung des zukünftigen Status der völkerrechtlich noch zu Serbien-Montenegro gehörenden Provinz führen sollen. Die Anberaumung der Gespräche ist auf das Drängen der USA zurückzuführen, deren klare Präferenz für die Sezession des Kosovo befürchten ließ, es könne zu einer Anerkennung der Unabhängigkeit im Alleingang kommen. Auf der Strecke blieb dabei die ursprüngliche Vorgabe der „Staatengemeinschaft“, es müßten zunächst gewisse demokratische Standards gewährleistet sein, bevor an Statusverhandlungen zu denken wäre. Nicht zuletzt die Forderung, den aus der Provinz vertriebenen oder geflüchteten Serben eine Rückkehr zu ermöglichen, wurde de facto fallengelassen. Auch die Sicherheitslage ist trotz der Präsenz der 19.000 Mann starken multinationalen, unter Nato-Führung stehenden Kosovo Force (KFOR), unter ihnen etwa 2.700 Deutsche, sowie der knapp über 3.000 der UN-Verwaltung zur Verfügung stehenden Polizisten aus zahlreichen Ländern fragil. Attentate sind fester Bestandteil des politischen Alltags. Gerade in jüngster Zeit mehren sich die Anzeichen für die neuerliche Aufstellung albanischer Freischärlergruppen. Trotz beispielloser finanzieller Hilfe insbesondere durch die EU ist die Wirtschaftslage desaströs. Allen maßgeblichen politischen „Parteien“ werden Verbindungen zur organisierten Kriminalität nachgesagt. Die Zweifel an dem Einsatz werden wachsen Auch wenn sich die EU nicht auf eine gemeinsame Zielvorstellung hinsichtlich des zukünftigen Status des Kosovo verständigen konnte, zeichnet sich eine „konditionierte Souveränität“ als das wahrscheinlichste der denkbaren Szenarien ab. Sie beinhaltet eine fortdauernde Anwesenheit ausländischer Truppen, um dem neuen „Staat“ nach innen und nach außen Stabilität zu vermitteln. Auch eine Lösung der „Status-Frage“ dürfte somit nicht zu einem Ende, sondern allenfalls zu einer Reduktion des Engagements der Bundeswehr führen. Eine eher verstärkte Präsenz der deutschen Streitkräfte ist hingegen in der näheren Zukunft in Afghanistan zu erwarten. Die von den Vereinten Nationen mandatierte und von der Nato geführte „Internationale Sicherheitsbeistandstruppe“ ISAF hat jüngst ihre Verantwortlichkeit über die Region Kabul und eine begrenzte Zahl von „Inseln“ in verschiedenen Landesteilen („Provincial Reconstruction Teams“) hinaus ausgeweitet. Die zulässige Stärke des deutschen Kontingents wurde dementsprechend vom Bundestag auf 3.000 Mann heraufgesetzt, momentan sind knapp 2.500 Soldaten im Einsatz. Der Papierlage zufolge ist der Aufbau demokratischer Institutionen im Lande zwar weit fortgeschritten: Ohne größere Beeinträchtigungen konnten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen durchgeführt werden. Die Macht der Zentralregierung beschränkt sich jedoch auf die Hauptstadt und deren Umgebung. In den Provinzen haben lokale Größen das Sagen, die in der Regel über eigene Milizen verfügen. Mit ihnen müssen auch die zahlenmäßig schwachen ISAF-Kräfte ein Auskommen suchen. Die Sicherheitslage ist prekär, 2005 war das blutigste Jahr nach dem Sturz der Taliban. Von deren Resten sowie der al-Qaida geht immer noch eine markante Bedrohung aus. Darüber hinaus sind weitere islamistische Gruppen aktiv, auch eine kommunistische Guerilla ist zu verzeichnen. Nicht wenige Anschläge gehen aber offenkundig auf das Konto von „gewöhnlichen Kriminellen“ – sogenannten „Drogenbaronen“, die allen Versuchen, diese Haupteinnahmequelle des Landes zum Versiegen zu bringen, Widerstand entgegensetzen. Seriöse Prognosen, wann die ISAF-Truppe abgezogen werden kann, sind kaum möglich. Optimisten meinen, dies könnte in fünf Jahren der Fall sein, andere gehen von zehn oder mehr Jahren aus. Der Glaube, das Land dereinst so hinterlassen zu können, wie man es sich beim Beginn der Mission ausgemalt hat, ist aber schon heute geschwunden. Afghanistan hat unter dem Schirm der ISAF nicht den Weg zu einer durch westliche Vorbilder inspirierten Demokratie eingeschlagen, sondern konserviert die traditionelle feudale Ordnung in neuem Gewand. Entsprechend groß sollte eigentlich die Skepsis sein, einen nicht weniger komplexen und nicht weniger zerrissenen „gescheiterten Staat“ wie den Kongo durch die erfolgreiche Durchführung einer Wahl zu Demokratie und – mit dieser nicht notwendigerweise einhergehend – Stabilität verhelfen zu können. Dennoch wird die Mehrheit der Parlamentarier allen anfänglichen Vorbehalten zum Trotz dem Wunsch der Regierung wohl entsprechen. Die Militärs werden dann – wie üblich – den ihnen erteilten Auftrag pflichtgemäß ausführen. Die Zweifel aber, ob Parlament und Regierung tatsächlich immer Augenmaß und Verantwortungsbewußtsein walten lassen, wenn sie ihre Armee in den Einsatz schicken, werden wachsen. Foto: Militärischer Einsatz im Kosovo 2006: KFOR-Soldaten der Bundeswehr bei der Personenkontrolle eines Albaners in der Region Has Stichwort: Demokratische Republik Kongo Das vormalige Belgisch- Kongo (1908-1960) und Zaire (1971-1997) wird seit Jahrzehnten von politischer Instabilität, von Bürgerkrieg und Mißwirtschaft geprägt. Seit dem Jahr 2000 besteht ein provisorisches Parlament mit 300 ernannten Mitgliedern, die mehr als 200 Volksgruppen vertreten sollen. Am 18. Dezember 2005 stimmte die Mehrheit für die Annahme einer neuen Verfassung. Zwischen dem 25. Juni und dem 2. Juli sollen nun die ersten Parlaments- und Präsidentenwahlen seit 1965 stattfinden.

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