Bei der Parlamentswahl in Rumänien haben die regierenden postkommunistischen „Sozialdemokraten“ (PSD) nach vorläufigen Ergebnissen ihre Stellung als stärkste Partei behauptet. Der PSD-Vorsitzende und amtierende Ministerpräsident Adrian Nastase kündigte schon kurz nach Schließung der Wahllokale am 28. November Gespräche zur Bildung einer neuen Regierung an. Die Entscheidung über die Nachfolge von Staatspräsident Ion Iliescu fällt allerdings erst in einer Stichwahl zwischen Nastase und seinem bürgerlichen Widersacher Traian Basescu (JF 45/04). Nastase kam auf etwa 40 Prozent, Basescu, der Oberbürgermeister von Bukarest ist, auf etwa 33 Prozent. Corneliu Vadim Tudor von der nationalchauvinistischen Großrumänischen Partei (PRM), der vor vier Jahren noch in die Stichwahl kam, landete abgeschlagen bei zwölf Prozent. Für den 12. Dezember wird nun ein Kopf-an-Kopf-Rennen erwartet. Das Ergebnis überrascht zwar nicht, war aber nicht ohne weiteres vorauszusehen. Entscheidend sind vor allem die Stimmen der nationalen Minderheiten und der PRM-Anhänger. Denn bei Kommunalwahlen am 6. Juni 2004, die als wichtiges Stimmungsbarometer für die im November anstehenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen galten, wurde die politische Landschaft ordentlich durcheinandergewirbelt: Die PSD unter Nastase verlor 16 der 41 Kreise des Landes (32 Prozent), das Oppositionsbündnis „Allianz für Gerechtigkeit und Wahrheit“ (Alianta Dreptate si Adevar/ADA) gewann hingegen 15 (33 Prozent). Einen beachtlichen Wahlerfolg erzielte das Demokratische Forum (PD) der deutschen Minderheit bei den Kommunalwahlen in Hermannstadt (Sibiu). Bürgermeister Klaus Johannis wurde mit 88 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Erfolgsmeldungen gab es für die Deutschen auch aus Mediasch, Heltau und Schäßburg. Lediglich in Kronstadt (Brasso/Brasov) wurden die Erwartungen nicht erfüllt. Als Sensation galt die Abwahl des Bürgermeisters von Klausenburg (Cluj), Gheorghe Funar (JF 43/00), von der PRM, der nach zwölf Amtsjahren seinen Posten räumen mußte. Nach Auszählungen von 87,86 Prozent der Stimmen (Stand: Dienstag) erzielte das Wahlbündnis aus PSD und der kleinen linken Humanistischen Partei (PUR) 36,37 Prozent der Stimmen bei den jetzigen Parlamentswahlen. Die „Alianta“, bestehend aus der Nationalliberalen Partei (PNL) und der Demokratischen Partei (PD), legte erheblich auf 31 Prozent zu, bleibt aber wohl weiter in der Opposition. Der Bund der Magyaren Rumäniens (RMDSZ), der ausschließlich in Siebenbürgen antrat, konnte erneut die Fünf-Prozent Hürde überwinden und erreichte fast sieben Prozent. Tudors PRM-„Ultranationalisten“ erhielten nur noch 13 Prozent der Wählerstimmen. Da Präsident Iliescu nach drei Amtszeiten nicht mehr antreten durfte, kandidierte er nun für einen Sitz im Senat, der zweiten Parlamentskammer. Beobachter spekulierten, wer jetzt den Vorsitz der PSD anstreben wolle. Bei dem Kampf um die Senatorensitze konnten sich die Postkommunisten durchsetzen: Das Regierungsbündnis erhielt etwa 37 Prozent, die ADA 31 Prozent. Die Wahl in Rumänien habe bewiesen, daß das Land „eine stabile Demokratie“ sei, erklärte Nastase. Er versprach, für alle Rumänen, „auch jene, die mich nicht gewählt haben“, ein „guter Präsident“ zu sein. Doch ganz ohne Zwischentöne verlief auch diese Wahl nicht. Die Opposition und unabhängige Wahlbeobachter stellten zahlreiche Unregelmäßigkeiten beim Urnengang fest. Rumänischen Medien zufolge seien PSD-Anhänger in zahlreichen Bussen im Lande unterwegs gewesen und hätten letzten Sonntag gleich mehrfach von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht. Basescu verglich in einer ersten Stellungnahme für den britischen Sender BBC die Wahlen sogar mit der Situation in der benachbarten Ukraine. Seiner Meinung nach hat die Wahlkommission seinem Konkurrenten Nastase etwa 160.000 Stimmen (2,5 Prozent) zu viel zugeschrieben. Er warf dem Zentralen Wahlbüro vor, bei der elektronischen Auszählung der Stimmen die ungültigen Stimmzettel der Koalition der regierenden PSD und ihres Partners PUR zugerechnet zu haben. Daher forderte Basescu die sofortige Entlassung der Wahlbehörden. „Der gesamte Wahlverlauf ist unglaubwürdig geworden. Eine Wiederholung der Wahl ist unumgänglich“, erklärte er und fügte hinzu: „Ich kämpfe nicht länger allein um die Präsidentschaft, sondern für die Wiederherstellung der Demokratie in Rumänien.“ Eines der brennendsten Probleme des Landes ist in der Tat die Korruption. Die europäische Antikorruptionsorganisation Transparency International (ti) bewertet in ihrem Index für 2002 und 2003 die politische Klasse in Rumänien als die korrupteste in Europa. Dieses Krebsgeschwür habe inzwischen derartige Ausmaße angenommen, daß die EU vor einiger Zeit die Beitrittsverhandlungen aussetzen wollte. Die Zeitschrift Evenimentul Zilei veröffentlichte ein vertrauliches Dokument des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (Olaf) vom 13. Mai 2004, das zahlreiche lokale und nationale rumänische Politiker nennt, die aktiv an der Korruption beteiligt sind. Unter ihnen soll sich auch PSD-Vize Viorel Hrebenciuc befinden. Er wird beschuldigt, EU-Finanzbeihilfen in Millionenhöhe veruntreut zu haben – sie waren für die Finanzierung von Infrastrukturprogrammen in mehreren großen Städten des Landes bestimmt. Die Liste dieser „Zwischenfälle“ ließe sich beliebig lang fortsetzen. Ehemalige Angehörige des in der Ceauscescu-Ära allmächtigen KP-Geheimdienstes Securitate sollen angeblich sämtliche Bereiche der Wirtschaft kontrollieren. Wer sich dagegen auflehnt, verliert schnell seinen Arbeitsplatz oder wird in einen „Unfall“ verwickelt. Auch gegen den Oppositionskandidaten Basescu gibt es Korruptionsvorwürfe. Er soll 1991, damals als Staatssekretär im Transportministerium, in den Skandal um rumänische Handelsschiffe, die in einem liberianischen Häfen festgehalten wurden und schließlich aus dem Zulassungsregister gelöscht wurden, verwickelt sein. Trotzdem sind sich die EU-Staats- und Regierungschefs einig, daß Rumänien den Wertekatalog der EU erfüllt und daher 2007 Mitglied der EU werden soll.