Die Mitglieder und Interessenten der Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik (GfW), Sektion Rendsburg, erhielten Anfang des Jahres nacheinander zwei Einladungen zu Veranstaltungen am 25. Februar 2004. Allerdings kündigten sie unterschiedliche Referenten an. Sollte zunächst Generalmajor a. D. Gerd Schultze-Rhonhof über sein neues und zunehmend Aufsehen erregendes Buch „1939 – Der Krieg, der viele Väter hatte“ sprechen, so wurde das wenig später korrigiert. Nunmehr war angezeigt worden, daß statt seiner im renommierten Pelli-Hof General a. D. Günter Kießling über „Militär und Elite im heutigen Deutschland“ referieren werde. Eine Erklärung gab es für den überraschenden Wechsel nicht. Sie erfolgte dann an eben jenem Mittwoch, dem 25. Februar. Der Saal war brechend voll, als General Kießling in seiner bekannten straffen und markanten Form zunächst zu erkennen gab, daß er am Podium stehe, um seinen persönlichen Protest auszudrücken gegen das Verbot, das seinen ehemaligen Kameraden Schultze-Rhonhof getroffen habe. Es war, wie man jetzt erfuhr, dem Sektionsleiter in Rendsburg, Oberstleutnant a. D. Hansjoachim Pieth, von der Leitung der Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik untersagt worden, Schultze-Rhonhof sprechen zu lassen. In die dadurch entstandene Lücke war General Kießling getreten, um, wie er deutlich machte, gegen die Begrenzung der Meinungsfreiheit durch die politische Korrektheit Stellung zu beziehen. Er bescheinigte Schultze-Rhonhof ausdrücklich Zivilcourage, die er bei der politischen Klasse vermißt. „Wenn es denn eine nationale Elite in Deutschland gäbe, dann müßte sie sich gegen die Forderungen der politischen Korrektheit erheben“, so Kießling. Schultze-Rhonhof war 37 Jahre Soldat Sein Referat zum angekündigten Thema war eine Abrechnung mit der politischen Klasse in der Bundesrepublik, die er als „Ersatz-Elite“ kennzeichnete, die keine Voraussetzungen mit sich bringe, um eine wirkliche Elite zu sein. Sie, so Kießling, habe zudem eine grundsätzliche Distanz zu allem Militärischen, ja, sie interessiere sich nicht einmal für die Soldaten und ihre Probleme. Für seinen Vortrag wurde General Kießling von den Anwesenden, unter denen auch zahlreiche Offiziere in Uniform waren, lebhaft gefeiert. Ein deutlicheres Bild von den Ereignissen hinter den Kulissen, die zu dem Wechsel der Referenten geführt hatten, bot die drei Wochen später folgende Vortragsveranstaltung, die der Vorsitzende der Sektion Rendsburg, Hansjoachim Pieth, als seine letzte ankündigte. An dem Abend trat er von seinem Amt zurück und klärte die Anwesenden über die Geschehnisse auf. Generalmajor a.D. Gerd Schultze-Rhonhof war 37 Jahre lang Soldat der Bundeswehr, zuletzt Territorialer Befehlshaber für Niedersachsen und Bremen. 1996 zog er das Interesse der Medien auf sich, als er das Bundesverfassungsgericht wegen seines „Soldaten-sind-Mörder-Urteils“ öffentlich kritisierte. Als er dann auch noch etwas daran auszusetzen hatte, daß die Wehrpflicht verkürzt wird, wurde er von dem damaligen Generalinspekteur Hartmut Bagger gezwungen, seine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand zu beantragen. Schultze-Rhonhof hat seitdem die Muße gut genutzt. Zunächst trat er mit einem Buch „Warum noch tapfer sein?“ an die Öffentlichkeit, das in mehreren Auflagen erschien. Schon hier verstieß er gegen die politische Korrektheit. In den folgenden Jahren arbeitete er in in- und ausländischen Archiven, weil er der Frage nachgehen wollte, was die Generation seines Vaters dazu bewegt habe, nur zwanzig Jahre nach dem Ersten Weltkrieg Adolf Hitler in einen neuen Krieg zu folgen. Die Ergebnisse seiner Recherchen überraschten ihn, denn er stellt fest, daß es eine ganze Anzahl von Staaten waren, die den Zweiten Weltkrieg angezettelt hatten. Er erkannte Zusammenhänge, die bisher übergangen worden waren. Sehr schnell sprach sich herum, welch brisantes Werk auf dem Büchermarkt erschienen war, übrigens im Jahre 2003 nur eines von dreien unterschiedlicher Autoren, die alle unabhängig zu dem gleichen Schluß kamen, daß von einer Alleinschuld des Deutschen Reiches keineswegs die Rede sein könne. Auch die Sektion Rendsburg der Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik wollte ihren Zuhörern die Möglichkeit bieten, den Autor und sein Buch kennenzulernen, und lud den General ein, über sein Buch zu referieren und zu diskutieren. Dazu kam es dann aber nicht. Die Gesellschaft wurde gleichgeschaltet Die GfW wurde 1952 als „Gesellschaft für Wehrkunde“ gegründet, um „Verständnis zu wecken für die stete Notwendigkeit, den Frieden in Freiheit und die Souveränität Deutschlands zu schützen“ und „die allgemeine Verteidigungsbereitschaft zu fördern“, wie es in der Satzung heißt. Jedoch stellte sich bereits in den vergangenen Jahren heraus, daß sich diese vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung finanzierte und vom Bundesverteidigungsministerium gelenkte Gesellschaft keineswegs kümmerte um die Abwehr von Diffamierungen der Soldaten etwa durch die Anti-Wehrmachtausstellung Reemtsmas, was zweifellos zur „Förderung der Verteidigungsbereitschaft“ gehört hätte, und auch nichts unternahm gegen die Glorifizierung von Deserteuren oder gegen die umstrittene Kampagne „Soldaten sind Mörder“. Statt dessen ließ es sich der Präsident, jetzt eine Präsidentin und ihr Umfeld angelegen sein, politisch nicht korrekte Themen von der Gesellschaft fernzuhalten. So wurde schon Ende der neunziger Jahre verboten, daß auf Veranstaltungen der Gesellschaft der emeritierte Professor an der Bundeswehrhochschule München, Franz W. Seidler, referierte, doch war er nicht allein der Gebrandmarkte. Auch durften nicht mehr eingeladen werden der ehemalige Kommandeur des Nato Defence College in Rom, Generalleutnant Franz Uhle-Wettler, Verfasser mehrerer bemerkenswerter militärhistorischer Bücher, sowie dessen Bruder, der frühere stellvertretende Kommandeur der 1. Fallschirmjägerdivision, Brigadegeneral a. D. Reinhard Uhle-Wettler, der sich häufig in nicht stromlinienförmigen Beiträgen publizistisch zu Worte meldete. Dem Publizisten Rüdiger Proske, damals noch SPD-Mitglied, wurden ebenfalls die Türen zu Auftritten in GfW-Veranstaltungen versperrt, nachdem er die Reemtsma-Ausstellung scharf kritisiert hatte. Damals gab es erhebliche Aufregung. Das Präsidium schmiß Sektionsvorsitzende, die sich unbotmäßig gezeigt hatten, raus, löste ganze Sektionen auf, und das alles, weil der GfW angedroht worden war, das Bundespresse- und Informationsamt werde ihr andernfalls den Geldhahn zudrehen. Nachdem so die GfW nach einem kräftigen Aderlaß gleichgeschaltet worden war, herrschte einige Jahre lang Ruhe, doch scheint sich jetzt ein neuer Krach anzubahnen. Übrig geblieben aus der damaligen Maulkorbzeit war die Anordnung, daß jede geplante Veranstaltung vorher genehmigt werden müsse. Als der Vorsitzende der Sektion Rendsburg, Oberstleutnant a. D. Pieth, seinem Landesvorsitzendenden, Fregattenkapitän a. D. Max Lübke, die Einladung zum Referat Schultze-Rhonhofs vorlegte, schickte der ihm kommentarlos eine Rezension des Buches „1939 – Der Krieg, der viele Väter hatte“ aus der Feder eines strebsamen Historikers aus dem Münchener Institut für Zeitgeschichte namens Christian Hartmann, der mit Häme und Unterstellungen weniger das Buch als vielmehr den Autor verriß, weil der kein gelernter Historiker, sondern „nur“ General war. Pieth, der sich sein Leben lang mit Zeitgeschichte beschäftigt hatte, oblag ihm als Inspektionschef doch auch der Unterricht in politischer Bildung, kannte diese Art von politisch korrekten Abqualifizierungen und ließ sich davon nicht beeindrucken. Daraufhin erhielt er einen Anruf seines Landesvorsitzenden mit der Anweisung, er müsse das Referat von Schultze-Rhonhof absagen, „egal, wie Du da wieder rauskommst“. Auf die Frage nach den Gründen gab es die Antwort, das Verbot sei nach Rücksprache mit dem Bundesgeschäftsführer verhängt worden. Als Pieth sich immer noch nicht beeindrucken ließ, schlug Lübke ihm als Ausweg vor, neben Schultze-Rhonhof einen offenbar als amtlich zugelassen anzusehenden Historiker einzuladen, nämlich den emeritierten Professor Michael Salewski. Der sollte wohl neben Schultze-Rhonhof am Rednerpult sitzen, um notfalls im Sinne der politischen Korrektheit einzugreifen. Pieth fragte, ob sein Landesvorsitzender oder der Bundesgeschäftsführer das inkriminierte Buch kenne. Das war nicht der Fall. Daraufhin erklärte der Sektionsleiter Pieth, unter diesen Umständen werde er zwar den Vortrag absagen müssen, trete aber gleichzeitig von seinem Amt in der GfW zurück. Claire Marienfeld soll sich rechtfertigen Das löste offenbar Aufregung in den höheren Gremien aus. Sowohl der Bundesgeschäftsführer als auch die Präsidentin, die ehemalige Werbebeauftragte des Bundestages Claire Marienfeld (CDU), versuchten, ihn umzustimmen, zumal sich die Sektion in den zehn Jahren, in denen Pieth ihr vorstand, vorbildlich entwickelt hatte. Er blieb bei seiner Bedingung: Er werde sein Amt fortführen, wenn Schultze-Rhonhof reden dürfe. Das wurde abgelehnt mit der Behauptung, dadurch würde das Ansehen der Gesellschaft beschädigt. Nachdem Pieth vor den Mitgliedern seinen Beschluß begründet hatte, trat er zurück. Eine Probeabstimmung ergab, daß 90 Prozent der anwesenden Mitglieder aus dem Verein austreten würden. Pieth will zunächst noch bleiben. Die Präsidentin der GfW, der Pieth die Situation ausführlich schriftlich dargestellt hatte, erklärte, sie wolle sich nicht mehr äußern, drückte über den Rücktritt ihr Bedauern aus und dankte für seine zehnjährige Tätigkeit als Sektionsleiter. Am 31. März tagt die Bundesversammlung der Gesellschaft in Straußberg in Berlin. Den Delegierten wird ein Antrag des Delegierten der Sektion Rendsburg vorliegen, in dem gefordert wird, Marienfeld solle in der Versammlung begründen, warum sie das Auftreten von Schultze-Rhonhof in Rendsburg unterbunden habe. In einem zweiten Antrag wird verlangt, Schultze-Rhonhof in Zukunft als Referent in der GfW zuzulassen. Foto: General a.D. Günter Kießling, Generalmajor a.D. Gerd Schultze-Rhonhof: Gegen die Beschränkung der Meinungsfreiheit