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Ein Jubiläum mit Fragezeichen

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Das Flugjubiläum könnte so schön sein. Vor einhundert Jahren sorgte die Nachricht vom angeblich ersten erfolgreichen Motorflug in der Geschichte der Menschheit für weltweites Staunen. Wilbur und Orville Wright, zwei amerikanische Brüder, machten am 17. Dezember 1903 Epoche. Bis heute gelten sie als Pioniere der – zumindest motorisierten – Luftfahrt . Aber die Person des Gustav Weißkopf stört die Harmonie dieses historischen Kalenderblattes. Nicht wenige Forscher und Fachleute sind schon seit Jahren der Ansicht, daß ihm jener Ruhm gebührt, der erste Motorflieger gewesen zu sein. Mehr als zwei Jahre kam Weißkopf den Fliegern von Kitty Hawk, North Carolina, angeblich zuvor. Erstflug am 14. August 1901 in Bridgeport, Connecticut Schon seit Jahrzehnten setzt sich eine Gruppe von Weißkopf-Anhängern mit Vehemenz dafür ein, daß die Geschichte der Luftfahrt in diesem entscheidenden Punkt korrigiert wird. Dabei dürfte dieser Gustav Weißkopf kaum jemandem ein Begriff sein, der sich nicht spezifisch mit der Pionierzeit der Fliegerei befaßt hat. Beinahe vergessen ist der aus dem Fränkischen stammende Tüftler, auch wenn ihn sogar diverse Lexika als ersten Motorflieger vermerken. Kurz und abenteuerlich ist es verlaufen, das Leben des Gustav Albin Weißkopf. Am 1. Januar 1874 kam er im Städtchen Leutershausen bei Ansbach zur Welt. Schon als Junge beschäftigte er sich mit Vogelflug und Fliegerei. Früh verwaist, fuhr der Jugendliche zur See und vertiefte dabei seine Kenntnisse über den Wind, das Wetter und die Funktion von Takelage. Nach einem Schiffbruch beschloß er 1894, in die USA auszuwandern. Versuche mit Gleitapparaten, die denen des von ihm bewunderten Otto Lilienthal glichen, machten ihn kurze Zeit später der Fachwelt bekannt. Und eines Tages berichteten mehrere Zeitungen, Fachmagazine und Augenzeugen von seinem erfolgreichen Motorflug. Was war passiert? In Bridgeport, Connecticut, war Weißkopf, der sich längst Gustave Whitehead nannte, mit einem zweimotorigen Eindecker unter den Augen seiner Mitarbeiter und einiger Nachbarn an den Start gegangen. Man schrieb den 14. August 1901. Die zwei selbstgebauten Motoren starteten durch, und mit einem Mal erhob sich – so heißt es – die Flugmaschine „Nr. 21“ vom Boden. Etwa 800 Meter legte das Flugzeug angeblich zurück. So fragil der aus Holz, Bambus und Seide gebastelte Apparat auch wirkte: Er bewältigte seinen Jungfernflug, ohne Schaden zu nehmen. Weißkopf, der autodidaktische Einwanderer, wurde schlagartig bekannt. Mit in seiner Werkstatt gebauten Motoren gewährleistete er seine finanzielle Unabhängigkeit. „Doch dann kamen die Wrights“, erzählt Hermann Betscher, erster Vorsitzender der Flughistorischen Forschungsgemeinschaft Gustav Weißkopf (FFGW). „Sie beanspruchten den ersten Motorflug für sich. Da sie eine mächtige Lobby hinter sich hatten, drängten sie nicht nur Weißkopf, sondern auch viele andere Erfinder ins Abseits.“ Als Schwindler verunglimpft und anschließend totgeschwiegen worden sei Weißkopf – und habe nach einiger Zeit resigniert. Als der passionierte Erfinder, der offensichtlich ein schlechter Geschäftsmann gewesen ist, finanziell Schiffbruch erlitt, ging es mit ihm rasch bergab. Vergessen, verbittert und arm erlag Weißkopf am 10. Oktober 1927 einem Herzinfarkt. Kurz zuvor hatte ihn noch die Nachricht vom Atlantikflug des Charles Lindbergh erreicht. Das letzte Wort zum Thema Weißkopf war aber noch längst nicht gesprochen. Bereits in den dreißiger Jahren stießen amerikanische Forscher – darunter die Schriftstellerin Stella Randolph – auf den Pionier. Nach dem Krieg, in den sechziger Jahren erwachte das Interesse an Weißkopf auch in seinem Geburtsort Leutershausen. Eine Forschungsgemeinschaft bildete sich, und man schuf ein Museum zu Ehren des Flugpioniers. Wer das 6.000-Einwohner-Städtchen besucht, sieht den schnittigen Eindecker „Nr. 21“ als Metallkonstruktion im Maßstab 1:1 auf einer mächtigen Steinsäule thronen. Doch damit nicht genug. Um der Welt zu beweisen, daß Weißkopf die Möglichkeit und das Wissen besaß, ein funktionierendes Flugzeug zu konstruieren, bauten die Weißkopf-Anhänger den Eindecker nach. Vor sechs Jahren hob Testpilot Horst Philipp auf einem Bundeswehrflugplatz in Manching bei Ingolstadt mit dem Gerät ab. Viele Journalisten und Schaulustige verfolgten das Spektakel mit. Und staunten: „Nr. 21“ flog! „Das ist den Wright-Anhängern in den USA bis heute nicht gelungen“, sagt Matthias Lechner, zweiter Vorsitzender der FFGW. „Dort haben Fachleute den ‚Flyer I‘ nachgebaut und bekommen ihn nicht in die Luft. Sie fragen sich, wie die zwei Brüder das damals geschafft haben wollen.“ Obwohl vieles dafür spricht, daß Weißkopf als erster geflogen ist, erkennen einflußreiche Fachleute und Institutionen seine Leistung nicht an. Vor allem die renommierte Smithsonian Institution in Washington läßt sich laut Betscher und Lechner gar nicht erst auf eine Diskussion ein. Im Fall der Smithsonian Institution existiert sogar ein Vertrag aus dem Jahr 1948, der die Pioniertat der Wrights zum historischen Dogma erklärt. Und nicht nur an dem angeblichen Flugerfolg, sondern auch an der Person Weißkopfs scheiden sich schon seit langem die Geister: Während die einen in ihm ein Genie sehen, halten ihn Kritiker für einen Hochstapler, dem alles schiefging, für einen Fantasten und Märchenerzähler. Aber all das entmutigt zumindest die etwa hundert Männer und Frauen der FFGW nicht. „Wir geben nicht auf“, zeigt sich Betscher entschlossen. „Unser Ziel ist es, Gustav Weißkopf den Platz in der Geschichte zu verschaffen, den er verdient hat. Denn er war der erste Motorflieger der Welt.“

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