Werbung fördert den Konsum. Dafür wird Werbung gemacht und eine Menge Geld ausgegeben, für Alkohol- bzw.Tabakwerbung im Jahr 2000 zum Beispiel 1.167 Millionen bzw. 123 Millionen D-Mark. Der Pro-Kopf-Verbrauch an Alkohol ist in den letzten Jahren kontinuierlich leicht rückläufig. Das ist für dieGesundheit förderlich, aber für die Wirtschaft schädlich. Ein guter Grund, in den Werbeanstrengungen nicht nachzulassen. Nicht zwingend mit mehr Geld, aber notwendig effektiver: immer differenziertere Angebote, zielgruppenspezifisch, „alkoholische“ Lebensstile vermittelnd und erhaltend. Weniger Alkoholumsatz hat natürlich Folgen für die Arbeitsplätze in der Alkoholwirtschaft. Allerdings ist nicht zu befürchten, daß uns durch ein Werbeverbot die alkoholischen Getränke und das alkoholproduzierende Gewerbe abhanden kämen. Und das Geld, das nicht mehr für Alkohol ausgegeben wird, fließt mit Sicherheit in andere „schöne Dinge“. Also insgesamt Entwarnung für die Wirtschaft und die Arbeitsplätze! Im übrigen wird unter dem Strich der konsumfördernde Effekt der Alkoholwerbung als eher gering eingeschätzt. Alkoholwerbung wäre von daher verzichtbar. Hingegen erwiesen Studien den Effekt von Werbeverboten. Bei Spirituosen führte es dazu, daß 16 Prozent weniger Alkohol getrunken wurde. Es bedeutet ganz einfach: Weniger Verkehrs- und Arbeitsunfälle, weniger Suizide, weniger Folgekrankheiten, „mehr Leben“. Demzufolge heißt die Alternative: Mehr trinken für die Arbeitsplätze oder weniger trinken für die Gesundheit? Die individuelle Entscheidung fällt leichter ohne Manipulationsversuche von außen. Gefährdet durch Werbung sind vor allem Kinder und Jugendliche. Alkohol- und Tabakwerbung verharmlost die Gefahren und macht Präventions- wie auch Hilfeangebote unglaubwürdig. Glauben wir mal an die Macht der Vernunft. Dr. med. Winfried Bertram ist Vorsitzender der Gesellschaft gegen Alkohol- und Drogengefahren (GAD) und Chefarzt einer Fachklinik für Abhängigkeitserkrankungen in Römhild. Wir brauchen nicht darüber zu streiten, daß der Genuß von Alkohol sowie der gesundheitsriskante Umgang damit Teil der Lebensrealität ist. Es mindert aber die Qualität einer Debatte, wenn die Optik eines gesellschaftlichen Problems verzerrt wird. Falsche Akzente in der Öffentlichkeit führen rasch zu falschen Präventionsstrategien und erhöhen vor allem bei problembehafteten Jugendlichen den Reiz der verbotenen Frucht. Die Realität: Der Alkoholkonsum in Deutschland ist kontinuierlich auf dem Rückzug: pro Kopf in den neunziger Jahren von rund 176 Litern auf 154 Liter (minus 12 Prozent). Dagegen sind die Werbeaufwendungen für diesen Konsumbereich im gleichen Zeitraum um 66 Prozent gestiegen. Eine psychologische Grundlagenstudie der Universität Bonn resümiert: Jugendliche greifen zum Alkohol als einem Ersatzproblemlöser, wenn sie in der Phase der Pubertät mit ihrer Entwicklung nicht zurechtkommen. Weitere Ursachen von Fehlverhalten im Umgang mit Alkohol liegen in einer konfliktträchtigen Eltern-Kind-Beziehung, Scheidung und Trennung sowie negativen Leistungsbiographien während der Schullaufbahn. Eine in diesem Jahr im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums publizierte Studie „Alkohol und Werbung“ in Zusammenhang mit Jugendlichen schlußfolgert: „Insgesamt zeigt sich ein geringer Einfluß von Werbung auf den Alkoholkonsum von Kindern und Jugendlichen“. Die Autoren zweifeln am Sinn von Werbeverboten im Fernsehen und den Warnhinweisen auf Getränkeverpackungen. „Insgesamt besteht bei einer Einschränkung der Werbung die Gefahr, daß andere Marketingstrategien … an Bedeutung gewinnen, was es zu vermeiden gilt.“ Ungeachtet der angerissenen Tatsachen unterwirft sich die Alkoholwirtschaft umfangreichen Selbstbeschränkungen in der Werbung sowie der Aufsicht des Deutschen Werberats. Volker Nickel ist Sprecher des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft (ZAW).