Erst verdächtigte er die AfD der Spionage für fremde Mächte, jetzt will er nichts mehr davon wissen: Thüringens Innenminister Georg Maier verstrickt sich in Widersprüche zu dem, was er der AfD vorgeworfen haben will und was nicht. „Ich habe niemals Spionagevorwürfe gegen die AfD erhoben“, sagt der Sozialdemokrat aktuell im Interview mit der Welt. Das sei ihm wichtig.
Hintergrund: Am 22. Oktober war im Handelsblatt ein Artikel erschienen unter der Überschrift: „Spionage im Auftrag des Kremls? SPD-Innenminister schlägt Alarm“. Darin warf Maier der AfD vor, daß sie „das parlamentarische Fragerecht dazu mißbraucht, gezielt unsere kritische Infrastruktur auszuforschen“. So zeige die Partei besonderes Interesse an polizeilicher IT und Ausrüstung, etwa im Bereich der Drohnenabwehr. „Es drängt sich geradezu der Eindruck auf, daß die AfD mit ihren Anfragen eine Auftragsliste des Kremls abarbeitet.“
Medien und Politiker verstanden es genau so
Die Aussage war von Medien und Politik durchweg so verstanden worden, daß Maier der AfD Spionage für Rußland vorwarf. Das Handelsblatt hatte den eigenen Artikel entsprechend mit dem Satz eingeleitet: „Der Innenminister von Thüringen, Georg Maier (SPD), sieht Anhaltspunkte dafür, daß die AfD für Rußland spionieren könnte.“ Der Deutschlandfunk titelte: „Vorwurf des Innenministers: Die AfD soll für den Kreml spionieren.“
Jens Spahn, Chef der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, weitete den Vorwurf anschließend auf die Bundesebene aus und richtete sich an AfD-Chefin Alice Weidel: „Der Verdacht, im Bundestag für den Ex-KGB-Spion Putin zu spionieren, wiegt schwer.“ Weidel müsse „umgehend und zweifelsfrei aufklären, welche Machenschaften es in ihrer Fraktion gibt“.
„Da stehen ganz konkrete Spionagevorwürfe im Raum“
Hatten sie alle Maier mißverstanden? Tatsächlich findet sich in dem ursprünglichen Handelsblatt-Artikel kein wörtliches Zitat, in dem Maier explizit das Wort „Spionage“ oder einen verwandten Begriff benutzt. Allerdings sprach der Sozialdemokrat am selben Tag auch mit dem ZDF – und äußerte sich schon dort in sich widersprüchlich. So stellte er zwar klar, er habe nicht gesagt, „daß hier der strafrechtliche Vorwurf der Spionage im Raum steht, sondern es geht darum, daß eine ganz große Anzahl kleiner Anfragen gestellt wurde“.
Dann fuhr der Innenminister jedoch wie folgt fort: „Es drängt sich geradezu der Eindruck auf, daß die AfD mit ihren Anfragen eine Auftragsliste des Kremls abarbeitet.“ Er verwies demnach auf AfD-Politiker, die „enge Kontakte zu autoritären Staaten“ pflegten. Es sei zu vermuten, daß sicherheitsrelevante Informationen abflössen. Und dann das entscheidende Zitat: „Da stehen ganz konkrete Spionagevorwürfe im Raum.“ Maier sprach auch von einem möglichen „landesverräterischen Aspekt“ bei der AfD. Landesverrat wiederum ist ein Straftatbestand (Paragraph 94 Strafgesetzbuch).
Und damit zurück zu dem, was Maier nun in der Welt formuliert: „Ich habe niemals Spionagevorwürfe gegen die AfD erhoben.“ Es gehe nicht darum, „daß die Partei illegal Informationen beschafft, die sie an fremde Mächte weitergibt. Das wäre ein Straftatbestand. Aber Abgeordnete versuchen gezielt, sicherheitsrelevante Informationen ans Licht der Öffentlichkeit zu zerren.“ Was denn nun? Stehen Spionagevorwürfe im Raum oder nicht? Geht es um strafrechtlich relevantes Verhalten oder nicht?
Auch Aigner betonte: Keine Spionage
In diesem Zusammenhang interessant: Im November äußerte sich auch die bayerische Landtagspräsidentin Ilse Aigner öffentlich kritisch über das Anfrageverhalten der AfD. Als die JUNGE FREIHEIT beim Landtag nachfragte, warum Aigner den Spionagevorwurf erhebe, antwortete eine Sprecherin energisch: „Die Landtagspräsidentin Ilse Aigner hat die AfD nicht der Spionage verdächtigt. Alles andere wäre eine Unterstellung.“ Das Wort „nicht“ hob die Sprecherin fett hervor.
Tatsächlich hatte Aigner im Politico-Podcast das Gedankenspiel angestellt, daß Auskünfte der Landesregierung künftig als Verschlußsache eingestuft werden könnten. Auf die Feststellung des Interviewers, sie könne damit nicht verhindern, daß dennoch Erkenntnisse „durchgestochen“ würden, antwortete die Christsoziale: Das sei dann eine andere Qualität und gehe „schon Richtung Spionage wirklich“. Die Frage nach eigenen Erkenntnissen dazu verneinte sie jedoch. „Es ist wirklich eine Mutmaßung.“
Was nun Maier angeht, so liegt der Verdacht nahe, daß der Minister der AfD sehr wohl Spionage unterstellt – und daß er ganz zufrieden damit ist, daß das auch alle Medien genauso verstanden. Nur fürchtet er wohl gleichzeitig, sich mit einer allzu kühnen Behauptung womöglich juristisch in die Nesseln zu setzen. Das zumindest würde das Herumgeeiere erklären.





