BERLIN. Die Koalition hat sich nicht auf einen Plan zur Wiederbelebung der Wehrpflicht verständigen können. Nach Angaben aus Parlamentskreisen wurde eine für Dienstag nachmittag geplante Pressekonferenz zur Einigung zwischen den Regierungsfraktionen abgesagt. In der SPD-Fraktion gibt es offenbar erheblichen Widerstand gegen das vereinbarte Losverfahren und ein Vier-Stufen-System.
Der Bundestag teilte am Dienstag mit, daß zu Beginn der Plenarsitzung am Mittwoch zunächst über die Tagesordnung der Woche abgestimmt werden soll, da zwischen den Fraktionen kein Einvernehmen erzielt werden konnte. Damit könnte auch die ursprünglich für Donnerstag vorgesehene erste Lesung des Wehrpflicht-Gesetzentwurfs erneut verschoben werden. Es ist bereits das zweite Mal, daß die Beratung vertagt wird.
Kein Automatismus zur Wehrpflicht vorgesehen
Zuvor hatte sich die schwarz-roten Verhandlsführer auf einen Vier-Stufen-Plan verständigt, um die Bundeswehr langfristig auf 260.000 aktive Soldaten und 200.000 Reservisten zu vergrößern. Der Plan galt als sicherheitspolitischer Kompromiß zwischen Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und der Union und sollte am Donnerstag im Bundestag vorgestellt werden. Nach jetzigem Stand ist die Einigung jedoch wieder offen.
Die erste Stufe des Modells sieht vor, die Musterungsstrukturen auszubauen und die Wehrverwaltung zu digitalisieren. Junge Männer sollten künftig zum 18. Geburtstag einen Fragebogen zur Wehrbereitschaft erhalten. Bereits bekannt war, daß die Datenbasis für spätere Auswahlverfahren dienen sollte. In der zweiten Stufe sollten aus dieser Gruppe nach dem Zufallsprinzip Männer ausgelost werden, die zu einem Gespräch über Freiwilligkeit und Eignung eingeladen werden. Fänden sich nicht genügend Bewerber, sollten diese Ausgelosten für einen mindestens sechsmonatigen Dienst verpflichtet werden können. Über diesen Punkt kam es nun zum Streit.
Dänemark verfährt ähnlich
In früheren Entwürfen war für die dritte Stufe eine freiwillige Grundausbildung mit anschließender Reserveoption im Gespräch. Sie sollte Anreize für junge Menschen schaffen. Die vierte Stufe schließlich sah die Möglichkeit vor, die 2011 ausgesetzte allgemeine Wehrpflicht wieder zu aktivieren. Dafür müßte der Bundestag jedoch mit Zweidrittelmehrheit einen Spannungs- oder Verteidigungsfall feststellen. Einen Automatismus, der direkt von Freiwilligkeit zur Wehrpflicht führt, sollte es ausdrücklich nicht geben.
Der gesamte Mechanismus, insbesondere der sogenannte Aufwuchspfad mit definierten Zielkorridoren, blieb jedoch zwischen den Koalitionspartnern umstritten. Während die Union verbindliche Schwellenwerte forderte, ab wann verpflichtende Elemente greifen, lehnen Teile der SPD dies bislang ab. Rechtlich stützt sich der Entwurf auf ein Gutachten des früheren Bundesverfassungsrichters Udo Di Fabio, das die Verfassungsmäßigkeit eines Losverfahrens bestätigte, wie die CDU mitteilte. Auch Dänemark wendet ein ähnliches System an. (sv)