Deutschland wird in eine Schuldenspirale getrieben. Staatliche Kernaufgaben können dauerhaft nicht mehr aus den Einnahmen finanziert werden – kurzum: „Der Bund lebt strukturell über seine Verhältnisse.“ Das schreibt der Bundesrechnungshof in seiner aktuellen Analyse des Bundeshaushalts. Für 2026 wird eine Neuverschuldung von 174 Milliarden Euro anvisiert – fast ein Drittel der Ausgaben ist damit schuldenfinanziert (JF berichtete).
Die öffentlichen Schulden – Bund, Länder und Gemeinden – beliefen sich im ersten Quartal 2025 auf fast 2,7 Billionen Euro, das waren etwa 62 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). 2019 waren es „nur“ 1,9 Billionen Euro gewesen und 1994 nur die Hälfte davon. Die Zinskosten, die darauf zu bezahlen waren, betrugen im Jahr 2024 etwa 46 Milliarden Euro – das waren mehr als die gesamten Strom- und Energiesteuern des Bundes.
Der auf die Schulden zu zahlende durchschnittliche Zins lag folglich bei nur etwa 1,7 Prozent. Mittlerweile sind jedoch die Kapitalmarktzinsen deutlich angestiegen. Derzeit beträgt die Rendite für zehnjährige Bundesanleihen 2,74 Prozent – und ist damit deutlich höher als in der Vergangenheit. Man erinnere sich: 2015 lag die Zehnjahresrendite deutscher Staatsanleihen noch bei etwa 0,8 Prozent, im Juli 2019 erreichte sie ihren Tiefpunkt mit minus 0,57 Prozent. Die gestiegenen Zinsen machen sich nun nach und nach in der Zinsrechnung bemerkbar.
Haushalte werden durch Zinszahlungen überlastet
Denn jedes Jahr wird nur ein Teil der gesamten Staatsschuld fällig, und entsprechend wird sie nach und nach durch neue Kredite ersetzt, die einen höheren Zins tragen. Das führt dazu, daß die Zinsrechnung, die der Schuldenberg verursacht, im Zeitablauf weiter steigt. Nur zwischen 2014 und 2019 wurde die Staatsverschuldung temporär um insgesamt 145 Milliarden Euro abgebaut. Seither werden wieder neue Schulden auf allen Ebenen – auch auf EU-Ebene, wofür Deutschland zu etwa einem Viertel haftet – aufgenommen. Und auch das treibt natürlich die Zinslast in die Höhe.
Der Zins ist die kritische Größe für das Verschuldungskarussell. Solange er niedrig ist, dreht es sich relativ problemlos. Klettert der Zins jedoch in die Höhe, droht Ungemach, vor allem wenn der Staat bereits hoch verschuldet ist. Müßte Deutschland sich beispielsweise mit einem Zins von drei Prozent refinanzieren, würden die Zinskosten bei derzeitigem Schuldenstand auf knapp 81 Milliarden Euro pro Jahr in die Höhe steigen, bei einem Zins von fünf Prozent auf 135 Milliarden Euro.
Entsprechend stiege der Anteil in den öffentlichen Haushalten, der für Zinszahlungen ausgegeben werden muß. Und diese Steuergelder stehen dann nicht für andere Ausgaben (Infrastruktur, Verteidigung, Soziales, Bildung) zur Verfügung. Die im März noch vom alten Bundestag auf den Weg gebrachte zusätzliche Neuverschuldungsoption von einer Billion Euro durch die Entschärfung der Schuldenbremse im Grundgesetz dramatisiert das Zinskostenproblem weiter.
Bundesrechnungshof warnt vor Neuverschuldung
„Ab dem Jahr 2028 werden sich die für den höheren Schuldenstand anfallenden Zinsausgaben schlagartig bemerkbar machen. Bereits im Jahr 2029 werden die Zinsausgaben im Vergleich zu dem Jahr 2025 doppelt so hoch liegen. Das bedeutet gemäß der Eckwerteplanung für den Bundeshaushalt Zinsausgaben von 62 Milliarden Euro“, warnt der Bundesrechnungshof. Und in drei Jahren müsse der Bund „ferner mit der Tilgung der Notlagenkredite beginnen. Dies bedeutet für den Bundeshaushalt jährliche Ausgaben von bis zu elf Milliarden Euro“.
Bei all dem ist zudem zu bedenken, daß die deutsche Wirtschaft kaum mehr wächst. Ihr Trendwachstum wird auf nur 0,4 Prozent pro Jahr geschätzt; und seit 2023 befindet sie sich sogar in einer Rezession. Das jährliche Wirtschaftswachstum reicht also schon jetzt nicht mehr aus, die jährlichen Zinszahlungen auf die öffentliche Verschuldung und die „Sondervermögen“ zu erwirtschaften.Damit befinden sich die deutschen Staatsfinanzen in einer prekären Lage, weil die Politik keinerlei Anstrengungen unternimmt, die Neuverschuldung einzuhegen, sie sogar aus dem Ruder laufen läßt.
Anleihekäufe werden die Euro-Geldmenge anschwellen lassen
Die Franzosen bekommen bereits zu spüren, daß die Investoren und Ratingagenturen die Kreditqualität der Grande Nation anzweifeln: Die Zinsaufschläge, die Frankreich im Vergleich zu Deutschland zu zahlen hat, weiten sich dramatisch aus. Frankreich ist mit seinen Schulden von 3,3 Billionen Euro (114 Prozent des BIP) und einer Neuverschuldung von mehr als sechs Prozent des BIP längst zum Problemfall Nummer eins im Euroraum geworden.
Dies dürfte bald die EZB auf den Plan rufen. Der politische Druck, die Zinsen weiter abzusenken und wieder in die Kapitalmärkte einzugreifen, wird steigen: also Staatsanleihen aufkaufen, um dadurch die Kurse der Schuldpapiere in die Höhe und entsprechend ihre Rendite in die Tiefe zu befördern. Doch dies wird die Euro-Geldmenge anschwellen lassen, und das wiederum wird sich in erhöhter Inflation im Euroraum entladen.
Auch die Sparzinsen in inflationsbereinigter Rechnung gehen wieder in den Negativbereich, führen zu einer Entwertung der Ersparnisse. Daß der Bundesrechnungshof die Bundesregierung tadelt, ist mehr als begründet. Denn bekommt Deutschland seine Staatsfinanzen nicht in den Griff, brechen alle Dämme, der Euroraum wird dann unrettbar zur Hochinflationsunion.