Die europäische Tradition des (Neu-)Heidentums basiert auf Überlieferungen und Lehren, die über Jahrtausende hinweg in Mythen und Sagen durch die Generationen weitergegeben wurden. Selbst die Christen haben manche jahreszeitlich bedingte Rituale übernommen, bei denen es sich um Relikte religiöser Feste aus keltischer und germanischer Zeit handelt. Viele kennen auch heute noch die Kraftplätze, geomantischen Linien, Hünengräber, heiligen Hügel, Menhire etc. Das Erwachen dieser alten spirituellen Traditionen führte allerdings in Deutschland – und nur hier – zu dem unberechtigten Vorwurf einer angeblichen Verbindung zwischen Heidentum/Esoterik und Nationalsozialismus. In einem von den „Naturfreunden“ und dem DGB-Arbeitskreis „Arbeit und Leben“ am 22./23. September in Fulda veranstalteten Wochenendseminar mit dem programmatischen Titel „Wotans Erben – Esoterik und Neue Rechte“ will sich die antifaschistische Linke nun zum wiederholten Mal dieses Themenkomplexes annehmen. Auch diesmal werden die angebotenen Erkenntnisse weder neu noch besonders aufregend sein, fügen sich aber recht gut in die allgemeine Hysterie über „Rechtsextremismus“ und die Hexenjagd auf vermeintliche und echte Rechte ein. Zu tief sitzen die Vorurteile und zu gering sind die Kenntnisse. Tatsächlich begann die Germanenrenaissance bereits Ende des 18. Jahrhunderts, beschränkte sich jedoch bis weit in das 19. Jahrhundert hinein auf kleinere Kreise Gebildeter. Selbst die „Völkischen“, unter denen esoterische Strömungen zunehmend Anklang und Verbreitung fanden, waren keineswegs eine genuin rechte Bewegung, sondern ein vielfältiges und buntes Gebilde. Im Kaiserreich niemals recht ernst genommen, verfolgten ihre Bände, Orden und Zirkel, die es nie zu einer gemeinsamen Organisation brachten, höchst unterschiedliche Ziele. Eine gemeinsame Richtung war kaum erkennbar. Nach der Machtergreifung des Nationalsozialismus erhofften sich ihre Repräsentanten zwar eine bessere Behandlung, sie wurden jedoch schon bald bitter enttäuscht. Völkische Sektierer wurden rigoros aus der Partei entfernt, weil Hitler jeder Konfrontation mit den beiden großen Kirchen aus dem Weg gehen wollte. Nach dem Konkordat mit dem Vatikan im Jahre 1933 wurden fast alle okkulten und heidnischen Gruppen verboten, einige ihrer Führer wanderten nach Dachau oder Bergen-Belsen. Auch auf politischer Ebene fanden die esoterischen Bemühungen von Alfred Rosenberg, Rudolf Heß und Heinrich Himmler kaum Widerhall, was diese nicht daran hinderte, ihre Pläne wie die Suche nach dem Heiligen Gral, der Bundeslade, dem Speer des Schicksals, der Vril-Kraft oder die Wewelsburg-Riten fortzuführen. Für Hitler waren sie jedoch allesamt „spinnerige Jenseitsapostel“, und ihren unerschütterlichen Glauben an die Kraft der Externsteine als Sitz der Götter kommentierte er mit höhnischen Bemerkungen. Mit seiner Verachtung für den „Saustall“ der alten Germanen und seiner Liebe für das antike Griechenland hielt er ebenfalls nicht hinter dem Berg. Die Millionen umfassende Gemeinde der Esoteriker, Paläo-SETI-Forscher, UFOlogen und Parapsychologen, zu der mittlerweile auch immer mehr ernst zu nehmende Wissenschaftler und Autoren gehören, die sich mit diesen Zeiterscheinungen kritisch auseinandersetzen, und all jene Menschen, die sich mit Grenzwissenschaften, magischen Kulten, Geomantie, Spiritualität etc. beschäftigen, werden von linksextremistischen Kreisen mit Rassisten, Neo-Nazis und völkischen Weltverschwörungstheoretikern in einen Topf geworfen. So zählte zum Beispiel der selbsternannte „Antifa-Spezialist“ Jean Cremet auf einer am 18. Januar durch die „Antifa-AG“ der Fachhochschule Frankfurt veranstalteten und vom AStA und dem berüchtigten „Infoladen Exzess“ unterstützten Veranstaltung „Esoterik und die extreme Rechte“ „Verschwörungstheorien, Antisemitismus, Rassismus, Elitedenken und Führerkult neben einem ausgeprägten Irrationalismus“ zu den „prägenden und verbindenden Ideologemen aller Erscheinungen der Esoterik“. Zwar wolle man keine „Sektenjagd“ betreiben, sondern die „Gefahrenmomente“ aufzeigen, „die in der Ausbreitung der Esoterik in der Gesellschaft liegen und die mit den üblichen Formen antifaschistischer Politik nicht wirksam bekämpft werden können“. Den Höhepunkt dieser Hetze von ganz linksaußen bildete jedoch Jutta Ditfurths Machwerk „Entspannt in die Barbarei“, in dem die gesamte Esoterik-Szene unter den Generalverdacht des Rechtsradikalismus gestellt wird, wie zuvor auch schon von René Freund in „Braune Magie. Okkultismus, New Age und Nationalsozialismus“ (Wien, 1996). Zu einer gänzlich anderen Bewertung kommt dagegen die Psychologin und Redakteurin der Zeitschrift Weg und Ziel, Maria Wölfingseder. Sie vergleicht die Esoterik-Bewegung in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung mit der 68er-Bewegung und konstatiert, daß zahlreiche Linke nach den Umwälzungen von 1989 zur Esoterik übergewechselt sind. Wölfingseder definiert Esoterik als „Auswirkung der kapitalistischen Verhältnisse“, die wiederum „das Resultat der Aufklärung“ seien. In der Tat entbehrt die Behauptung, daß die Esoterik-Szene von Konservativen und Rechten unterwandert würde, zwar jeglicher Plausibilität und Realität, aber bei ihrer angeblichen Beweisführung greifen die Antifa-Aufklärer tief hinein in die deutsche Geschichte. Dies beginnt bereits kurz nach der Jahrhundertwende mit den „Kosmikern“, einem esoterischen Gesinnungsverein um Stefan George, Karl Wolfskehl, Alfred Schuler und Ludwig Klages, und setzt sich -wenngleich auch weit weniger feingeistig – ungebrochen fort mit dem 1912 gegründeten „Germanen-Orden“, einer völkischen Gruppierung neuheidnischer Prägung, die sich später in „Thule-Gesellschaft“ umbenannte und der Rudolf von Sebottendorf (Rudolf Glauer) und der Geopolitiker Karl Haushofer agierten. Sebottendorf gründete 1917 die „Vril-Gesellschaft“, die esoterische Studien pflegte und deren Ingenieuren es 1932 gelungen sein soll, eine Flugscheibe zu entwickeln, deren Antrieb allein auf elektromagnetischer Rotation beruhte. Bis zum Kriegsende 1945 konstruierten die „Vril“-Wissenschaftler immer neue und leistungsstärkere Typen, erprobten alternative Energien und Laserstrahlwaffen. Die Öffentlichkeit erfuhr hingegen nur andeutungsweise von den sogenannten V- oder Wunderwaffen, denn die entsprechenden Forschungseinrichtungen waren landesweit unterirdisch angelegt und perfekt getarnt. Karlheinz Zunnecks Werk über „Geheimtechnologien, Wunderwaffen und die irdischen Facetten des UFO-Phänomens“ (Suhl, 1998/99) und die inzwischen verbotenen Bände „Geheimgesellschaften und ihre Macht im 20. Jahrhundert“ (Meppen, 1992 und Playa del Ingles/Gran Canaria, 1995) von Jan van Helsing (Pseudonym) sowie dessen Buch „Unternehmen Aldebaran“, vor allem aber Peter Bahns und Heiner Gehrings äußerst informatives Werk „Der Vril-Mythos“ (Düsseldorf, 1997) knüpfen auch an den ariosophischen, von Jörg Lanz zu Liebenfels gegründeten Orden „Ordo Novi Templi“ (ONT) und die spirituelle „Bruderschaft des Lichts“ der Theosophin Helena P. Blavatsky an und klären den Leser über den Verein „Deutsches Ahnenerbe“ auf, den Heinrich Himmler am 1. Juli 1935 gemeinsam mit dem Vorgeschichtsforscher Hermann Wirth gründete. Neben einer Abteilung für Geophysik, die sich mit der umstrittenen Hohlwelttheorie und der Erforschung des Erdinneren befaßte und in ganz Europa umfassende Höhlenexpeditionen unternahm, wendete sich das „Ahnenerbe“ zunehmend wehrwissenschaftlichen Forschungen zu, scheute aber auch nicht davor zurück, an alte alchemistische, esoterische und grenzwissenschaftliche Bereiche anzuknüpfen, die jenseits etablierter schulwissenschaftlicher Dogmen und der materialistisch-rationalistischen Differenzierung zwischen Geistes- und Naturwissenschaften lagen. Hier spielten vor allem die „Reichsarbeitsgemeinschaft Das Kommende Deutschland“, die wahrscheinlich eine Vorfeldorganisation der „Vril-Gesellschaft“ war, aber auch die Erfinder und Naturwissenschaftler Viktor Schauberger, Nikola Tesla und Karl Schappeller eine wichtige Rolle. Mit der Suche nach der sogenannten „Freien Energie“ beschäftigten sich jedoch auch andere innerhalb des „Ahnenerbes“. So wurden zum Beispiel Expeditionen ausgerüstet, die in Tibet nach jenen Orgon-Akkumulatoren suchen sollten – zu denen man offenbar auch den Heiligen Gral und die Bundeslade zählte -, die Jahre später Wilhelm Reich zu einiger Berühmtheit verhalfen. Der wolgadeutsche Forscher Nicholas Roerich, der fast sein ganzes Leben in Tibet verbrachte, nahm dort magnetische Anomalien, Aberrationen und visuelle Trugbilder wahr, die ihn zu dem Schluß kommen ließen, daß sich hier durch sich verlagernde elektromagnetische Gravitationsfelder verschiedene Zeitepochen überschnitten. Ähnlich wie in der nordischen Mytholgie um Thule und Hyperborea oder im heiligen „Mahabharata“ der Inder und in den Legenden um Atlantis wurde immer wieder von einer geheimnisvollen Urkraft, einer großen, ewigen Energie berichtet, die sowohl mythisches und spirituelles Wissen als auch geheime Technologien umfaßte. Der Psychoanalytiker und Arzt Wilhelm Reich bezeichnete sie als Orgon-Energie, die alten Chinesen als Chi, die Inder als Prana und moderne Physiker als Tachyonen- oder Ätherenergie. Auf einer physikalischen und subatomaren Ebene stellt diese Energie eine unerschöpfliche Kraftquelle dar, die alle Energieprobleme der Menschheit lösen, ja sogar bis heute unheilbare Krankheiten heilen könnte. Belegt sind auch Expeditionen des „Ahnenerbes“ nach Südamerika, wo sich seine Abgesandten mit brasilianischen Indio-Magiern trafen, die angeblich Kontakte zu Außerirdischen hatten – so schildert es jedenfalls der Autor René Coudris in seinem Buch „Die Botschaft von Roswell“ (München, 1996), in dem ansonsten allerdings ziemlich gewagte Spekulationen überwiegen. Es mögen diese Verwicklungen okkulter völkischer und nationalsozialistischer Gruppen und offizieller Stellen des Dritten Reiches in diverse Grenzwissenschaften sein, die manche Beobachter der Esoterik-Szene mißtrauisch werden lassen. Gerechtfertigt ist ein solches Mißtrauen heute jedoch nicht mehr, denn in der Tat fühlen sich immer mehr Menschen – unabhängig von ihrer politischen Couleur – von alten Mythen, Kulten und Riten fasziniert und in ihrem Innersten angesprochen. Die tiefenpsychologisch fundierten Interpretationen eröffnen dem modernen Menschen den Zugang zu einer zeitlosen archetypischen Dimension und lassen ihn im Idealfall in eine zauberhaft-magische Bilderwelt eindringen. Der archetypisch-psychologische Gehalt dieser Bilderwelt ist in den Schöpfungsmythen, Stammesriten und Jenseitsreisen der amazonischen Kashinawa-Indianer ebenso allgegenwärtig wie in den auditiven, visuellen, räumlichen und zeitlichen Wahrnehmungen des afrikanisch-haitianischen Voodoo-Kultes, in der kubanischen Santeria,die das integrale Bewußtsein ausschaltet, um zu einer immer schnelleren Abfolge und Überlagerung von Körpergefühlen, Bildmotiven und Tönen zu gelangen, in der brasilianischen Macumba oder den geheimnisvollen Riten der zentralafrikanischen Dogon – ein Stamm, der über die Komplexität des Kosmos besser informiert ist als die allermeisten Wissenschaftler, die sich mit dieser Materie befassen. So schlüsseln sich auch die Mythen auf einer körperlich-sinnlich erfahrbaren Ebene auf, wenn die Konturen der Objektwelt sich auflösen, um sich zu geometrischen Mustern zu formen. Ob es sich zum Beispiel bei UFOs um ein echtes Phänomen handelt oder nicht, war für C.G. Jung, Freuds berühmtesten Schüler, keineswegs ausschlaggebend. Für ihn bedeuteten sie ein echtes religiöses Erlebnis, er sah in ihnen das kreisrunde Auge Gottes. Nach seiner Anschauung sind die weltweiten Erzählungen über UFO-Sichtungen Beweise für das Symptom einer universalen, psychologischen Disposition, die Vision eines archetypischen Abbildes der göttlichen Ganzheit. Der Vorwurf einer angeblichen Unterwanderung der Esoterik-Szene durch Konservative und Rechte ist ebenso abwegig wie denunziatorisch. Warum eigentlich sollte sie sich nicht für Spiritualität, Parapsycholgie oder andere Grenzwissenschaften interessieren dürfen? Man braucht auch keineswegs dubiosen Weltverschwörungstheorien anzuhängen, um die Beschäftigung mit dem Atlantis-Thema, der Vril-Theorie, alten magischen Kultstätten oder der mystischen Wissenschaft der Geomantie als spannend und bereichernd zu empfinden. Aber während Jutta Ditfurth bereits den Dalai Lama als „Neuen Rechten“ geoutet hat , was man ja noch mit einem Schmunzeln goutieren könnte, ist die flehentliche Bitte eines Lesers der Zeitschrift Tattva Viveka an „die Linke“, sich doch gefälligst für Runen, Geomantie, Heidentum etc. zu interessieren, damit die Rechte nicht die Definitionsmacht über diese Thematik erlange, an Lächerlichkeit kaum noch zu überbieten. Auch an derartigen Absurditäten spüren wir aber, daß die Zeit reif ist für die Suche nach einer neuen Beziehung zu Gott, einer ganzheitlichen Ethik und einer erlebbaren Spiritualität. Der göttliche Kern in der menschlichen Seele wartet auf seine Befreiung. Es ist der Archetypus einer höheren Macht, der die Menschen berührt.