BERLIN. Die SPD-Bundestagsfraktion hält ungeachtet anhaltender Kritik an der Verfassungsrichterkandidatin Frauke Brosius-Gersdorf fest. Das hat die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sonja Eichwede nun bekräftigt. Sie sehe „momentan keine Gründe, irgendwie davon abzuweichen“, sagte die für Innen- und Rechtspolitik zuständige Abgeordnete im Gespräch mit dem Portal Table.Today.
Brosius-Gersdorf sei eine „herausragende Wissenschaftlerin“, betonte Eichwede. Die Nominierung sei in Abstimmung mit der Unionsspitze erfolgt. Im Verfassungsrichterwahlausschuß sei zudem bereits die notwendige Zweidrittelmehrheit erzielt worden. Für die SPD bestehe daher kein Anlaß, von der einmal getroffenen Entscheidung abzurücken.
Besonders hob Eichwede den Auftritt der Juristin in der Sendung Markus Lanz hervor. Dort habe Brosius-Gersdorf „dargelegt, was für einem hohen wissenschaftlichen Standard sie quasi nachgeht“, wie sie Konflikte differenziert betrachte und juristisch einordne. Dies zeige, daß es sich um eine „hochqualifizierte Person für das entsprechende Amt“ handle.
SPD will wieder „vernünftig“ mit Union arbeiten
Eichwede zeigte sich zugleich irritiert über das Verhalten der Union. Die Personalie sei bereits vor Wochen einvernehmlich zwischen den Fraktionsspitzen abgestimmt worden. Daß CDU und CSU nun in letzter Minute ausscherten, habe das Vertrauen belastet. „Wir müssen grundlegend über die Art und Weise unserer Zusammenarbeit reden“, sagte die SPD-Politikerin. Die Bundesregierung müsse Verläßlichkeit ausstrahlen – das erwarte auch die Bevölkerung.

Gleichzeitig äußerte Eichwede die Hoffnung, zur „vernünftigen Arbeit“ mit der Union zurückkehren zu können. Die CDU sei „normalerweise nicht dafür bekannt, auf Kampagnen hereinzufallen“. Trotzdem sei ein Gespräch über gemeinsame Prinzipien notwendig. Denn politische Stabilität bedeute nicht nur Kompromißsuche, sondern auch: getroffene Vereinbarungen einzuhalten.
Brosius-Gersdorf will sich nicht zurückziehen
Die Kandidatin war zuletzt wegen ihrer Positionen zu Abtreibung, Impfpflicht, Kopftuch im Rechtsdienst und eines möglichen AfD-Verbots parteiübergreifend in die Kritik geraten. Zusätzlich belasten Plagiatsvorwürfe ihre Bewerbung. Ein von ihr selbst beauftragtes Gutachten hatte diese zuletzt zurückgewiesen.
Die Wahl Brosius-Gersdorfs war am vergangenen Freitag im Bundestag überraschend abgesagt worden. Die Unionsfraktion hatte ihre Unterstützung verweigert, wodurch die nötige Zweidrittelmehrheit gefährdet war. CDU und CSU begründeten den Rückzieher offiziell mit den Plagiatshinweisen, sprechen hinter den Kulissen jedoch auch von „politischer Untragbarkeit“.
Brosius-Gersdorf selbst zeigt bislang keine Rückzugsabsicht. In einer schriftlichen Stellungnahme sowie in der Talkshow betonte sie, es gehe „nicht mehr nur um mich, es geht auch darum, wenn sich solche Kampagnen durchsetzen“. Entscheidend sei, ob ihre Kandidatur dem Bundesverfassungsgericht oder der Demokratie schade. Andernfalls wolle sie nicht weichen.
Chef der Bischofskonferenz unterstützt Brosius-Gersdorf
Rückendeckung erhält die Kandidatin auch vom Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing. „Diese Frau hat es nicht verdient, so beschädigt zu werden“, sagte er der Augsburger Allgemeinen. Brosius-Gersdorf hätte am Freitag gemeinsam mit zwei weiteren Kandidaten gewählt werden sollen. Die Abstimmung wurde jedoch gestrichen, da die Unionsführung ihre Zustimmung zurückzog – unter anderem wegen Kritik an ihrer Haltung zu Abtreibungen.
Bätzing warnte davor, die derzeitige Regelung in Frage zu stellen. Paragraph 218a bedeute eine „kluge Balance“, die man nicht leichtfertig aufgeben solle. Wer das tue, riskiere eine gesellschaftliche Spaltung. Die Debatte sei „schiefgelaufen“, viele Beteiligte seien beschädigt worden. Ein Kulturkampf helfe niemandem, sagte Bätzing. „Es gibt zu viele Profiteure davon.“ (sv)