Sechs Milliarden Euro kostete die Maskenbeschaffung während der Corona-Pandemie – viele der gelieferten Produkte wurden nie verwendet, waren mangelhaft oder mußten vernichtet werden. Ein interner Bericht aus dem Bundesgesundheitsministerium räumt Versäumnisse ein, distanziert sich aber zugleich von der eigenen Sonderbeauftragten Margaretha Sudhof. Christdemokrat Jens Spahn, unter dessen Verantwortung ein Großteil der Verträge geschlossen wurde, wurde von Sozialdemokratin Sudhof nicht befragt.
Mit einem Untersuchungsausschuß könnte sich das ändern. Er hätte das Recht, Zeugen zu laden, Akten beizuziehen, Beweisanträge zu stellen – und Antworten rechtlich zu erzwingen. Doch ein solcher Ausschuß kommt nicht zustande. Statt dessen haben Union und SPD eine Enquete-Kommission eingesetzt. Ihr Mandat: Empfehlungen für künftiges Regierungshandeln. Keine Befragungspflichten, keine Erzwingungsrechte, keine unmittelbaren Konsequenzen.
Opposition will den Untersuchungsausschuß
Das sorgt in der Opposition für Kritik. Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge warf Bundeskanzler Friedrich Merz im Bundestag vor, die Aufklärung zu blockieren. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß sei nicht durchzusetzen, „aber mit neun Stimmen von der Union wäre das locker möglich“. Sie appellierte an die Regierung, sich nicht wegzuducken.
Zuvor hatte sich bereits die Linkspartei für einen Untersuchungsausschuß ausgesprochen. Fraktionschefin Heidi Reichinnek warnte, SPD und Union würden der Demokratie „größten Schaden“ zufügen, sollten sie eine Untersuchung verhindern. Bereits zuvor hatte sich Merz in der ARD-Sendung „Maischberger“ zur Affäre geäußert. Er kritisierte die interne Untersuchung durch Sudhof als nicht rechtsstaatlich – Spahn sei nicht einmal angehört worden. „Wenn das nicht passiert, dann ist die Intention dieser Aktion doch offensichtlich.“

Damit machte der Kanzler deutlich, daß die Regierung eine parlamentarische Untersuchung nicht nur ablehnt – sondern auch verhindern kann. Formal liegt die Hürde für einen Untersuchungsausschuß bei einem Viertel der Abgeordneten. Rechnerisch bräuchten Grüne und Linkspartei dafür acht Stimmen mehr. Diese könnten sie aus dem Kreis fraktionsloser Abgeordneter oder von der AfD bekommen. Deren gesundheitspolitischer Sprecher Martin Sichert erklärte auf Anfrage der jungen freiheit, seine Fraktion werde jeder Form parlamentarischer Aufarbeitung zustimmen – „ganz gleich, von wem sie initiiert“ werde.
AfD und Grüne trennt mehr als die Brandmauer
Doch eine solche Allianz ist nicht in Sicht. Während sich Grüne und Linkspartei öffentlich für Aufklärung stark machen, gehen sie dem Angebot der AfD demonstrativ aus dem Weg. Reichinnek und Dröge erwähnten die Partei nicht – weder im Bundestag noch auf Nachfrage der JUNGEN FREIHEIT. Auch schriftliche Anfragen ließen beide unbeantwortet.
Die Absage an eine Kooperation folgt dabei nicht nur ideologischen Linien. Auch inhaltlich liegen die Oppositionsparteien weit auseinander: Während die Grünen während der Pandemie nahezu alle staatlichen Maßnahmen mittrugen und teils sogar verschärfen wollten, zählte die AfD zu den entschiedenen Gegnern der Corona-Politik. Gemeinsame Verantwortungsklärung ist unter diesen Voraussetzungen schwer möglich. Damit ist klar: Ein Untersuchungsausschuß kommt derzeit nur zustande, wenn die Regierungsfraktionen zustimmen – oder wenn ihre Abgeordneten in größerer Zahl ausscheren.
Ein Untersuchungsausschuß ist keine eierlegende Wollmilchsau
So wird ein Minderheitenrecht zur Mehrheitssache. Zwar garantiert Artikel 44 des Grundgesetzes das Recht, einen Untersuchungsausschuß durch ein Viertel der Abgeordneten einzusetzen. Doch das Verfahren ist politisch kontrollierbar. Der Untersuchungsauftrag – also das, was genau aufgeklärt werden soll – muß von der Mehrheit im Bundestag beschlossen werden. Unliebsame Formulierungen können so gestrichen, Anträge verwässert oder nachträglich umgedeutet werden.
Auch im laufenden Verfahren bleibt die Regierung im Vorteil. Beweisanträge zur Ladung bestimmter Zeugen oder zur Vorlage von Akten bedürfen nur eines Viertels der Ausschußmitglieder. Doch über deren Zulassung entscheidet wiederum die Mehrheit. Oppositionelle Aufklärungsarbeit kann so blockiert oder verschleppt werden, ohne das Verfahren formal zu beenden. Zusätzlich erlaubt das Untersuchungsausschußgesetz der Bundesregierung, Akten ganz oder teilweise zurückzuhalten – sofern sie Geheimhaltungsinteressen geltend macht. Auch dieser Spielraum wird regelmäßig genutzt.
Der Untersuchungsausschuß bleibt damit eine Konstruktion mit eingebauter Bremse: Ein Viertel darf ihn einsetzen – aber die Mehrheit bestimmt, wohin er fährt, welche Ladung aufgenommen wird und wo die Fahrt endet.
„Ich stelle mich der Verantwortung“, sagt Spahn
Am Ende hängt die Kontrolle der Regierung von jener Mehrheit ab, die sie trägt. Die Brandmauer, mit der sich die „demokratischen Parteien“ der „politischen Mitte“ von der AfD abgrenzen, blockiert so nicht nur mögliche Allianzen. Sie schützt in der gegenwärtigen Konstellation auch die Regierung vor parlamentarischer Kontrolle. Ein Untersuchungsausschuß zur Maskenaffäre kommt nur zustande, wenn Union und SPD ihn selbst wollen. Sie haben sich dagegen entschieden.
Statt dessen setzten sie unlängst eine Enquete-Kommission ein. Der Vorschlag kam aus den Koalitionsfraktionen. Ziel sei, aus den Erfahrungen der Pandemie langfristige Lehren zu ziehen. Unionsfraktionschef Spahn begrüßte das Format. Es gehe darum, künftig besser vorbereitet zu sein: „Ich stelle mich der Verantwortung und der Debatte: jeden Tag, seit fünf Jahren.“
Die Frage, was trotz aller Bemühungen besser hätte laufen können, werde ihn für immer begleiten – „allein schon, weil ich sie mir selbst ständig stelle“. Wohl auch, weil es im 21. Deutschen Bundestag keine abschließende Aufklärung seiner Amtsführung geben wird – wie in keinem einzigen Fall, den die Regierung nicht selbst freiwillig zur Untersuchung freigibt.