Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die AfD nun ausweislich einer Pressemitteilung vom 2. Mai 2025 bundesweit als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft und begründet dies mit der „die Menschenwürde mißachtenden, extremistischen Prägung der Gesamtpartei“. Eine Überraschung ist dies freilich nicht, niemand hätte mit einem anderen Ergebnis gerechnet. Denn obwohl speziell die Bundesinnenministerin (ausweislich eines Berichts in der Welt) die vermeintliche Eigenständigkeit der Begutachtung der Partei durch die Verfassungsschutzbehörde und die Abwesenheit politischer Beeinflussung behauptet, ist das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) selbstverständlich keine unabhängige, wissenschaftlich arbeitende Stelle und schon gar kein Gericht, sondern eine dem Bundesinnenministerium nachgeordnete Bundesbehörde.
Es war daher in der derzeitigen politischen Situation, da sich die etablierten Parteien in einer Art „Endkampf“ mit der AfD wähnen, diese bei Umfragen immer wieder stärker ist als selbst die Union und das Ansehen von Union und SPD durch den jüngsten Regierungsbildungsprozeß auch nicht eben gefördert worden ist, politisch kein anderes Ergebnis möglich, auch wenn die Verfassungsschutzbehörde natürlich verpflichtet ist, das Ergebnis irgendwie in der Sache zu begründen.
Das entscheidende Gutachten ist geheim
Das Bundesamt für Verfassungsschutz behauptet daher: „Zu diesem Schluß kommt das BfV nach intensiver und umfassender gutachterlicher Prüfung. Dem gesetzlichen Auftrag folgend hatte das BfV das Agieren der Partei an den zentralen Grundprinzipien der Verfassung zu messen: Menschenwürde, Demokratieprinzip und Rechtsstaatsprinzip. Dabei wurden neben der Programmatik und den Verlautbarungen der Bundespartei insbesondere die Äußerungen und sonstigen Verhaltensweisen ihrer Repräsentantinnen und Repräsentanten sowie ihre Verbindungen zu rechtsextremistischen Akteuren und Gruppierungen betrachtet.“
Was dabei – angeblich – herausgekommen ist, faßt die Behörde so zusammen: „Wir sind zu der Überzeugung gelangt, daß es sich bei der Alternative für Deutschland um eine gesichert rechtsextremistische Bestrebung handelt. Dieser Befund fußt auf einer äußerst sorgfältigen gutachterlichen Prüfung, die einen Zeitraum von rund drei Jahren umfaßt. Wir haben dabei eine Vielzahl von Aussagen und Positionen hochrangiger Parteivertreter aus dem gesamten Bundesgebiet berücksichtigt und auch neueste organisatorische Entwicklungen mit in das Gutachten einbezogen. Maßgeblich für unsere Bewertung ist das die AfD prägende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis, das ganze Bevölkerungsgruppen in Deutschland abwertet und in ihrer Menschenwürde verletzt. Dieses Volksverständnis konkretisiert sich in einer insgesamt migranten- und muslimfeindlichen Haltung der Partei.“
Bei dem rein internen Gutachten – dem Vernehmen nach ist es 1.110 Seiten dick und soll ausdrücklich nicht veröffentlicht werden, was überhaupt erst eine sachbezogene Diskussion seiner Inhalte ermöglichen würde – handelt es sich zunächst um eine behördeninterne Einschätzung.
Was folgt daraus für AfD-Mitglieder?
Maßnahmen, die mit Eingriffen in individuelle Grundrechte verbunden sind, wie beispielsweise das Abhören von Telefongesprächen, sind entgegen einer teilweise verbreiteten Ansicht nicht bereits aufgrund der behördeninternen Einstufung als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“, sondern nur unter den weiteren Voraussetzungen möglich, die etwa im G-10-Gesetz geregelt sind (arg. ex § 8 Abs. 2 Satz 2 BVerfSchG). Es müßte dafür also der Verdacht auf gravierende Straftaten bestehen.
Ob sich die Behörden jedoch penibel an die gesetzlichen Regeln halten, kann hier nicht beurteilt werden. Die Behandlung der AfD-Fraktionen in den Landtagen und im Bundestag hat nicht unbedingt von einer merklichen Bereitschaft der politischen Konkurrenz zur Regelbefolgung gezeugt. Man wähnt sich eben teils in einer Art „übergesetzlichem Niewieder“.
Ein grundsätzliches Problem ergibt sich auch für Beamte in den Reihen der AfD. Denn obwohl die bloße Mitgliedschaft in einer nicht verbotenen Partei keine dienstrechtlichen Konsequenzen haben kann, soll sie doch „Zweifel“ an der Verfassungstreue eines Beamten begründen können, die dann – weil Disziplinarmaßnahmen bis hin zur Entfernung aus dem Dienst natürlich einer einzelfallbezogenen Begründung bedürfen – Anlaß zu ausgiebigen Nachforschungen sein mögen.
Mit einem Verbotsverfahren hat das Gutachten nichts zu tun
Die Möglichkeit der Beobachtung auch von politischen Parteien durch von der politischen Konkurrenz gesteuerte Verfassungsschutzbehörden kollidiert dabei von Anfang an mit dem Parteienprivileg des Grundgesetzes. Denn nach diesem Parteienprivileg sind eigentlich alle politischen Parteien, die das Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungsfeindlich erklärt hat, im Geiste des an den Staat gerichteten Gebots parteipolitischer Neutralität gleich zu behandeln.
Der Zweck der öffentlichen Herabwürdigung einer konkurrierenden Partei besteht offenbar darin, den Bürgern mit Amtsautorität einer vermeintlich objektiven, nur Recht und Gesetz verpflichteten „Höchstbehörde“ (so der ehemalige CDU-Politiker Marco Wanderwitz) die „Unwählbarkeit“ der Partei deutlich zu machen. Aber ob dies nun gelingt, so lange Masseneinwanderung und Deindustrialisierung munter weitergehen?
Mit einem Parteiverbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht hat das behördeninterne, gleichwohl dem Ergebnis nach öffentlich bekanntgemachte Gutachten nichts zu tun. Die dennoch im Gutachten geäußerte Einschätzung der Verfassungsfeindlichkeit (wie es richtigerweise heißen muß; das rein politologische vermeintliche „Kriterium“ des „Extremismus“ spielt im Verfassungsrecht keine Rolle) wird im Falle der AfD seit vielen Jahren schon einigermaßen einseitig auf den zwar nicht von ihr, aber angeblich vielen ihrer Mitglieder verfochtenen „ethno-kulturellen Volksbegriff“ gestützt, der angeblich mit der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes kollidiere.
Der ethno-kulturelle Volksbegriff ist Teil unserer Gesetze
Das verwundert, ist doch der ethno-kulturelle Volksbegriff ohne jeden Zweifel der Volksbegriff der Väter und Mütter des Grundgesetzes gewesen. Denn diese gingen (nicht anders als später Willy Brandt, Rudi Dutschke und auch sonst jeder vor Mitte der 1990er Jahre beziehungsweise vor dem Beginn der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts unter Rot-Grün seit 1999) mit völliger Selbstverständlichkeit davon aus, daß es ein „deutsches Volk“ wirklich gibt – also auch im ontologischen das heißt im seinsmäßigen Sinne und nicht nur im Sinne einer rein rechtlichen und täglich änderbaren Definition – und daß dieses im wesentlichen eine Abstammungsgemeinschaft bildet.
Dieses deutsche Volk tritt im Grundgesetz als verfassungsgebende Gewalt auf (Präambel und Art. 146). Es steht also gewissermaßen über dem Grundgesetz und wird nicht erst von ihm oder den einfachen Bundesgesetzen ins Leben gerufen. Nicht nur das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) hat im letzten Berufungsverfahren zur bundesweiten Einstufung der AfD noch als „Verdachtsfall“ betont, daß das Hochhalten des ethnokulturellen Volksbegriffes als solchem völlig unproblematisch ist.
So geht auch das Grundgesetz selber in Art. 116 davon aus, daß es nicht nur Deutsche kraft Staatsangehörigkeit, sondern auch Deutsche qua Volkszugehörigkeit gibt (so z.B. Rußlanddeutsche).
So regelt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 der sächsischen Verfassung: „Dem Volk des Freistaates Sachsen gehören Bürger deutscher, sorbischer und anderer Volkszugehörigkeit an.“ Hier wird also unter Volkszugehörigkeit etwas anderes verstanden als unter Staatsangehörigkeit, und beides steht gleichberechtigt nebeneinander!
Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 des schleswig-holsteinischen Landeswahlgesetzes sind „Parteien der dänischen Minderheit“ von der 5-Prozent-Klausel befreit (wodurch dem völkerrechtlich gebotenen Schutz nationaler Minderheiten genüge getan wird). Selbstverständlich sind die Dänen in Schleswig-Holstein alles deutsche Staatsbürger, sonst könnten sie nicht wählen und die Frage nach der 5-Prozent-Klausel stellte sich nicht! Also auch hier: Staatsangehörigkeit und Volkszugehörigkeit sind nicht identisch.
Problematisch wäre nur eine unzulässige Verallgemeinerung
Es begründet daher nicht den Verdacht der Verfassungsfeindlichkeit, den Volksbegriff der Väter und Mütter des Grundgesetzes hochzuhalten, zumal dieser grundgesetzlichen wie einfach-gesetzlichen rechtlichen Regelungen zugrundeliegt, was zum Teil sogar völkerrechtlichen Vorgaben geschuldet ist.
Problematisch würde es erst dann, wenn – dies spielte im zweiten NPD-Verbotsverfahren eine Rolle – Deutschen fremdländischer Herkunft pauschal, ohne jede Prüfung des Einzelfalles, die Staatsbürgerschaft allein wegen ihrer Herkunft wieder aberkannt werden sollte.
Daraus folgt umgekehrt aber nicht, daß etwa die Forderung nach Aberkennung der Staatsbürgerschaft in denjenigen Fällen, wo dies gesetzlich vorgesehen ist, oder auch – noch so drastische – Kritik an der Erleichterung des Zugangs zur Staatsbürgerschaft zuletzt durch die Reform im Herbst 2024 unzulässig wären oder irgendwie den Verdacht der „Verfassungsfeindlichkeit“ begründen würden.