„Der größte Erfolg nach dieser schrecklichen Ära unserer Geschichte war es, Adolf Hitler als rechts und konservativ zu bezeichnen. Er war das genaue Gegenteil. Er war nicht konservativ. Er war dieser sozialistisch-kommunistische Typ.“ Diese Sätze von Alice Weidel im Onlinegespräch mit Elon Musk haben für Aufregung und für Empörung gesorgt. Kein Wunder, führen sie doch den „Kampf gegen Rechts“ ad absurdum, dessen historische Wurzel und ideologischer Kern der Antifaschismus ist.
Der wiederum ist genetisch mit der kommunistischen Bewegung verbunden. Der wirkungsmächtigste aller Antifaschisten hieß denn auch Josef Stalin, der als Massenmörder nicht weniger effektiv als sein Widerpart Adolf Hitler war. Dieser simple Zusammenhang wird konsequent verdrängt; er ist der blinde Fleck der antirechten Geistes- und Straßenkämpfer.
Differenzierte Einwände gegen Weidels Einlassung kamen vom Historiker Rainer Zitelmann, dem wohl besten Kenner der Materie. Er konstatierte, daß Hitler ein Sozialist, jedoch kein Kommunist gewesen sei. Der Nationalsozialismus war partikularistisch, national ausgerichtet, während die Kommunisten dem proletarischen Internationalismus huldigten, der den Praxistest freilich nie bestanden hat. Das erlebte schmerzhaft der gestürzte SED-Chef Erich Honecker, der sich nach Moskau geflüchtet hatte und von seinen ehemaligen russischen Klassenbrüdern (und Befehlsgebern) eiskalt an die deutsche Justiz überstellt wurde.
Hat Weidel sich auf Hayek bezogen?
Doch das sind Nebensächlichkeiten, die einen amerikanischen Gesprächspartner kaum interessieren dürften. Wahrscheinlich hat die promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin Alice Weidel sich bei ihren Aussagen auf Friedrich von Hayeks Buch „Der Weg zur Knechtschaft“ gestützt, das der liberale Ökonom 1944 im englischen Exil veröffentlicht hatte. Hayek warnte davor, daß bestimmte Ideen des Nationalsozialismus und Kommunismus sich auch im liberalen Westen ausbreiteten, und zwar in Gestalt kollektivistischer und planwirtschaftlicher Konzepte, die darauf abzielten, wirtschaftliche Aktivitäten unter staatliche Aufsicht zu stellen.
Die Begriffe Nationalsozialismus und Faschismus benutzte Hayek weitgehend synonymisch. Er zitierte britische Auslandskorrespondenten, die in den 1930er Jahren aus ihren Beobachtungen in Kontinentaleuropa den Schluß gezogen hatten, daß der „Marxismus zum Faschismus und zum Nationalsozialismus geführt hat, weil er in allen wesentlichen Punkten Faschismus und Nationalsozialismus zugleich ist“. Der Faschismus sei entstanden, „nachdem der Kommunismus sich als Illusion herausgestellt hat, und er hat sich im Rußland Stalins als eine ebenso große Illusion erwiesen wie im vorhitleristischen Deutschland“. Das kommt den Thesen Ernst Noltes erstaunlich nahe.
Feindbild Liberale
Ein Haupteinwand gegen Weidel lautet, daß Kommunisten und Nationalsozialisten sich gegenseitig als Antipoden betrachteten, sich ihre Gegnerschaft während der Weimarer Republik in bürgerkriegsähnlichen Kämpfen entlud und die Kommunisten ab 1933 mit besonderer Brutalität verfolgt wurden. Hayek: „Es trifft natürlich zu, daß die Kommunisten und Nationalsozialisten oder Faschisten in Deutschland vor 1933 und in Italien vor 1922 häufiger miteinander in Konflikt geraten sind als mit anderen Parteien. Sie warben als Rivalen um die Gunst desselben Menschenmaterials und haßten sich gegenseitig wie Ketzer. Aber ihre Praxis zeigte, welche enge Verwandtschaft zwischen ihnen besteht.“ Unterhalb der politischen Gegnerschaft hätten sie sich klammheimlich respektiert – als „aus dem rechten Holz geschnitzt“ – und den Liberalen alter Schule als ihren gemeinsamen Feind betrachtet.
Natürlich läßt das umfangreiche „Menschenmaterial“ der kommunistischen und NS-Bewegung sich nicht über einen Kamm scheren. Es gab Idealisten, Mitläufer, Opportunisten, Konjunkturritter, Desillusionierte, die zu Widerständlern wurden. Doch der Anteil der ideologischen Fanatiker, der sozial Entwurzelten, der brutal-sadistischen Gewaltmenschen war in beiden Bewegungen besonders groß. Ein ehrenwerter proletarisch-revolutionärer Schriftsteller, der Kommunist Willi Bredel, hat Hayeks Diagnose unfreiwillig bestätigt.
„Einige Jungs sind richtig, die müßten bei uns sein“
Bredel war ab März 1933 im KZ Hamburg-Fuhlsbüttel monatelangen, furchtbaren Quälereien ausgesetzt gewesen. Nach der Entlassung flüchtete er ins Ausland. 1934 erschien in London sein Roman „Die Prüfung“, in dem er die Vorgänge in Fuhlsbüttel schildert, die an Grausamkeit den Praktiken in Stalins Gulag oder dem Pitești-Experiment, das zwischen 1949 und 1952 im kommunistischen Rumänien an politischen Gegnern exekutiert wurde, in nichts nachstanden.
Der Roman enthält ein Gespräch zwischen SS-Männern, die nach einer Prügelorgie ihre Opfer klassifizieren und in dem unmittelbaren Gegner aus der Weimarer „Kampfzeit“, im „sozialistisch-kommunistische(n) Typ“, spiegelbildlich ihresgleichen erkennen: „Einige Jungs sind richtig, die müßten bei uns sein. Solch hohläugiges Tränentier von Juden aber, den müßte man verarschen, bis er krepiert.“ Für die Nationalsozialisten war, so Hayek, „der Jude zur Verkörperung des Kapitalismus geworden“ wie in der Sowjetunion der „Kulak“.
Die flapsige Bemerkung Alice Weidels berührt einen blinden Fleck und einen wunden Punkt.
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