Das Bundesamt für Verfassungsschutz warnt in einer aktuellen Gefährdungsanalyse vor potentiellen Störungen durch fremde Staaten und ausländische Geheimdienste im Vorfeld der Bundestagswahl am 23. Februar 2025. Neben Spionage und Sabotage stehen besonders Cyberangriffe, Hacker-Aktionen, Online-Diskreditierung und KI-gestützte Fake-Videos im Fokus des vergangenen Freitag veröffentlichten Berichts.
Desinformation ist seit Jahren ein Schlagwort in der politischen Auseinandersetzung, und insbesondere die Regierungsparteien warnen regelmäßig vor Falschnachrichten aus dem Ausland, vor allem aus Rußland. Doch die der JF vorliegenden Antworten auf eine Kleine Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion zum „Vorgehen der Bundesregierung gegen Desinformation in den sozialen Netzwerken“ lassen aufhorchen. Denn bis auf die mutmaßlich russische „Doppelgänger-Kampagne“, die vom bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz fehlerhaft aufgearbeitet wurde, kann die Ampel-Koalition keine Desinformationskampagnen staatlicher Akteure konkret benennen.
Zudem kann sie keine genauen Angaben zu möglichen Urhebern, Auswirkungen und Reaktionen machen – weder im Kontext des Ukrainekriegs und des Nahostkonflikts, noch im Kontext der Europawahl und der Corona-Pandemie.
Genaue Beispiele für Desinformationskampagnen fehlen
Trotzdem schreibt das Innenministerium „namens der Bundesregierung“, daß „russische offizielle Stellen, staatliche und staatsnahe Medien sowie Pro-Kreml-Accounts in Sozialen Netzwerken nach wie vor in hohem Maße Desinformation verbreiten“. Zudem hätten während der Corona-Pandemie „russische und chinesische Stellen gezielt falsche oder irreführende Informationen, u. a. über ‘westliche’ Impfstoffe“ veröffentlicht, um „eine Diskreditierung der Reaktionen der Europäischen Union (EU) und ihrer Mitgliedstaaten auf die Corona-Pandemie“ zu bewirken. Auch „im Zuge der terroristischen Angriffe der Hamas auf Israel und der Reaktion Israels auf die Angriffe“ sei eine Zunahme „sowohl von Desinformation als auch von strafbaren Inhalten wie z. B. terroristischer Propaganda festzustellen“.
Welche Akteure explizit was, wo, wie und wann gemacht haben, kann die Bundesregierung allerdings nicht darlegen. Stattdessen betont sie wiederholt: „Eine trennscharfe Unterscheidung einzelner Desinformationskampagnen ist in der Regel nicht möglich.“ Sprich: Nichts Genaues weiß man. Dabei hatte die AfD-Fraktion darum gebeten, „nach Möglichkeit aufzulisten nach Jahr, Name der Desinformationskampagne, Initiator der Desinformationskampagne, möglichen Auswirkungen und Gegenmaßnahmen der Bundesregierung und ihrer nachgeordneten Behörden“.
Zum Teil verweisen die jetzigen Antworten auf die Ausführungen zu einer Kleinen Anfrage mehrerer AfD-Abgeordneter im Juli. Schon damals schrieb die Bundesregierung: „Ausländische Desinformationskampagnen lassen sich in der Regel nicht trennscharf voneinander unterscheiden und konkreten Urhebern, Zeiträumen, Zielgruppen usw. zuordnen.“ Die Reichweite solcher Agitationen in sozialen Medien könnten zudem „nur die jeweiligen Plattform-Betreiber präzise ermitteln“. Dementsprechend könne „die Bundesregierung keine Aussagen zu Auswirkungen und Schaden einzelner Kampagnen treffen.“
Über 31 Millionen Euro an Fördergeldern
In ihrer Antwort auf die jetzige Kleine Anfrage gibt die Ampel-Regierung allerdings an, sich innerhalb der Legislaturperiode mehrmals mit Vertretern diverser Tech-Unternehmen wie TikTok, Meta, Youtube, Google und X getroffen zu haben – auch wenn „eine lückenlose Auflistung von diesen Kontakten, den Umständen ihres Zustandekommens, allen Beteiligten und des Zweckes etwaiger Gespräche“ nicht geleistet werden könne. Dabei ging es neben dem Digital Services Act und Haßkriminalität auch um hybride Bedrohungsszenarien. Gleichzeitig fördert die Bundesregierung „mehrere Forschungsprojekte, die Desinformation analysieren“, mit mehr als 31 Millionen Euro, wie aus der Antwort der Bundesregierung hervorgeht. Zusätzlich plane der Digital-Services-Coordinator bei der Bundesnetzagentur „mit Blick auf die Bundestagswahl 2025“ gemeinsame Gespräche mit der EU-Kommission und den sehr großen Online-Plattformen.
Doch weder verbindliche Absprachen noch detaillierte Erkenntnisse zu staatlichen Desinformationskampangen konnten dabei gewonnen werden, obwohl diese vermeintlich ein so großes Problem darstellen. Auch juristisch wurde bisher niemand verfolgt, heißt es in der Antwort auf die AfD-Anfrage. Für den medienpolitischen Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Martin Erwin Renner, jagt man „einen imaginären Geist“.
Er übt scharfe Kritik: „Trotz dieses enormen Aufwands ist die Bundesregierung nicht in der Lage, die insbesondere in sozialen Medien angeblich allgegenwärtige Bedrohungslage durch Desinformationskampagnen zu konkretisieren.“ Für Renner erhärtet sich der Verdacht, „daß hier nur ein Vorwand gesucht wird, um immer weitreichendere Zensurmaßnahmen im Netz zu rechtfertigen. Und zwar nicht nur seitens der Bundesregierung, sondern auch auf EU-Ebene, wie durch den unsäglichen Digital Services Act bewiesen“. Auf diese Weise werde „jede Häufung kritischer Meinungsäußerungen zur angeblichen ‘Desinformationskampagne’ verklärt und als solche bekämpft“. Es sei kein Zufall, „daß dieses Phänomen nach Lesart der Bundesregierung ausgerechnet zur Corona-Pandemie, zu EU- oder Bundestagswahlen oder zum Ukraine- oder Nahostkonflikt verstärkt aufgetreten ist“.