BERLIN. Zwischen Januar und September 2024 sind etwa 61 Prozent aller geplanten Abschiebungen in Deutschland gescheitert. Von mehr als 38.000 geplanten Abschiebungen scheiterten demnach fast 24.000, wie die Bundesregierung auf eine Anfrage von BSW-Chefin Sahra Wagenknecht antwortete, die der Neuen Osnabrücker Zeitung vorliegt.
Häufige Gründe für das Scheitern von Abschiebungen sind demnach das Untertauchen von abgelehnten Asylbewerbern, die Untersagung einer Abschiebung durch ein Gericht oder Probleme bei der Durchführung von Abschiebeflügen. 2023 scheiterten zwölf Prozent aller Rückführungen daran, daß die betroffenen Personen untertauchten, berichtete der WDR. Das entspricht beinahe 7.000 Personen, die im vergangenen Jahr untertauchten.
Im Januar 2024 verabschiedete der Bundestag ein Rückführungsverbesserungsgesetz, um eine „Abschiebeoffensive“ zu starten. Dabei werde erwartet, daß sich die Zahl der Abschiebungen um etwa fünf Prozent steigern werde, hieß es im Gesetzesentwurf. Insbesondere wurde der Bundespolizei mehr Kompetenz zugeteilt. Auch die Haftmöglichkeiten für Abschiebepflichtige wurden verlängert.
Im Vergleich zu den Jahren 2023 und 2022 hat sich der Prozentsatz der durchgeführten Rückführungen tatsächlich leicht erhöht. Scheiterten im vergangenen Jahr noch mehr als 65 Prozent aller Abschiebungen, waren es 2022 etwa 64 Prozent. 2021 scheiterten etwa 61 Prozent aller Rückführungen.
Gewerkschaft der Polizei fordert Änderungen
Um Abschiebungen zu erleichtern, verlangte die Gewerkschaft der Polizei vergangene Woche eine verpflichtende Anwesenheitserfassung von Asylunterkünften. Diese Angaben müßten tagesaktuell sein, damit Ausweisungen gelingen, schlug der Berliner GdP-Landeschef Stephan Weh gegenüber der dpa vor.
Zudem sollten Abschiebekandidaten nicht weiterhin vor ihrer bevorstehenden Abschiebung gewarnt werden. Dieses „Frühwarnsystem“ verhindere erfolgreiche Rücküberführungen, sagte Weh.
Solinger Attentäter tauchte unter
Im August wies die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen die Bundespolizei an, Abschiebungen zu unterbrechen, falls sich der Abzuschiebende widersetze. „Wenn der Betroffene versucht, sich der Abschiebung zu widersetzen (aktiver/passiver Widerstand), kann dieser auf freien Fuß gesetzt werden und eigenständig zu der ihm zugewiesenen Unterkunft zurückreisen“, hieß es in einem Brief der Landesaufnahmestelle Niedersachsen.
Auch der Attentäter von Solingen machte sich derartige Gesetzeslücken zunutze. Nachdem sein 2022 gestellter Asylantrag abgelehnt worden war, tauchte der spätere Dreifachmörder unter und meldete sich erst ein halbes Jahr später erneut bei den Behörden. Da die sogenannte Überstellfrist, innerhalb der er außer Landes gebracht hätte werden müssen, abgelaufen war, wurde ihm ein „subsidiärer Schutzstatus“ ausgestellt.
Wagenknecht kritisiert Ampel-Regierung
Wagenknecht warf der Bundesregierung vor, beim Thema Abschiebungen „Wortbruch“ begangen zu haben. „Er hat vor einem Jahr vollmundig versprochen, daß endlich wieder Recht und Gesetz gelten und Ausreisepflichtige konsequent abgeschoben werden. Herausgekommen ist eine Luftnummer“, sagte sie mit Blick auf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Daß selbst Straftäter „oft genug im Land“ blieben, sei „empörend“.
Aktuell kämen Jahr für Jahr fast zehnmal so viele nicht-schutzbedürftige Personen ins Land, wie ausreisepflichtige Personen abgeschoben würden. „Dieses Mißverhältnis ist der Inbegriff der unkontrollierten Migration, die viele Probleme in unserem Land – vom Wohnungsmangel bis zu überforderten Schulen – immer weiter verschärft“, betonte Wagenknecht. (lb)