Pfefferkuchen, Stollen und anderes Weihnachtsgebäck füllen seit dem Ausklang des Sommers die Supermarktregale. Auch die ersten Weihnachts- oder Christkindlmärkte haben bereits seit Wochen geöffnet. In Frankfurt am Main beispielsweise seit Ende Oktober der „CityXmas“, dessen Veranstalter seit 2017 mit „zwei Monaten Weihnachtsmarkt“ in der Einkaufsstraße Zeil werben. Noch früher war das Bayreuther Winterdorf (seit 14. Oktober) dran, aber der dortige Budenzauber wirbt wenigstens nicht mit dem Christkind, sondern mit „Alpenflair und Hüttenfeeling“.
Seit deutsche Politiker dem Klimawandel frönen, gibt es keinen Herbst mehr, und der Sommer geht übergangslos in das Weihnachtsfest über. Am Potsdamer Platz in Berlin beispielsweise verwandelt sich die „Winterwelt“ (seit 28. Oktober) einfach ab dem 27. November in den „Weihnachtsmarkt“. Und wer dem zunehmenden Bevölkerungswandel in Deutschland Respekt zollt, nennt das Ganze einfach Wintermarkt oder Winterzauber. In Berlin-Lichtenberg lockt so schon jetzt der Weihnachtsrummel „Berliner Winterzauber“ Neugierige an.
In Köln hat der Nikolausmarkt auf dem Rudolfmarkt bereits am 20. November eröffnet. Drei Tage früher ging es in Essen los, wo sich der „Internationale Weihnachtsmarkt“ über die ganze Innenstadt erstreckt. Die Duisburger haben ihren großen Weihnachtsmarkt am 16. November gestartet. In Darmstadt und Saarbrücken weihnachtet es ab dem 20. November, in Bochum, Düsseldorf und Erfurt ab dem 23. und in Bonn ab dem 24.
Zwischen Tradition und Moderne
Damit liegen sie durchaus im internationalen Trend. Denn der vor allem von Briten und US-Amerikanern zum beliebtesten Weihnachtsmarkt Europas gekürte Budapester – um die St.-Stephans-Basilika herum – beginnt ebenfalls am 24. November und endet erst am 31. Dezember. Auf Platz zwei wurde bei der Online-Abstimmung der Tourismusplattform European Best Destinations (an der immerhin 375.000 Menschen aus 179 Ländern teilnahmen) der Danziger Weihnachtsmarkt gewählt. Es folgen der im rumänischen Craiova, im lettischen Riga und im französischen Montbéliard. Außer dem in Essen (Platz 6) ist unter den ersten zehn Weihnachtsmärkten kein einziger im deutschsprachigen Raum vertreten.
Und das, obwohl sich beispielsweise die Genußhauptstadt Graz unter dem Motto „Advent der kurzen Wege“ bis zum 24. Dezember quasi in einen aus vielen kleinen zusammengesetzten Riesen-Weihnachtsmarkt verwandelt: im Mittelpunkt von alldem die aus 35 Tonnen kristallklarem Eis geschnitzte Krippe mit ihren lebensgroßen Figuren im Landhaushof.
Auf Qualität statt Quantität setzen Deutschlands historische Weihnachtsmärkte in Augsburg, Bremen, Hannover, Hamburg, Lübeck, Münster oder München, die erst am 27. November öffnen und damit traditionell nach Totensonntag. Etabliertes Ziel von Touristen aus aller Welt ist der Christkindlesmarkt in der Nürnberger Altstadt (1. bis 24. Dezember), der mit dem Lichterzug der Kinder und Nürnberger Lebkuchen lockt. In Dresden öffnet am 29. November – so die Pflasterer bis dahin ihr Arbeitspensum geschafft haben – auf dem Altmarkt der 589. Striezelmarkt seine Tore. Traditionell wirbt der älteste Weihnachtsmarkt in Deutschland mit Pflaumentoffel, einer aus getrockneten oder Backpflaumen gefertigten, essbaren Figur, sowie mit einer 14 Meter hohen Erzgebirgspyramide und Dresdner Christstollen.
Wein-Nachts-Markt hier, Weihnachtsmarktausfall da
Ungewöhnliches, aber vielleicht gerade deswegen Zeitgemäßes, hat Traben-Trarbach mit seinem unterirdischen „Mosel-Wein-Nachts-Markt“ zu bieten. Dieser findet in fünf miteinander verbundenen historischen Weinkellern tief unter der Erde statt. Dort können Interessierte bis zum 1. Januar zusammen mit Winzern und Kunsthandwerkern das überirdische Leid vergessen und am Schließtag schauen, was das neue Jahr gebracht hat. Wem über den Jahreswechsel hinaus noch weihnachtlich zumute ist, sollte Baden-Baden besuchen. Der dortige Christkindelsmarkt schließt erst am 6. Januar. Noch einen Tag länger halten der „Phantastische Lichterweihnachtsmarkt“ in Dortmund, die Weihnachtsmärkte in Koblenz, Speyer, Weimar und Halle an der Saale sowie der „Advent auf dem Neumarkt“ in Dresden durch.
Während die Schausteller und Händler nach den Zwangsschließungen der Corona-Zeit und gestiegenen Mindestlöhnen, Materialkosten, Stand- und Gema-Gebühren knallhart kalkulieren müssen, was sie Besuchern zumuten können – in Freudenstadt fällt der Weihnachtsmarkt mangels Standbewerbern aus –, hat eine Aldi-Filiale in Köln all diese Überlegungen ad absurdum geführt. Vom 14. bis 16. November bot sie auf ihrem Discounter-Weihnachtsmarkt Glühwein für einen Euro, Bratwurst mit Brötchen sowie Crepes für zwei Euro und das Unterhaltungsprogramm kostenlos an.