STRASSBURG. Der Ausschuß für konstitutionelle Fragen des EU-Parlaments hat am Montag für eine Vergrößerung der Volksvertretung von bisher 705 auf 720 Sitze gestimmt. Heute soll das Plenum diese Entscheidung bestätigen. Was bedeutet das für das Demokratieprinzip?
Wie schon nach dem Brexit, als 27 Sitze neu verteilt wurden, erhält Deutschland keinen einzigen. Von den nun 15 zusätzlichen Abgeordneten gehen jeweils zwei an Frankreich, Spanien und die Niederlande. Österreich, Dänemark, Belgien, Polen, Finnland, die Slowakei, Irland, Slowenien und Lettland erhalten jeweils einen weiteren Sitz. Die Änderung greift schon zur Europawahl im Juni kommenden Jahres.
Frankreich und Polen protestierten
Ursprünglich sollte es, so ein Vorschlag des EU-Parlaments aus dem Juni, nur elf neue Sitze geben. Dagegen protestierten jedoch Frankreich, Belgien und Polen. Diese Länder wären leer ausgegangen und werden nun berücksichtigt. Deutschland hatte sich nicht beschwert und erhält wieder keinen zusätzlichen Abgeordneten. Die bisherige Sitzverteilung verschiebt sich damit weiter zulasten der Bundesrepublik.
Nach dem Brexit 2018 wurden von den 73 Sitzen, die mit dem Ausscheiden der britischen Abgeordneten frei wurden, 27 Sitze neu verteilt. Das Ergebnis sah so aus: Frankreich (+5), Spanien (+5), Italien (+3), die Niederlande (+3), Irland (+2), Schweden (+1), Österreich (+1), Dänemark (+1), Finnland (+1), die Slowakei (+1), Kroatien (+1), Estland (+1), Polen (+1), Rumänien (+1) und Deutschland 0.
Sieben Sitze mehr für Spanien und Frankreich
Frankreich und Spanien erhalten somit innerhalb weniger Jahre jeweils sieben Abgeordnete mehr und vergrößern ihren Anteil auf 81 bzw. 61. Der mit Abstand bevölkerungsreichste Staat, Deutschland, bleibt bei 96 Sitzen. Auch die Niederlande mit 17,5 Millionen Einwohnern sind großer Profiteur. Sie vergrößern ihre EU-Repräsentanz um insgesamt fünf auf nun 31. Deutschland hat mit 84 Millionen zwar 4,8 Mal so viele Einwohner wie die Niederlande aber nur noch drei Mal so viele Abgeordnete.
Die 1,9 Millionen Bürger Lettlands werden nun von neun Abgeordneten vertreten. Würden die Deutschen in derselben Weise repräsentiert, stünden der Bundesrepublik 398 Abgeordnete zu.
Keine gleichen Wahlen zum EU-Parlament
Besonders kraß ist das Verhältnis zu Malta: Während ein deutscher EU-Parlamentarier 865.000 Einwohner vertritt, liegt das Verhältnis auf der Mittelmeerinsel bei 1 zu 82.000. Die Stimme eines Maltesers hat also das 10,5fach höhere Gewicht als die eines Deutschen.
Deutschland ist im EU-Parlament – gemessen an der Abgeordnetenzahl pro Einwohner – seit jeher am wenigsten repräsentiert. Der Abstand zu Frankreich, Spanien und Polen wächst nun weiter.
Das Prinzip der gleichen Wahlen sagt, daß jeder Wähler im gleichen Maße von der Volksvertretung repräsentiert wird. Davon kann beim EU-Parlament nach der erneuten Vergrößerung noch weniger die Rede sein als ohnehin vorher schon.