Es ist nicht ganz leicht, den Superhelden-Geschichten aus dem Hause Marvel so etwas wie einen intellektuellen Nährwert abzugewinnen. Das ist auch bei der neuen Spider-Man-Verfilmung „No Way Home“ der Fall. Erschwert wird die Suche nach Sinn auch durch den Anblick der handelnden Charaktere.
Mit von der Partie sind: ein junger Mann, der sich infolge eines Labor-Unfalls mit Hilfe von Spinnenfäden durch die Luft schwingen kann. Ein älterer Mann, dem ellenlange Stahl-Arme aus dem Rücken wachsen. Einer, der mit seiner fliegenden Frisbee-Scheibe durch die Luft saust. Und wieder ein anderer, der sich nach Belieben zu Staub zerfallen lassen oder in ein Sandmonster verwandeln kann. Last but not least ein humanoider Stromfresser – und schließlich ein Zauberer, der nicht nur seltsam aussieht, sondern auch so heißt: Dr. Strange nämlich. Wie soll man solche Filmfiguren ernst nehmen?
Doch dann fallen in „Spider-Man – No Way Home“ auf einmal Sätze, die aufhorchen lassen. Es ertönen Mahnungen wie „Große Macht bedeutet auch große Verantwortung!“ oder „Wenn man etwas wieder in Ordnung bringen will, hat das Folgen!“ Mit Blick auf seine Feinde stellt Spider-Man die Frage: „Was, wenn wir ihr Schicksal ändern könnten?“ Und dann ist an entscheidenden Stellen immer wieder vom „Heilen“ die Rede.
Spider-Man impft seine Feinde
Für diese Heilung gibt es natürlich auch gleich den erforderlichen Wirkstoff, der zwar nicht Vakzin genannt wird, aber mindestens genauso umstritten ist. Man ahnt schon wie es weitergeht. Einige Superhelden blicken positiv auf das Mittel, die anderen sind eher skeptisch.
Und wo entbrennt nun zwischen diesen beiden beiden Lagern der erbitterte Machtkampf? Auf der Freiheitsstatue natürlich, die das nach allen Regeln der Filmkunst inszenierte Kräftemessen weitgehend unbeschadet übersteht. Auch für die schlimmste Mutation gibt es ein Medikament, scheint uns da jemand sagen zu wollen. Notfalls muß man es den Zweiflern gegen ihren Willen verabreichen. Die Freiheit wird den kleinen Eingriff schon überleben.
Es gehört schon lange zum guten Ton in Hollywoods Superhelden-Universum, in den Geräusche-Terror der Actioneinlagen ein paar tiefsinnige Gedanken einzustreuen. Ansonsten wäre es auch einfach zu albern, was dem Zuschauer da serviert wird.
Die „Spider-Man“-Abenteuer wurden 1962 von Stan Lee und Steve Ditko erfunden. Im deutschen Sprachraum waren die ersten Comics des Helden Peter Parker unter dem Titel „Die Spinne“ am Kiosk erhältlich. Als Film-Saga gibt es die Spider-Man-Geschichten seit dem Jahr 2002, als Tobey Maguire in das Spinnen-Kostüm mit den Farben der US-Flagge schlüpfte. Ihm folgte 2012 Andrew Garfield als „The Amazing Spider-Man“. Und seit 2016 ist der erst 25 Jahre alte Tom Holland regelmäßig in der Rolle des zwischen Alltag und Gefahr hin- und hergerissenen Superhelden zu sehen.
Das Motto: Kurieren statt eliminieren
Wie alle Superhelden legt auch Peter Parker sein rot-blau-weißes Latexkostüm nur an, wenn Not am Mann ist, also wenn irgendwelche Bösewichte unschädlich gemacht werden müssen. So auch im neusten Marvel-Streifen.
Dieses Mal hat Spider-Man nach seinem letzten Abenteuer aber auch privat so einigen Ärger. Während einer Europa-Reise läuft für den Spinnen-Mann einiges aus dem Ruder. Seine wahre Identität kommt ans Licht. Jetzt gilt Parker nicht mehr als glorreicher Retter, sondern als Mörder. Einzig sein bester Freund Ned (gespielt von Jacob Batalon) und seine Angebetete Michelle Jones (von der Schauspielerin Zendaya verkörpert) halten zu ihm. Parker wünscht sich in die Vergangenheit zurück. Diesen Wunsch erfüllt ihm der Zauberer Dr. Strange (Benedict Cumberbatch).
Der kennt die Geheimnisse des „Multiversums“ und erklärt, man könne durch die Manipulation des Raum-Zeit-Kontinuums die gute alte Zeit wiederherstellen. Da Spider-Man dabei aber zu viele Sonderwünsche anbringt, gibt es einen Riß im „transkosmischen Übergangsbereich“.
Und das hat böse Folgen. Unholde aus früheren „Spider-Man“-Abenteuern kehren unverhofft zurück und sorgen auf der Erde für eine Menge Schutt und Scherben. Peter Parker muß nun hoch und heilig versprechen, den von ihm angerichteten Schaden zu reparieren. Und damit beginnt die heikle Mission von „No Way Home“ unter dem Motto: kurieren statt eliminieren!
Visueller Höhepunkt des unübersichtlichen und phasenweise ermüdenden Trickeffekte-Theaters ist ein surrealistisches Kräftemessen zwischen Spider-Man und Dr. Strange, bei dem die uns bekannte Welt buchstäblich kopfsteht: Comic-Kitsch trifft Salvador Dalí. Und Hollywood führt Regie.