BRÜSSEL. Zwei CDU-Wirtschaftspolitiker haben zu Beginn des EU-Gipfels vor dem von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) angestrebten Wiederaufbaufonds gewarnt. „Das Volumen des Fonds ist zu groß“, schreiben der Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, Carsten Linnemann, und der EU-Abgeordnete Markus Pieper am Freitag in einem gemeinsamen Gastbeitrag in der Rheinischen Post. „Eine Überlastung der ganzen EU droht.“
Die Regierungen Deutschlands und Frankreichs fordern einen 750 Milliarden Euro schweren Fonds zur Unterstützung von EU-Mitgliedsstaaten, die von der Corona-Krise besonders betroffen sind. Damit mache die EU dieselben Fehler wie in der Eurokrise, warnen die beiden CDU-Politiker. „Als die Eurokrise die Konstruktionsmängel schonungslos offenlegte, wurden Rettungsschirme aufgespannt, die Druckerpresse der EZB angeworfen und politische Durchhalteparolen kreiert.“
Linnemann und Pieper gaben zu bedenken, daß die Finanzkraft Deutschlands und damit die Möglichkeit für grenzüberschreitende Umverteilungen endlich seien. Zudem bezweifelten sie, ob die geplante Finanzhilfe mit den EU-Verträgen vereinbar sei. Denn die darin für Katastrophenfälle vorgesehene einmalige Ausnahme vom Verschuldungsverbot treffe auf den Wiederaufbaufonds nicht zu, da dieser über Schulden finanziert werden soll, die den gesamten nächsten siebenjährigen Haushalt betreffen.
EU-Gipfel verhandelt über 1.750 Milliarden Euro
Nötig seien ihrer Ansicht nach „ehrliche Reformen statt neuer Schulden“. Deshalb müsse ein Reformprogramm aufgelegt werden, mit dem die Währungsunion auf stabilere Füße gestellt werde. Außerdem müsse darin auch ein Restrukturierungsverfahren für Staaten enthalten sein, das ein geordnetes Ausscheiden aus der Euro-Zone ermögliche.
Ab dem heutigen Freitag findet zum ersten Mal seit der Corona-Krise wieder ein EU-Gipfel in Brüssel statt. Dabei verhandeln die Staats- und Regierungschefs zum einen über den mittelfristigen Finanzrahmen (MFR) von 2021 bis 2027 in Höhe von 1.000 Milliarden Euro und den Wiederaufbaufonds. In beiden Fällen gibt es seit Wochen Streit zwischen Länden, die auf mehr Sparsamkeit bestehen, und jenen Staaten, die mehr Unterstützungsgelder aus Brüssel für bedürftige Länder fordern.
„Sparsame Vier“ gegen „Freunde der Kohäsion“
Beim Wiederaufbaufonds kommt die Kritik vor allem aus der Gruppe der „sparsamen Vier“ bestehend aus Österreich, den Niederlanden, Dänemark und Schweden. Sie stören sich vor allem an den zu geringen Forderungen gegenüber Netto-Empfängern. Denn 500 der 750 Milliarden Euro sollen als nicht rückzahlbare Zuschüsse ausgegeben werden, 250 Milliarden Euro in Form von Krediten. Vor Beginn der Corona-Krise hatten sie gefordert, das EU-Budget solle auf maximal ein Prozent des jeweiligen nationalen Haushalts begrenzt bleiben.
Demgegenüber stehen die „Freunde der Kohäsion“, die sich für eine Fortführung der bisherigen Kohäsionspolitik, also der Aufbau- und Ausgleichspolitik zwischen den EU-Staaten, aussprechen. Dazu zählen vor allem die südeuropäischen Länder, Frankreich und die meisten osteuropäischen Staaten. Deutschland ist sowohl bei EU-Budget als auch beim Wiederaufbaufonds größter Zahler. (ls)