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Rechtsextremismus in der Bundeswehr: Kamerad Horch und Guck

Rechtsextremismus in der Bundeswehr: Kamerad Horch und Guck

Rechtsextremismus in der Bundeswehr: Kamerad Horch und Guck

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Übung der Bundeswehr in Niedersachsen Foto (Archivbild): picture alliance/Philipp Schulze/dpa
Rechtsextremismus in der Bundeswehr
 

Kamerad Horch und Guck

Ein Unteroffizier wirft Kameraden rechtsextreme Einstellungen vor. Der Militärische Abschirmdienst ermittelt. Doch der selbsternannte „Whistleblower“ wurde wegen Mißbrauch der Befehlsgewalt verurteilt. Die Bundeswehr will ihn nun entlassen.
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Geheimdienste dürfen nicht allzu pingelig sein, wenn es darum geht, an wichtige Informationen zu kommen. Da kann eine Quelle schon mal etwas trübe sein; Hauptsache, sie sprudelt. Das gilt auch für den Militärischen Abschirmdienst (MAD), der die Bundeswehr nicht nur vor Spionage, sondern auch vor Unterwanderung verfassungsfeindlicher Kräfte schützen soll.

Seit einiger Zeit mal wieder besonders im Fokus: rechtsextreme Bestrebungen. Immer wieder häufen sich alarmistische Medienberichte, in denen vor „braunen Netzwerken“ in der Truppe, gar einer „rechten Schattenarmee“ gewarnt wird. Wenn die Regierung auf entsprechende Anfragen im Bundestag mitteilte, sie habe bislang keine Hinweise auf deren Existenz, war der Vorwurf nicht weit, hier werde vertuscht, verheimlicht, verschwiegen. Diesen Eindruck müssen die Geheimen des MAD also offenbar tunlichst vermeiden. Und deshalb greifen sie auch auf Auskünfte von Leuten zurück, die – gelinde gesagt – einen etwas zweifelhaften Leumund haben.

Tätowierung mit Kreuzritter-Motiv gemeldet

Bereits Anfang Februar berichtete die JUNGE FREIHEIT über einen Stabsunteroffizier und Feldwebelanwärter, der quasi nebenamtlich eine Art eigenen Verfassungsschutz betrieb – und dabei nach Gutdünken Kameraden anschwärzte. Seit 2016 schickte er Meldungen an den MAD sowie andere Stellen innerhalb und außerhalb der Bundeswehr, darunter auch das Bundesamt für Verfassungsschutz. Dabei verfaßte er unter anderem einen rund 50 Seiten umfassenden Bericht im Stil einer wissenschaftlichen Arbeit – mit Fußnoten.

Für meldenswert habe er unter anderem gehalten, daß jemand die nach Deutschland geflüchteten syrischen Männer dafür kritisierte, daß sie ihre Frauen und Kinder zurückgelassen hätten. Auch ein sogenanntes „Patch“, ein Aufnäher, mit der Aufschrift „Deus Vult“ oder eine gepostete Tätowierung mit Kreuzritter-Motiv erregten offenbar sein Mißfallen. Zudem soll der Soldat auch Gespräche belauscht und dann Äußerungen lediglich „der Stimme nach“ einzelnen Kameraden zugeordnet haben.

In manchen Fällen habe er quasi auf eigene Faust soziale Netzwerke nach in seinen Augen anstößigen Posts durchsucht und die Urheber dann vermerkt, wenn er Anhaltspunkte dafür sah, daß es sich bei ihnen ebenfalls um Angehörige der Bundeswehr handelt. Dabei hat der Stabsunteroffizier in seinem Bericht offenbar vollständige Namen und Dienstgrade wiedergegeben. Außerdem soll sich der Mann darin einer Ausdrucksweise bedient haben, die einen quasi offiziellen Charakter suggeriert: Begriffe wie „Ermittlungen“ oder „Verdachtsperson“ tauchten ebenso auf wie der Terminus „OSINT“ (Open Source Intelligence), so als handele es sich um eine professionelle investigative Recherche, gar im hoheitlichen Auftrag.

Selbst kein unbeschriebenes Blatt

Möglicherweise hat sich der Verfasser auch von der vor einem Jahr aufgebrezelten Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) „ISoLa“ (Meldewesen Interne soziale Lage der Bundeswehr) ermutigt gefühlt. Sie dient – neben der ZDv für das Meldewesen – als „Frühwarnsystem“ in der Truppe und gilt für Unfälle oder Suizide genauso wie für Fälle von sexueller Belästigung, Diskriminierung, Mobbing oder Extremismus.

Mitte März vergangenen Jahres wandte sich der Feldwebelanwärter das erste Mal an den Verteidigungsausschuß des Bundestags, nachdem sein Wunsch, mit der Leitung des Bundesverteidigungsministeriums (BMVg) über seine Erkenntnisse zu sprechen, abschlägig beschieden worden war. Dabei hatte man ihm dort sogar schon 2017 mitgeteilt, seine Darstellung „potentiell rechtsextremer Tendenzen“ werde in die Aufarbeitung durch das Ministerium einbezogen. Anfang März 2018 wies ihn das BMVg nochmals darauf hin, er möge seine Hinweise an das zuständige Referat innerhalb der Bundeswehr leiten. Parallel dazu hatte der Soldat auch das BKA informiert. Das wiederum setzte den MAD in Kenntnis, man prüfe die Angaben des Soldaten „auf eine mögliche strafrechtliche Relevanz der mitgeteilten Sachverhalte“.

Aus einem als Verschlußsache eingestuften Schreiben des Bundesverteidigungsministeriums an den Verteidigungsausschuß vom 25. März geht unterdessen hervor, daß der an der Verfassungstreue einiger seiner Kameraden zweifelnde Feldwebelanwärter selbst ein strafrechtlich nicht unbeschriebenes Blatt ist. Denn Stabsunteroffizier J. ist am 18. Februar dieses Jahres in zweiter Instanz vom Landgericht Hechingen wegen Befehlsmißbrauchs zu einer Geldstrafe von insgesamt 1.500 Euro (30 Tagessätze à 50 Euro) verurteilt worden.

Verdacht auf Dienstplichtverletzungen

Der 30jährige mit Abitur und angefangenem Jurastudium, der laut eigenen Angaben ursprünglich Offizier werden wollte, hatte nach Überzeugung der Strafkammer im Dezember 2016 in einer Ausbildungskompanie in Pfullendorf einen ihm unterstellten Soldaten zweimal ohne jeglichen dienstlichen Bezug „ins Achtung gestellt“ – einmal in einer Mittagspause, einmal zu nachtschlafener Zeit.

Der damals 21jährige Gefreite mußte im Schlafanzug strammstehen, das Ganze sei dann sogar vom Angeklagten fotografiert worden. Der wiederum sah in den Vorwürfen ein Komplott, eine Racheaktion anderer Unteroffiziere und Feldwebel. Denn J. hatte sich auch dort schon als „Whistleblower“ gesehen und an den MAD gewandt. Die angeblichen Mißstände in seiner Kompanie: „Saufgelage“, „Scheinerschießungen“ und das Verbreiten von Videos einer verurteilten Holocaust-Leugnerin.

Daraufhin habe er den „starken Korpsgeist in dieser Fallschirmjägertruppe“ zu spüren bekommen. Doch das spielte im Prozeß gegen J. keine Rolle, auch wenn – so analysierte der Richter – der Angeklagte das Verfahren gerne auf eine solche Schiene gebracht hätte. Die Kammer glaubte den Zeugen und attestierte dem Angeklagten, „aus Unreife“ eine Straftat im Sinne des Wehrgesetzbuches begangen zu haben. Das im März 2017 in der Bundeswehr aufgenommene Vorermittlungsverfahren gegen J. wegen des Verdachts auf Dienstplichtverletzungen dauert laut BMVg noch an.

Das Spitzel-Material wird weiter geprüft

Erhärtet hat sich mittlerweile auch der Verdacht, der „Stuffz“ habe heimlich Tonbandaufnahmen „zu Lasten von Kameraden erstellt sowie unzulässigerweise dienstinterne Schriftsätze zum Nachteil von Kameraden genutzt“. J. soll dienstliche Schreiben, von denen er durch Akteneinsicht Kenntnis erlangt hatte, eigenmächtig an eine Staatsanwaltschaft überstellt haben. Diese neuerlichen Vorwürfe gegen den Unteroffizier sind seit November vergangenen Jahres ein Fall für die Staatsanwaltschaft Hechingen. Eine Entscheidung in dieser Angelegenheit liegt noch nicht vor.

Im Mai 2017 wandte sich der Soldat an den Wehrbeauftragten des Bundestags, um zu rügen, daß und wie gegen ihn im gerichtlichen Disziplinarverfahren ermittelt wurde. Ohne Erfolg: Die Fachaufsicht prüfte das Verfahren und stellte keine Mängel fest. „Entsprechende Dienstaufsichtsbeschwerden wurden als unbegründet zurückgwiesen.“

Pikant nun: Obwohl J. bereits verurteilt wurde und obwohl ein weiteres Verfahren gegen ihn läuft, wurden und werden seine „zum Teil vagen Angaben zu Personen und Sachverhalten durch den MAD sorgfältig im Kontext überprüft“. Hinreichenden Verdachtsmomenten gehe man nach. Weiter heißt es im Schreiben des Verteidigungsministeriums, die Abwehrleute der Bundeswehr führten derzeit „vier nachrichtendienstliche Operationen zu Verdachtspersonen, die auf Informationen des Herrn J. zurückzuführen sind“, durch. In zwei weiteren Fällen werde aufgrund der schriftlichen Ausführungen des mitteilsamen Soldaten „die Aufnahme einer nachrichtendienstlichen Operation geprüft“. Zwei andere Verdachtspersonen wurden zwar von J. genannt, die laufenden Ermittlungen des MAD jedoch anderweitig angestoßen.

Entlassungsverfahren gegen J.

Der Richter in Baden-Württemberg hatte mit Blick auf den angeklagten J. geäußert, er hoffe, daß es nie den Verteidigungsfall gebe. „Ich weiß nicht, wie das in diesem unseren Lande heute ausgehen würde“, zitierte ihn die Südwest-Presse. Seine Skepsis hinsichtlich der Eignung des Verurteilten zum Feldwebel scheint man bei der Truppe zu teilen. Gegenwärtig betreibt die Bundeswehr ein Entlassungsverfahren gegen Stabsunteroffizier J. Seinen Anschuldigungen gegen Kameraden geht der MAD ungeachtet dessen weiter nach.

 

Übung der Bundeswehr in Niedersachsen Foto (Archivbild): picture alliance/Philipp Schulze/dpa
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