Die AfD gilt allgemein als Partei, deren Mitglieder sich sehr ungern etwas „von oben“ sagen lassen. Will der Vorstand ein bestimmtes Ziel erreichen, müsste er am besten die Basis auffordern, das Gegenteil zu tun, meinte ein Mitglied der Parteiführung einmal augenzwinkernd. Doch am zweiten Tag der Europawahlversammlung im sächsischen Riesa sah sich Bundessprecher Jörg Meuthen irgendwann dann doch dazu gezwungen, zwar kein Machtwort, aber doch eine ernste Ermahnung an die Delegierten zu richten.
Gerade war auch im zweiten Anlauf die Wahl eines Kandidaten für Listenplatz 16 gescheitert. Wieder erreichte keiner der Kandidaten in der Stichwahl das nötige Quorum, weil zu viele wahlberechtigte Parteimitglieder mit „Nein“ – also gegen beide Bewerber – bestimmt hatten. Das bedeutete: Versuch Nummer 3.
Hohe Kosten
Meuthen tat also etwas „höchst seltenes“, wie er betonte; er bat die Delegierten, er appellierte an sie, doch bitte in einer Stichwahl nicht mit „Nein“ zu stimmen, sondern sich, wenn kein Kandidat goutiere, sich lieber zu enthalten (da dies das notwendige Quorum senkt). Der Spitzenkandidat verwies auf die Notwendigkeit, auf diesem Parteitag mit der Wahlliste fertig zu werden.
Denn es naht die Abgabefrist und außerdem werde die Sache ziemlich teuer, schließlich trifft man sich bereits zum zweiten Mal innerhalb von gut zwei Monaten. Teil eins der Europawahlversammlung im November in Magdeburg soll mit rund 500.000 Euro in der Parteikasse zu Buche geschlagen haben; das verlängerte Wochenende in Riesa dürfte nicht wesentlich preiswerter sein. „Umgerechnet kostet uns jede Kandidatenvorstellung 3.500 Euro“, rechnete Meuthen hoch.
Deswegen knüpfte er einen weiteren Appell an: Jeder solle sich wirklich, wirklich selbstkritisch fragen, ob er das Wagnis Kandidatur angehen wolle. Der Parteichef zielte dabei auf diejenigen, die er „Glücksritter“ nannte. Leute also, die erkennbar ohne jegliche Chance antreten – und dann ein einstelliges Ergebnis erzielen (bei rund 500 Stimmberechtigten).#
Drohender Streit um „Dexit“
Meuthens Bitte fruchtete nicht ganz. Zwar war der dritte Anlauf für Platz 16 mit der Wahl des Münsteraners Martin Schiller schließlich erfolgreich, doch noch immer stimmten in etwa so viele (oder gar mehr) Delegierte mit „Nein“ als daß sie sich enthielten. Und auch für den folgenden Platz 17 traten zwölf Bewerber an, von denen ein Drittel auf ein einstelliges Ergebnis kam.
Das Ziel, bis zur Wahl eines Kandidaten für Platz 20 vorzustoßen, um sich dann am Sonntag doch noch dem Wahlprogramm zu widmen, ist nun nicht mehr ganz unrealistisch. Manche Bewerbungsrede läßt ahnen, daß dabei um die Frage eines möglichen Austritts Deutschlands aus der EU („Dexit“) noch ziemlich kontrovers gestritten wird.