Es ist schon erstaunlich, wie verhalten und skeptisch das politisch-mediale Establishment auf die Nachrichten aus Singapur reagiert. Man stelle sich nur einen Moment vor, Barack Obama oder Bill Clinton hätten das Treffen organisiert. Der zweite Friedensnobelpreis wäre ihnen sicher gewesen, Obama hat ihn ja schon bekommen ohne Singapur, ohne Nahost, ja eigentlich ohne jede Friedensleistung. Der Jubel wäre wohl grenzenlos. Aber Donald Trump ist eben der Falsche, der Populist, der Unberechenbare.
Sicher – ein Schuß Skepsis ist angebracht. Die Denuklearisierung Koreas ist nur eine erklärte Absicht, und dazu noch ohne Datum. Aber an dieser Erklärung wird der nordkoreanische Diktator Kim Jong-un sich messen lassen müssen.
Eine erfolgreiche Entspannungspolitik erfordert regionale Partner
Sicher ist auch, ein unsichtbarer Dritter saß mit am Tisch, der große Nachbar und chinesische Diktator Xi Jinping. Ohne seine Zustimmung hätte es diese Erklärung nicht gegeben. Peking hat aber auch ein Interesse an einem Atomwaffenfreien Korea. Es kann nun hoffen, daß die Amerikaner wenigstens einen Teil ihrer Nuklearraketen und GI’s aus dem Süden abziehen.
Ein neutrales Korea ist China allemal lieber als ein unberechenbares im Norden und waffenstarrendes im Süden. Insofern liegt über der Erklärung von Singapur ein Hauch der Stalin-Note von 1952, mit der der sowjetische Despot eine Möglichkeit zur Einigung Deutschlands anbot. Hier werden die Südkoreaner ein Wort mitreden, so wie damals Adenauer, der die Westbindung der von Stalin geforderten Neutralität vorzog.
Und sicher, irgendwie muß diese historisch zu nennende Erklärung auch in die Realität umgesetzt werden. Das geht nur mit Hilfe internationaler Institutionen, etwa der Internationalen Atomenergie-Organisation in Wien, und unter Mitsprache der betroffenen Regionalmächte. Geeignet wäre ein Format, wie Rußland es schon mal vorgeschlagen hatte: Das Sechsergremium aus China, Russland, Nordkorea, Südkorea, Japan und den USA.
Gesichtwahren ist alles
Man kann nicht sagen, Trump hätte sich hier über den Tisch ziehen lassen, indem er ein Treffen auf gleicher Augenhöhe organisierte. Wer sich ein wenig in Asien und mit Asiaten auskennt weiß: Gesichtwahren ist alles. Ohne diese äußerliche Ebenbürtigkeit wäre es nie zu dem Treffen gekommen. Diese Äußerlichkeiten sind Trump herzlich egal, er weiß und sagt es auch: Wenn nichts draus wird, dann haben wir es wenigstens versucht. Das können Obama und Clinton nicht von sich behaupten.
Skepsis freilich ist auch angesagt bei Kim. Sollte er nur einen Moment lang den Eindruck haben, er verliere Gesicht und Macht, dann wird er das Abkommen sofort aufkündigen und sich auf gedeih und verderben in die Arme Pekings werfen. Deshalb war die offene und direkte, ganz undiplomatische Sprache Trumps am Beginn der Operation Korea genau richtig. Bei dieser Offenheit sollte es bleiben. Es ist die Sprache, die Kim versteht – und die Chinesen übrigens auch.